Der NDR berichtet über Nachtbürger:innen, die es in Deutschland erst seit kurzem gäbe, ein spannendes Thema im Bereich unseres Seminars „Fremde Welt Nachterleben“. Das Nachtleben habe sich stark verändert, so kann ich nachlesen. Es gäbe jetzt sogar „Nachtbeauftragte“, die entgegen des ersten Eindrucks tagaktiv seien Ihre Vision sei, was könne man an neuen spannenden Clubs auftun, die das Nachtleben bereichern würden. Es entstehe die Idee der „Kuratierten Clubs“, interessanter Weise im Ruhrgebiet, das ja nun weniger durch sein Nachtleben bekannt geworden sei. Wer heute von „Kuratieren“ spräche, meine in diesem Kontext die Fähigkeit, Dinge auszuwählen, um sie raumbezogen an besonders interessanten Schauplätzen zu präsentieren.
Das war 2019 und dann kam Corona mit ihr vorübergehend das Erliegen des Clublebens. Wie aus dem Nichts entstanden nach dem Ende der Pandemie „Nachtbeauftragte“. Städte schaffen neue Stellen für Menschen, die die Nachtkultur lieben, von Menschen, für die gilt: „Die Nacht ist nicht allein‘ zum Schlafen da, die Nacht ist da, dass was gescheh‘“.
So zum Beispiel die „Fraunhofer Schoppenstube“ – mitten im hippen Glockenbachviertel gelegen, als Treffpunkt der Münchner Nachtschwärmer. Ob Studenten oder Rentner, Arbeitslose, Künstler oder Geschäftsleute. Alle versammeln sich in einer gemeinsamen Feier der nächtlichen Stunden. Eine soziale Utopie auf kleinstem Raum.
Auch in Frankfurt heulen nachts nicht nur die Wölfe, sondern da lockt das Vergnügen, als Nachtschwärmer ins wirkliche Nachtleben zu starten. Das „Silbergold“ in der Heiligkreuzgasse in Frankfurt öffnet Freitag- und Samstagnacht von 23:50 bis 06:00 seine Tore. Das Versprechen ist:
„Von gepflegtem Techno über gechillte House Music bis hin zu Futuristic Soul bietet das Silbergold alles für das Elektroherz. Da das Auge bekanntermaßen mitisst, setzt sich das eigenwillige Konzept auch im Design des Ladens durch: Futuristischer Kubus-Style und dekadente Lightshows ergeben eine smarte Atmosphäre, die zum Tanzen animiert.“
Die Nachtschwärmer haben auch Edward Hopper in seinem Spätwerk inspiriert. Eines seiner bekanntesten Bilder „Nighthawks“ (1942) erzählt von Zivilisationsräumen in der Stadt. Als einziges Bild Hoppers zeigt es eine gebogene Scheibe und macht somit das Glas sichtbar. In „Edward Hopper 1882-1967 – Tranformation des Realen“ beschreibt Rolf Günter Renner, was das Bild so faszinierend macht, dass es Weltruhm für sich beansprucht.
„Der Raum der Bar umgibt die Menschen wie ein hermetisch verschlossenes Gefäß. Dabei wird eine Abgrenzung von der städtischen Umgebung wie von der Natur erkennbar. Die Nacht in der Stadt ist allein durch das Licht in der Bar erhellt. … „Hopper weist zwar darauf hin, daß erunbewusst ‚die Einsamkeit einer großen Stadt‘ gemalt habe, doch andererseits betont er die Beiläufigkeit des Bildes in dem er nichts als ‚ein Restaurant in der Greenwhich Avenue, wo sich zwei Straßen treffen‘ darstelle“ Renner, 2015, Edward Hopper, S. 80).
Nighthawks“ wirken in ihrer Wirkung ambivalent, weil sie von einer psychologischen Spannung geprägt sind. Sie transportieren, ganz im Gegensatz zu der erwarteten nächtlichen Vergnügungsszene, wie sie die eingangs aufgezählten Events vermitteln sollen, eine Mischung aus Einsamkeit und Melancholie, gepaart mit einer gewissen Härte und Strenge.
„Sie sind still, aber voller Spannung“, so beschreibt es der Deutschlandfunk 2018 treffend – „wie Standbilder aus Filmen, nur dass bei Hopper das Davor und das Danach der Handlung verborgen bleiben. Mit ihrer rätselhaften Ausstrahlung haben Hoppers Gemälde schon viele Künstler anderer Gattungen inspiriert. Alfred Hitchcock zum Beispiel nahm für das gruselige Motel in seinem Kultfilm „Psycho“ Hoppers Gemälde „House by the Railroad“ von 1925 zum Vorbild.“
Weitere 17 amerikanische Schriftsteller hätten sich laut DLF von Werken des Malers Edward Hopper zu Kurzgeschichten inspirieren lassen. Der Band „Nighthawks“ versammele sie und sei ein Hochgenuss für Kunst- wie für Krimi-Liebhaber.
Welche Gedanken kommen ihnen zum Themenbereich des „Nachterlebens“?
Herzlichen Dank ein weiteres Mal an Kai Wehrs für sein wunderbares Bild des nächtlichen Flanierens durch Frankfurt.