Du betrachtest gerade Literaturtipp zu Lovescamming: Martina Hefters „Hey, guten Morgen, wie geht es dir?“

Am 20. Mai fand die Lesung der Buchpreisträgerin 2024 Martina Hefter im Literaturhaus Darmstadt statt, und ich möchte einige Gedanken zu ihrem Werk „Hey, guten Morgen, wie geht es dir?“ teilen. Die Literaturpreisträgerin schreibt über Juno, die tagsüber ihrem schwerkranken Mann Jupiter hilft, seinen Alltag zu meistern. Die Künstlerin chattet in ihren schlaflosen Nächten mit Love­Scammern im Internet. Martina Hefter hat einen berührenden Roman über Bedürfnisse und Sehnsüchte im Leben geschrieben. Und darüber, wie weit man bereit ist, für die Liebe zu gehen. Gegenwärtig warnt die deutsche Polizei eindringlich vor Liebesbetrügern. Dies macht Hefters Roman besonders relevant. „Love Scamming“ ist eine moderne Form des Heiratsschwindels, bei dem Betrüger gefälschte Profile auf Social Media und Dating-Portalen erstellen, um ahnungslose Opfer in eine Scheinwelt zu ziehen. Dazu ein Leserbrief mit herzlichem Dank!

Liebe Blog-Leser des UniWehrsel,

Psychologisch betrachtet ist das Bedürfnis nach Liebe und Zugehörigkeit eines der grundlegendsten menschlichen Bedürfnisse. Nach Maslows Bedürfnispyramide steht es an zweiter Stelle, direkt nach den physiologischen Bedürfnissen. Liebe und soziale Bindungen sind entscheidend für unser emotionales Wohlbefinden und unsere psychische Gesundheit. 

Ein zentraler Aspekt, warum Frauen sich von Love-Scammern verführen lassen, liegt in der Psychologie der emotionalen Bedürftigkeit. Viele Frauen, insbesondere solche, die sich in einer Lebensphase befinden, in der sie sich einsam oder unerfüllt fühlen, sind anfälliger für die verführerischen Angebote von Scammern. Diese Betrüger nutzen gezielt emotionale Manipulationstechniken, um Vertrauen aufzubauen und eine Bindung zu schaffen. Sie bedienen sich romantischer Idealisierungen und versprechen eine Flucht aus der Realität, die oft von Enttäuschungen und Einsamkeit geprägt ist.

„Er erzählte, dass er in Nigeria lebte. In einer mittelgroßen Stadt im Südwesten.
Juno sah nicht auf Google Maps nach, sie wusste es auch so:
Er war ziemlich weit entfernt. Sie erfuhr auch seinen richtigen Namen: Benu.
Juno schlug den Namen später nach. Benu war ein Wesen aus
der altägyptischen Mythologie, eine Art Vorgänger des Phö-
nix, ein Totengott. Benu verbrachte die Nacht im Duat, dem
Totenreich, und stieg in der Morgenröte neu geboren als Rei-
her wieder herauf.
Juno mochte den Namen. Auch er endete, wie Juno, auf etwas
Dunkles, auch er hatte, wie Juno, nur zwei Silben.
Wenn man sie immer weiter sprach, ohne Pause, klangen sie
irgendwann wie ein fortdauerndes Geräusch“. (Auszug Leseprobe).

In Hefters Roman wird deutlich, dass Juno, trotz ihrer anfänglichen Skepsis, von Benu angezogen wird, weil er ihr das Gefühl gibt, begehrt und geliebt zu werden. Diese emotionale Bestätigung ist für sie in ihrer schwierigen Lebenssituation von großer Bedeutung. Psychologisch gesehen kann dies als eine Form der Kompensation für unerfüllte Bedürfnisse interpretiert werden. Die Illusion einer perfekten Beziehung, die von einem vermeintlich wohlhabenden und charmanten Mann angeboten wird, kann für Frauen, die sich nach Zuneigung und Anerkennung sehnen, äußerst verlockend sein.

In Hefters Roman wird dieses Bedürfnis durch die Figur der Juno, Nickname von Isabella Flock, eindrucksvoll verdeutlicht. Sie flüchtet sich in eine Beziehung zu einem Love-Scammer, um der emotionalen Leere und der Belastung durch die Pflege ihres schwer erkrankten Ehemanns zu entkommen. Diese Flucht in eine Scheinwelt zeigt, wie stark der Drang nach Liebe und Anerkennung sein kann.

„Er kannte ihr Instagramprofil. Vielleicht auch ihren richtigen
Namen. Er könnte googeln. Sie lebte ja gar nicht in Chemnitz.
Er könnte einiges über sie finden. Fotos vergangener Perfor-
mances in Leipziger Theatern, Programmankündigungen.
Und sogar drei Interviews, zweimal im MDR und einmal in
einem lokalen Kulturradio.
Juno Isabella Flock. Überall waren ihre Splitter“ (vgl. Leseprobe,ebd.).

Die Betrüger präsentieren sich mit gefälschten Identitäten und blumigen Komplimenten, um in die Herzen und Konten liebebedürftiger Frauen zu gelangen. Juno, die sich von diesen Kontaktanbahnungen provoziert fühlt, reagiert zunächst mit Ironie und spielt mit den Erwartungen der Scammer. Doch Benu ist anders; er bleibt hartnäckig und führt den Kontakt weiter, selbst nachdem die Illusion seiner falschen Identität zerbrochen ist. Die Gespräche zwischen Juno und Benu entwickeln sich zu einem intensiven Zwiegespräch, in dem Junos anfängliches Misstrauen langsam aufweicht. Die Tatsache, dass Benu oft im Kerzenschein sitzt, weil in seiner nigerianischen Stadt der Strom ausfällt, verstärkt die emotionale Verbindung und lässt Juno an der Echtheit seiner Gefühle zweifeln. Als Benu schließlich seine Liebe gesteht, wird Juno mit der Frage konfrontiert, ob diese Liebe echt ist.

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  • Beitrags-Kategorie:Blog
  • Beitrag zuletzt geändert am:21. Mai 2025
  • Lesedauer:7 min Lesezeit