Du betrachtest gerade Jean-Christophe Ammann: Nähere Betrachtung oder „Fensterblicke“

Was ist eigentlich Kunst und warum ist sie so schwer zu verstehen? Manche Menschen stehen ganz einfach vor bestimmten Bildern, Fotographien oder sonstigen Ausdrucken momentaner Befindlichkeiten und fragen sich: Was hat das eigentlich zu bedeuten?

Nicht nur Jean-Christophe Ammann, ein ausgewiesener und international anerkannter Kenner der zeitgenössischen Kunstszene, möchte Sie einladen, Bilder näher zu betrachten und zu deuten. Auch mich hat das eine oder andere Foto dazu eingeladen danach zu fragen, ob das Kunst ist oder einfach nur eine spontane Darstellung einer Situation, die auf die eine oder andere Weise meine Phantasie angeregt hat.

Ich möchte Sie einladen, erhellende Fragen zu stellen und damit auch Zugang zu bestimmten Bildern, Texten oder Ideen zu erlangen, ganz ohne ein ausgewiesener und anerkannter Kenner der zeitgenössischen Kunstszene zu sein.

Lassen Sie uns gemeinsam mit Ammann über das Thema der Fenster reflektieren, denn genau dies ist es, wozu mich das Foto dieses Beitrags angeregt hat. Zunächst erscheint es mir so, als blicke da ein Wesen (Hund) durch ein Fenster. Wohin mag er blicken? Auf etwas dahinter Liegendes? Auf Artgenossen, Menschen, Nachbarn, deren Rückenansicht er erspäht oder was könnte es sein?

Fenster, das ist ein Sujet, welches besonders Edward Hopper (1882-1967, wir haben ihn im UniWehrsEL schon öfters zitiert)) gemalt hat. Jean-Christophe Ammann beschreibt in „Bei näherer Betrachtung“ („Straßenfenster – reingucken, rausgucken, verstummen“, S. 268 ff.) Hoppers Gabe sei, erotisch aufgeladenes Sehnsuchtspotential in eine Perspektive zu bannen, in welcher sich der Künstler mit dem Protagonisten treffe. Es gehe um Blicke, die ein Begehren verrieten (vielleicht an einem anderen Ort zu sein? Hinter eine Fassade zu blicken?). Aber diese Sehnsucht, dieses Begehren und „dessen wilde Melancholie“ (Melancholie, weil man nicht hinter die Fassade blicken kann?) werde alsbald von der Alltagsresignation eingeholt. Der voyeuristische Blick rege zwar die Phantasie an, Begehren sei aber wie ein Restwert „der umgekehrt proportional die Sehnsucht ins Unermessliche steigere“.

Es geht wohl dem Menschen wie dem Hund, der hinter die aufgebaute Kulisse (es ist in Wirklichkeit nur ein Spiegel hinter Eimern, die ein Handwerker hinterlassen hat) schauen möchte: der Wunsch, etwas Einzigartiges hinter der Fassade zu entdecken (analog in der Betrachtung des Hundes, vielleicht einen Artgenossen zu ‚erschnuppern‘) zeigt, die Sehnsucht ist jedem Lebewesen eingeschrieben, nur die Ziele sind durchaus unterschiedlich.

Zurück zu Ammann, der beschreibt, der Blick in oder aus einem (in unserem Fall vermeintlichen) Fenster sei „ein kunstgeschichtliches Topos“, welches meistens in Verbindung mit einer Rückenfigur in die Ferne gehe. Spontan fällt uns da ja Caspar David Friedrich und seine aufs Meer blickende Frau ein.

Über den Hund (er heißt übrigens Elli und gehört meinem Sohn Kai Wehrs, der neben vielen künstlerischen Aufnahmen auch dieses spontan entstandene Bild aufgenommen hat), weiter zu dem Kunstkenner Ammann bis hin zu dem Maler Friedrich, und weiterführend einem Gefühl des Nachdenkens und der Kohärenz (unser Webmaster Helmut Röll beschreibt es mit VHS) das ist „ein weites Feld“. Aber das ist nun wieder eine ganz andere Geschichte.

  • Was sind Ihre Sehnsüchte oder was erweckt in Ihnen „wilde Melancholie“?
  • Möchten Sie auch gerne einmal einen Blick hinter den Spiegel oder durchs Fenster werfen?
  • Was bringt sie dazu, plötzlich zu Erstaunen?

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  • Beitrags-Kategorie:Alltagskultur / Blog
  • Beitrag zuletzt geändert am:25. November 2024
  • Lesedauer:4 min Lesezeit