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Sowohl Heinrich Heine als auch Walter Benjamin, so haben wir es in unserem Seminar „Ich weiß nicht, was soll es bedeuten“ erfahren, erschafften sich im Exil eine Vision zu ihrer Heimat. Im Deutschlandfunk schreibt Kerstin Knipp über die Thematik der „Entwurzelungen“.

Gemeint ist ein Phänomen, welches in Zeiten der Migration zur Bildung einer jüdischen Diaspora führe, deren Aufbruch aus der Heimat und die Hinwendung zum Wort als Garant für die Aufrechterhaltung der Tradition und zum Kennzeichen der Gegenwart würde. Dabei treten unter anderem Heinrich Heine und Walter Benjamin in den Fokus, deren Erfahrung von Diaspora und innerer Heimat in ihren Werken aufgenommen und gedeutet worden sei.

Was für uns Heimat bedeutet, haben wir versucht, im Seminar gemeinsam zu deuten. Ist es die Geborgenheit, die Sehnsucht und letztlich das Zurückkommen, das Heine im „Wintermärchen“ festgehalten hat? Oder ist es Erinnerung an die Kindheit, wie sie im „bucklicht Männlein“ bei Benjamin zum Ausdruck kommt?   

Dr. Anne Winckler, der das UniWehrsEL viele seiner interessanten Beiträge verdankt, hat uns auch zum Begriff der Heimat ihre ganz eigenen Ideen vermittelt. Danke, liebe Anne!

Liebe Elke,

die letzte Stunde Deines Melancholie -Seminars geistert mir immer noch durch den Kopf. In Anlehnung an Heinrich Heine, der ja Thema war, bin ich versucht zu sagen:

Ich weiß nicht was soll es bedeuten,
dass ich so nachdenklich bin,
eine Frage aus uralten Zeiten
die geht mir nicht aus dem Sinn

Die Luft ist kühl und es dunkelt
und ruhig fließt der Main
die Hochhauskulisse, sie funkelt
kann Frankfurt mir Heimat sein?

Ich kann diese Frage, wo Heimat für mich ist, auch nach langem Nachdenken nicht wirklich beantworten. Ich lebe seit fast 50 Jahren in dieser Stadt und davor schon 10 Jahre vor ihren Toren – um mal in diesem etwas altertümlichen Sprech zu bleiben. Die Stadt ist sicher mein Zuhause und ich fühle mich sehr wohl. Hatte ich früher in meiner Jugend Sehnsucht nach Berlin oder München, so bin ich mit zunehmendem Alter immer lieber in ‚meine‘ Stadt zurückgekehrt. Und dennoch zögere ich, sie Heimat zu nennen.

Was macht Heimat aus? Geht es um Zu(sammen-)gehörigkeit? Geht es um einen Sehnsuchtsort? In meiner Kinder- und Jugendzeit gab es den Bund der Heimatvertriebenen. Ich erinnere mich an Trachtenumzüge, die deren Mitglieder zu bestimmten Feiertagen veranstalteten. Zum einen habe ich diese farbenprächtigen und mir irgendwie exotisch anmutenden Trachten bewundert, zum anderen hat es mich aber auch beschäftigt, dass diese Menschen dort weggehen mussten, wo sie zu Hause waren. Wird das zu Hause zur Heimat, wenn man sich nur noch danach sehnen, aber nicht mehr zurückkehren kann?

Meine ersten zehn Lebensjahre wurden geprägt durch viele Umzüge in Folge der Berufstätigkeit meines Vaters. Wir haben zunächst in Unterfranken gelebt, da habe ich das Sprechen gelernt. Ich reagiere heute noch mit einem Sympathiebonus für Menschen, die auch nur den Hauch des fränkischen Dialekts erkennen lassen. Da dockt offensichtlich die Sprache direkt an meinem Herzen an. Kann Sprache Heimat sein?

Da ich gern esse und koche, fällt mir zu diesem Thema natürlich auch Heimatküche ein.  Wobei die bei uns zu Hause sicher nicht fränkisch geprägt war, denn meine Mutter stammt aus Braunschweig und mein Vater aus Berlin. Gekocht wurde bei uns zu Hause traditionelle deutsche Hausmannskost. Linsensuppe (ging so), Kochfisch oder Eier mit Senfsoße (ekelig), Pellkartoffeln mit Quark (war ok), Kartoffelpuffer mit Apfelmus (lecker), Frikadellen mit Bratkartoffeln (die konnte meine Mutter sehr gut – mit Speck und Zwiebeln), Spinat mit Spiegelei und Salzkartoffeln (auch lecker), Rinderrouladen (Sonntagsessen). Später gab es dann auch Ravioli aus der Dose oder Miracoli und Fischstäbchen – weil es schnell ging. Besonders in Erinnerung ist mir die Ochsenschwanzsuppe mit Reis. Die war zum einen lecker, auch wenn in der Dosensuppe, in der der Reis gekocht wurde, der Ochse eher sehr flüchtig unterwegs war und dem Geschmack mit Glutamat und sonstigen Geschmacksverstärkern nachgeholfen wurde. Zum anderen hatte sie aber einen intensiven Duft, den man schon bei Betreten des Hauses roch. Das Zauberwort heißt Maggi! Sehr lecker. Also der Geruch von Essen hat für mich auch Heimatqualität.

Für mich ist Heimat, glaube ich, kein Ort, sondern ein Gefühl. Ein Gefühl von wohliger Erinnerung. Ansonsten gebe ich mich damit zufrieden, dass ich mit in Frankfurt und in meinem Leben dort sehr zu Hause fühle.

Liebe Elke, danke mal wieder für diese anregenden Seminarstunden.

Herzliche Grüße
Anne

Und was bedeutet für Sie , liebe Leser, Heimat?