Du betrachtest gerade Tim Burtons „Nightmare before Christmas“ – Weihnachtsfilm nicht nur für Puppenliebhaber

Alle lieben die Weihnachtszeit? Alles muss perfekt sein? Und die halbe Welt und somit auch die Universität des 3. Lebensalters (U3L) inbegriffen wird ganz gefühlsduselig, weil sie sich gerade in den Weihnachtsferien nach einem gemeinsamem „Projektlabor Überlebenskunst“ sehnt? Falls Sie liebe Lesende gerade nicht von einer weißen Weihnacht träumen, dann hat ein fürs UniWehrsEL Schreibender einen ganz heißen Filmtipp für Sie. Nein, nicht „Stirb langsam“ – der spielt auch an Weihnachten, passt aber nicht zum Seminar „Puppen und Menschen„, sondern eher zu Knarren und knallharter Action. Alle anderen dürfen nun seinetwegen auch „Drei Nüsse für Aschenbrödel“ schauen. Schließlich ist die Moritzburg bei Dresden und der Böhmerwald in Tschechien wunderschön.

Liebe Freunde der Weihnacht,

Als Studierende des Dritten Lebensalters und Besucher des Seminars zu Puppen und anderen anthropomorphen Wesen, ziehen uns besonders Filme gleichen Inhalts, verbunden mit Stop-Motion-Technik an, die die konventionellen Erzählungen über Weihnachten aufbrechen. Der Genreklassiker von 1993 von Tim Burton Nightmare before Christmas ist genau das richtige Werk für Puppenfreunde und Weihnachtsfilmmuffel: Es verknüpft die düstere Ästhetik von Halloween Town mit der bunten Idylle von Christmas Town und schafft damit eine paradoxe, aber tiefgründige Neuinterpretation einer Weihnachtsgeschichte. Bei einem Alptraum (Nightmare) erhöht sich die Herzfrequenz und die Muskeln spannen sich an. Die Atmung des Schlafenden wird schneller. Er fängt an zu schwitzen.

Ein anderer Filmtipp von Burton war „Corpse Bride„. Genau wie seine besondere Art und Weise mit Weihnachten umzugehen, gelang ihm dies auch mit dem Thema des Todes. Der bekannte amerikanische Filmemacher Tim Burton schuf Hollywood-Blockbuster wie Batman oder Der Planet der Affen oder eben morbide Trickfilme à la The Nightmare before Christmas.

Johann Heinrich Füssli (1741–1825), Der Nachtmahr, 1790/91, Öl auf Leinwand, 76,5 × 63,6 cm, Frankfurter Goethe-Haus – Freies Deutsches Hochstift, © Frankfurter Goethe-Haus – Freies Deutsches Hochstift

Bei Nightmare denke ich an das berühmte Gemälde von Johann Heinrich Füssli Der Nachtmahr von 1802, welches im Goethehaus Frankfurt hängt. 2017 gab es eine große Sonderaustellung Füsslis Nachtmahr: Traum und Wahnsinn. Es zeigt eine schlafende Frau auf der ein seltsames Wesen hockt der Nachtmahr. Ein schrecklicher Dämon.

Was empfindet die Frau bei dem Wesen? Verborgene Lust oder leidet sie still? Im Hintergrund zu sehen ist ein Pferdekopf. Mit schrecklich geweiteten Augen. Das Pferd verschafft dem Bild eine geisterhafte Note. Das Bild des Schweizers Füssli ist kein Historienbild, sondern es entsteht durch die Phantasie des Malers. Füsslis Bild kann als Zwischenwelt angesehen werden. Es zeigt dem Betrachter keinen reinen Alptraum oder eine reale Schlafzimmerszene. Das Bild zeigt die Grenze zwischen Traum und Wirklichkeit. 

Dazu noch ein anderer Gedanke: Laternenlicht ist eine wichtige Erfindung. Früher war Nacht einfach Dunkelheit, heute strahlen überall die Lichter der Nacht. Die Nacht hat Gegensätze, wie Goja es beschreibt „Der Schlaf der Vernunft gebiert Ungeheuer“. Aber er gebiert auch Kunst, Quellen die aus dem Unterbewusstsein kommen. Johann Heinrich Füssli zeigt die Nacht, ebenfalls im ausgehenden 18. Jahrhundert, als die Bemächtigung der Seele im Bild des „Nachtmahr“. Seiner Zeit weit voraus spürt man mystisch religiöse Aspekte des Gedanken der Aufklärung (vgl. unser Beitrag zu Magie der Nacht in der Kunst).

Wie der Maler Füssli ist auch der Titelheld aus Nightmare before Christmas ein Meister seines Fachs, ein großer Künstler des Schreckens. Sein Name ist Jack Skellington. Wie Füssli liebt Jack die große Inszenierung. Er liebt es, Menschen in Angst zu versetzen. Der Titelheld des Films ist ein spindeldürres Skelett, gekleidet in einen feschen Nadelstreifenanzug. Zu Beginn seiner inneren Wandlung sieht sich Jack selbst als den unangefochtenen König von Halloween Town an.

Jahr für Jahr wiederholt er das gleiche makabre Ritual, ein perfektes Halloweenfest zu entwerfen, bis ihm seine Arbeit monoton vorkommt. Er stürzt in eine melancholische Sinnkrise (auch dazu unser Beitrag „Dia de los muertos)“.

Skelletons nächtlicher Spaziergang durch den Wald führt ihn zu einem uralten Baumkreis, in dem jeder Baum einen anderen Feiertag symbolisiert. Ohne es zu ahnen, beginnt für Jack nun eine Abenteuerreise, bei der er sich selbst besser kennenlernt. Eine Eigenschaft die Jack besonders macht, ist seine natürliche Neugier. Dieser Charakterzug lockt ihn durch die Tür zu Christmas Town – einer bunten für ihn neuen Welt, die im krassen Gegensatz zu den trüben, schattigen Gestalten seiner Heimat steht. Zunächst ist Jack von der neuen Welt total begeistert. Als erfahrener Organisator von Halloween, kommt ihm die Idee, das Weihnachtsfest auf seine Weise selbst auszurichten.

Wozu braucht es den einen Weihnachtsmann? So denkt Jack, wenn er selbst das beste Fest gestalten kann. Er führt die Weihnachtsbräuche bei sich in Halloweentown ein. Das führt bei seinen Mitmonstern aus Halloweentown zu Verwirrung und zu Konflikten.

Mit großem Eifer versuchen die Bewohner von Halloweentown Jacks Vision einer für ihn perfekten Weihnacht umzusetzen. Letztlich kommt aber nur Halloween dabei heraus. Es ist herrlich mit anzusehen, wie die Kinder ihre vermeintlichen Weihnachtsgeschenke freudig aufmachen, um dann festzustellen, dass es sich dabei um Halloweengeschenke handelt. Diese jagen den Kindern einen Schrecken ein. Diese Szene verdeutlicht Burton tiefschwarzen Humor.

Der Film Nightmare before Christmas erinnert den Zuschauer stark an andere Alptraumwelten von Tim Burton wie etwa Beetlejuice der Poltergeister oder Edward mit den Scherenhänden. Der Film Nightmare before Christmas kam heraus als das Musicalgenre in den 1990ern auf einem Höhepunkt war. Deshalb ist der Film als Musical konzipiert. Die Botschaft des Films ist auf seine eigenen Stärken zu bauen und nicht zu versuchen, jemand anderes zu sein.

Die Weihnachtswelt, die Tim Burton in Nightmare before Christmas erschafft, ist eindeutig eine überspitzte Parodie auf das amerikanische Weihnachtsfest. Sie dient als wirksames Mittel, um die übermäßige Kommerzialisierung und die künstlich aufgezwungene Fröhlichkeit der Feiertagstradition zu kritisieren.

Der psychologische Kern des Films liegt in Jacks Identitätskonflikt: Er ist ein Außenseiter, der in einer fremden, fröhlichen Umgebung nach Zugehörigkeit sucht, dabei jedoch die eigene (Toten-)Kultur verrät. Die Puppen und anderen Wesen von Halloween Town, angeführt von Sally – einer aus Lumpen zusammengenähten Kreatur, die heimlich in Jack verliebt ist – versuchen Jack bei seiner Sinnkrise zu unterstützen. Seine Idee ein Weihnachtsfest zu organisieren, welches Weihnachten und Halloween zusammen vereint geht total schief, sorgt aber beim Zuschauer lustige Momente. Ihre gut gemeinten, aber grotesken Geschenke (z. B. ein Schlitten, der wie eine aufziehbare Ente mit messerscharfen Zähnen wirkt) zeigen auf, wie unterschiedlich die Feste Halloween und Weihnachten sind.

Ein besonders eindringlicher Moment ist, als Sally erkennt, dass Jacks Plan das Gleichgewicht beider Welten zerstört. Sie versucht, Jack aufzuhalten, während Oogie Boogie, das Schreckgespenst aus der Halloweenwelt, den Weihnachtsmann entführt und quält. Hier schwingt eine Anspielung auf Frankenstein mit: Sally, das „Stückchen“ aus verschiedenen Teilen, erinnert an das zusammengesetzte Monster, das nach seiner eigenen Identität sucht. Bei den Monstern erkennt der Zuschauer die Liebe von Burton zu Filmmonstern aus den 1920er bis 1950er Jahren. Es gibt Anspielungen auf Frankenstein oder der Schrecken vom Amazonas. Die Monster in der Halloweenwelt sind alle nicht böse. Außer Oogie Boogie der sich als Schurke herausstellt.

Der Kontrast zwischen den beiden Welten wird visuell und narrativ stark betont: Während Christmas Town in leuchtenden Farben, mit singenden Chören und perfekt verpackten Geschenken erstrahlt, ist Halloween Town das Gegenstück. Dieser Gegensatz dient nicht nur der Ästhetik, sondern verdeutlicht die Botschaft, dass jedes Fest seinen eigenen Kern und Wesensart besitzt und nicht einfach austauschbar ist.

Am Ende erkennt Jack, dass sein Platz in Halloweentown liegt und dass er Weihnachten unwissentlich zerstört hat. Der Showdown mit Oogie Boogie – dessen wahre Gestalt aus Käfern, Würmern und Ameisen besteht – endet damit, dass der Weihnachtsmann das Monster zertrampelt und Jack die Möglichkeit erhält, das Weihnachtsfest zu retten. Schließlich finden Jack und Sally zusammen.

Der Film Nightmare before Christmas ist mehr als eine schräge Parodie: Burton fordert den Zuschauer auf, über kulturelle Aneignung, Identitätskrisen und die Gefahr der Langeweile nachzudenken. Ich wünsche allen Lesern des Blogs frohe Weihnachten und hoffe dass viele Leser diesem Filmtipp genießen werden.

 Liebe Grüße I. Burn

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  • Beitrags-Kategorie:Blog
  • Beitrag zuletzt geändert am:23. Dezember 2025
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