Am 02.11.2024 war es wieder so weit: Vor der Alten Oper Frankfurt versammelten sich laut FAZ rund 300 Leute als “lebende Tote“ verkleidet. Denn es war mal wieder der „Día de los Muertos“ – der Tag der Toten. Die Darstellung der Toten ist für den Betrachter besonders erstaunlich, da sie mit leuchtenden Farben und kunstvollen Verzierungen eine lebendige und fröhliche Atmosphäre schaffen, die den Tod auf faszinierende Weise als Teil des Lebenszyklus feiert. Ein Beitrag des Kulturbotschafters des UniWehrsEL, mit großem Dank!
Liebe UniWehrsEL-Leser,
nach meinen Ausführungen zu Halloween und der Frage nach dem „Gruseln“ möchte ich Ihnen heute ein anderes Fest Vorstellen: den „Dia de los Muertos“. Nachstehendes Zitat thematisiert den Tag der Toten in Mexiko, so kann man es bei Olga Reher in „Ohlsdorf – Zeitschrift für Trauerkultur“ nachlesen.
Remember me, though I have to say goodbye
Remember me, don’t let it make you cry
For even if I’m far away, I hold you in my heart
I sing a secret song to you each night we are apartDenk stets an mich, muss ich jetzt auch leider geh’n.
Denk stets an mich, wein‘ deshalb keine Trän‘.
Denn bin ich dann auch fern von dir, trag ich dich in meinem Herz.
Ich sing für dich ein kleines Lied, dann geht vorbei der Schmerz.Auch der US-amerikanischen Animationsfilm „Coco – Lebendiger als das Leben!“ beschreibt die mexikanische lebensbejahende, offene Umgangsweise mit dem Tod treffend.
Über einen liebenswerte Stop-Motion-Film, garniert mit vielen Gesangseinlagen, berichteten wir hier im UniWehrsEL unter der Überschrift „Corpse Bride – ein außergewöhnlicher Filmtipp“. Erzählt wird die Geschichte von Viktor, der beinahe versehentlich die tote Emily heiraten muss, die sich, sehr zu seinem Leidwesen, als sehr anhänglich zeigt. Tim Burton durfte sich unter anderem über eine Nominierung als bester animierter Spielfilm bei den Oscars freuen. Der Film Corpse Bride feiert den Tod auf eine ganz spezielle Art und Weise. Im Totenreich pulsiert das Leben, burlesk sind die Scherze und die Toten sind farbenfrohe Gestalten
Der Vergleich mit „Halloween“ zeigt interessante Unterschiede. Während es bei Halloween darum geht, böse Geister zu vertreiben, steht beim „Día de los Muertos“ das humorvolle Gedenken an die Verstorbenen im Vordergrund. Halloween wird oft mit Grusel und Schrecken assoziiert, während der Día de los Muertos eine Gelegenheit ist, sich durchaus liebevoll an die Verstorbenen zu erinnern und gleichzeitig ihre Präsenz im Leben der Lebendigen zu feiern. Beide Feste teilen jedoch die Idee, dass die Grenze zwischen den Lebenden und den Toten an diesen Tagen durchlässiger ist.
Typisch für den Tag der Toten sind die bunten „Calaveras“ (Schädel) und „Calacas“ (Skelette). Neben den tatsächlichen Schädeln, „Calaveras“ genannt, gibt es auch die literarischen „Calaveras“. Dies sind humorvolle Gedichte oder auch sarkastische Grabinschriften, welche in Zeitungen erscheinen, um sich über die Lebenden lustig zu machen. Früher wurden diese Gedichte nur am Tag der Toten vorgetragen. Sie sind aber mittlerweile so beliebt, dass sie in Lesungen, im Radio oder Fernsehen vorgestellt werden.
Im Jahr 2008 nahm sogar die UNESCO den „Día de los Muertos“ in die Liste des immateriellen Kulturerbes der Menschheit auf. Der Tag wird von allen Mexikanern gefeiert, unabhängig von ihrer Religion oder ethnischen Herkunft. Der Día de los Muertos entstand vor mehreren tausend Jahren in den Kulturen der Azteken, Tolteken und Nahua. Diese Völker empfanden großes Bedauern für ihre Toten. Für diese prähispanischen Kulturen war der Tod eine natürliche Phase im langen Kontinuum des Lebens. Folglich galten die Toten immer als Mitglieder der Gemeinschaft und wurden im Geiste in der Erinnerung am Leben gehalten. Die Azteken glaubten, dass während des Día de los Muertos die Toten zeitweise sogar auf die Erde zurückkommen.
Beim heutigen Día de los Muertos vermischen sich prähispanische, religiöse Riten mit den christlichen Festen. Die Vorbereitung auf den Tag der Toten beginnt schon am 31. Oktober und erstreckt sich dann auf den 1. und 2. November – Allerheiligen und Allerseelen im katholischen Kalender. Das Wichtigste bei der Feierlichkeit ist der Altar, auch „Ofrenda“ genannt.
Dieser Altar wird entweder zu Hause oder auf einem Friedhof aufgebaut. Diese Altäre dienen nicht, wie es Christen erwarten würden, der Anbetung, sondern sie sollen die Geister der Toten im Reich der Lebenden willkommen heißen. Daher sind die Altäre mit großzügigen Gaben bestückt, z.B. Wasser, um den Durst der Toten zu löschen, oder mit Essen, Familienfotos und einer Kerze für den toten Angehörigen. Bei einem verstorbenen Kind liegt auf dem Altar manchmal ein Spielzeug.
Im Jahr 1947 verwendete der mexikanische Künstler Diego Rivera das Skelett des politischen Karikaturisten und Kupferstechers José Guadalupe Posada für sein Wandgemälde „Dream of a Sunday Afternoon in Alameda Park„. Diego Rivera war ein bedeutender mexikanischer Maler, der am 8. Dezember 1886 in Guanajuato geboren wurde und am 24. November 1957 in Mexiko-Stadt verstarb. Er gilt als einer der einflussreichsten Künstler der Moderne in Mexiko und war bekannt für seine großflächigen Wandmalereien, die sogenannten „Murales“. So ein Wandgemälde ist auch „Dream of a Sunday Afternoon in Alameda Park“.
Auf dem Bild trug Posadas Skelettbüste einen großen Damenhut. Der Künstler Rivera sah sich als Kämpfer gegen die Reichen. Neben seiner künstlerischen Tätigkeit war Rivera auch politisch aktiv. Er trat 1922 der Kommunistischen Partei Mexikos bei und setzte sich für die Rechte der Arbeiter und Bauern ein. Deshalb gab er dem Hut den Spitznamen „Catrina“ – ein Slangwort für reiche Bürger. Im Wandel der Zeit steht der „Calavera Catrina“ heute für den eleganten Schädel, der als Symbol für den Tag der Toten steht.
In Europa ist der Künstler Diego Rivera vielen Leuten ein Begriff, weil er der Lebensgefährte von der berühmten mexikanischen Künstlerin Frida Kahlo war, die heute in der europäischen Kunstwelt einen Status wie ein Popstar erlangt hat. Frida Kahlos unverkennbarer Stil mit opulenten Röcken, aufwendigem Haarschmuck und ihrer markanten Augenbrauen hat viele Popstars der westlichen Welt wie Madonna und Rihanna angespornt, sich ebenfalls so wie Frida Kahlo in Mode und Musik selbstbewusst auszudrücken. Außerdem ist Frida Kahlo ein Symbol weiblichen Empowerments (zu Deutsch Selbstermächtigung). Empowerment soll als Maßnahme Menschen dabei helfen, ein selbstbestimmtes und unabhängiges Leben zu führen. Deshalb wird Frida Kahlo in der Popkultur als Ikone der Frauenbewegung gefeiert.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Altar, oder Ofrenda, eine zentrale Rolle beim Día de los Muertos spielt. Er dient nicht der Anbetung, sondern dazu, die Geister der Toten willkommen zu heißen und ihnen mit Gaben wie Wasser, Essen und Erinnerungsstücken eine Brücke in die Welt der Lebenden zu bauen. Zum Spaß der Leute gilt, es sich am Tag des Día de los Muertos an öffentlichen Plätzen, z.B. vor der Alten Oper, zu versammeln und sich selbst als Skelett oder lebender Toter zu verkleiden. Die Toten tragen schicke Anzüge und fesche Kleider. Die Gesichter sollen das tatsächliche Alter verdecken und zum alterslosen Schädel werden. Die Veranstaltung muss laut sein, weil mit dem Krach die Toten erweckt werden sollen.
In Frankfurt erlebten die Besucher des Dia de los Muertos, wie diese Tradition Menschen zusammenbringt und eine Brücke zwischen den Kulturen schlägt. Die Teilnahme an dieser Feierlichkeit ist nicht nur ein Akt der Erinnerung, sondern auch ein Zeichen des Respekts und der Wertschätzung für die Vielfalt unserer Welt. Ein Beobachter des Día de los Muertos kann lernen, dass der Tod nicht das Ende ist, sondern ein Teil des Lebens, der mit Freude und Dankbarkeit zelebriert werden kann. Es zeigt, wie wichtig es ist, Erinnerungen zu bewahren und die Verbindungen zu unseren Vorfahren zu ehren.
In diesem Sinne, bleiben Sie mutig!
Ihr Kulturbotschafter des UniWehrsEL
Danke für das Bild von Ivana Tomášková auf Pixabay