Du betrachtest gerade Halloween oder wenn’s mich nur gruseln würde

Halloween ist mittlerweile auch in Deutschland ein beliebtes Fest geworden. Ursprünglich ein amerikanischer Brauch, hat es sich hierzulande etabliert und erfreut sich wachsender Beliebtheit. Interessanterweise berichtete der Deutschlandfunk in seiner Sendung „Wirtschaft am Mittag“, dass die Umsätze im Einzelhandel zu Halloween kontinuierlich steigen. 2019 lagen diese noch bei 320 Millionen Euro, 2023 bereits bei 480 Millionen Euro, und für dieses Jahr rechnet der Handelsverband Deutschland (HDE) mit 540 Millionen Euro. Diese Zahlen zeigen, wie stark Halloween inzwischen auch wirtschaftlich an Bedeutung gewonnen hat. Unternehmen wie Müllermilch nutzen die Gelegenheit, limitierte Halloween-Ausgaben ihrer Produkte herauszubringen. Auch die Vielfalt an Dekorationen ist beeindruckend, vor allem finden sich geschnitzte Kürbisse, die böse Geister vertreiben sollen. Von gruseligen Monstern bis hin zu raffinierten Kürbisschnitzereien – die Möglichkeiten der kreativen Gestaltung von Halloween ist riesig. Der Kulturbotschafter des UniWehrsEL hat für uns recherchiert. Herzlichen Dank!  

Hallo, liebe UniWehrsEL-Leser,

haben sie sich am 31.10.der gruseligen Melodie des „Monster Mash“ von Bobby Pickett hingegeben? Dabei einen leuchtenden Kürbis angeschaut und mit einem weißen Geist getanzt, während im Hintergrund im TV ein Gruselschocker namens „Young Frankenstein“ lief? Als Lesender ahnen Sie bereits auf welches Fest der Rezensent hier hinauswill: dieses ’schrecklich-schöne‘ amerikanische Halloween.

Doch woher kommt der Brauch?

Kann sich ein unbeteiligter Dritter einen verrückteren Feiertag vorstellen? Ein Tag, an welchem Leichen, Hexenmeister und Zombies ihren großen Auftritt haben? Diese unwirklich-düsteren Gestalten übernehmen für einen Tag die Macht und dürfen die Bevölkerung nach Herzenslust erschrecken oder sogar quälen. Doch erscheint dies nur auf den ersten Blick so. Denn in Wahrheit steht Halloween für das genaue Gegenteil. An diesem Tag wird eigentlich die Erlösung von Körper und Seele von den Qualen des Daseins gefeiert. In den USA ist Halloween eines der buntesten und überschwänglichsten Feste, die im Jahr stattfinden. So mancher Kenner wird neben Halloween sofort an „Mardi Gras“ – die amerikanische Variante des europäischen Faschings denken. Doch haben die unglaublichen, manchmal bizarren Spukgestalten ihren eigenen Charme und Charakter entwickelt, der sich stark vom amerikanischen Mardi Gras oder dem europäischen Fasching unterscheidet. So sollen die Gespenster, schwarzen Katzen und ausgehöhlten Kürbisköpfe weniger Angst, als einen gruseligen Schauer auslösen. Geht es nicht darum, für Aufmerksamkeit zu sorgen?

In dem Film „Mean Girls“, welcher in 2023 als Musicalfilm neu aufgelegt worden ist, gibt es die Figur der leichtgläubigen etwas einfältigen „Karen“. Diese Person beschreibt in ihrem Song „Sexy“ Halloween als ihren liebsten Tag, neben dem Ziel des Weltfriedens, weil eine Frau an diesem Tag sexy, aber auch gruselig sein darf. Die Figur der Karen ist eine Parodie auf einen Teenager, der auf der einen Seite die Gleichberechtigung der Frau anstrebt, sich als Frau so Ausleben zu können wie die Männer, aber gleichzeitig alle weiblichen Stereotypen einer traditionellen klischeehaften Frau aufweist, die von einem Mann beschützt werden will.

Dieses Ausleben als Provokation der Umwelt – Lehrer und Mitschüler – ist nur an einem einzigen Tag des Jahres möglich: an Halloween. Dort kann die Frau ungestraft etwas anderes als die sonst „angepasste“ Schülerin sein. Diese Figur stellt den inneren Widerspruch aller in den 1990er Jahren geborenen Frauen dar, zwischen Eigenständigkeit und bloßem Anhang eines „erfolgreichen“ Mannes. Erdacht worden ist diese Figur von der amerikanischen Satirikerin Tina Fey. Sie hat „Mean Girls“ auf der Grundlage eines englischsprachigen Elternratgebers erdacht (Rosalind Wiseman’s 2002; Queen Bees & Wannabes). Dieser Beitrag gab eine Einleitung in die hierarchische Struktur, die an einer High-School in USA in den 1998 bis Anfang 2000er geherrscht hat.

Auch wenn man heute als erstes bei dem Begriff „Halloween“ an ein fröhliches Ereignis denkt, dass für reichlich Schabernack sorgt, so entstammt Halloween ursprünglich dem Glauben, oder aus heutiger Sicht dem Aberglauben, der keltischen Druiden und frühen Christen. Das Wort „Halloween“ ist eine Verkürzung des Begriffs „All Hallows Eve“ – Vorabend des römisch-katholischen Feiertags Allerheiligen, geht auch auf das irisch-keltische Fest Samhain zurück, ein Erntefest, welches später „Hallow Een“ genannt worden ist. Beide Feste finden am 31. Oktober statt.

In Irland des 5. vorchristlichen Jahrhunderts war dieser Tag der letzte Tag des Sommers und gleichzeitig die Nacht vor dem Neujahrstag. In katholischen Ländern wurde der Tag später auch zum Vorabend von Allerheiligen, dem feierlichen Gedenktag zu Ehren der Heiligen. Im europäischen Volksglauben entwickelte sich der Tag zum Tag, an dem die Geister, der im Vorjahr Verstorbenen, zurückkehren und in die Körper der Lebenden fuhren. Für die Geister war es die einzige Hoffnung auf ein Leben nach dem Tod. Statt sich einer solchen unerfreulichen Erfahrung als Lebender auszusetzten, marschierten die „einfachen“ Leute lieber am 31. Oktober lärmend und in schrecklichen Kostümen durch die Dörfer, um die heimtückischen Geister zu vertreiben.

Daraus entwickelte sich das Tragen furchterregender Kostüme und das Ausführen von Streichen zu einer weitverbreiteten rein westlichen Tradition. Das Erbetteln von Süßigkeiten mit dem Spruch „Süßes sonst gibt es Saures“ (Trick or Treat) entstammt angeblich einer europäischen Sitte aus dem neunten Jahrhundert, die sich „Souling“ nannte. Am 2. November, dem Tag „Allerseelen“, gingen die frühen Christen von Haus zu Haus und erbaten sogenannte „Seelenküchlein“ – kleine Brötchen. Jedes Seelenküchlein war eine Bezahlung für ein Gebet des Bettelnden für die Seele der Toten, auch „Armenseelenspende“ genannt. Erst im neunzehnten Jahrhundert wurden zu der Tradition auch Streiche hinzugefügt. Der Ausruf „Süßes sonst gibt´s Saures“ bürgerte sich in Amerika erst in den 1930 Jahren ein. Die Süßigkeiten waren eine Reaktion auf das zunehmende ‚Rowdytum‘ der Kinder. Diese bekamen die Süßigkeiten als Bestechung, damit sie nicht alles in ihrer Umgebung zerstörten.

Die Kürbisse mit den geschnittenen Gesichtern, sogenannten „Jack-o-Latern“ lassen sich auf eine alte irische Sage zurückführen. Ein notorischer Trunkenbold names Jack brachte den Teufel dazu, durch eine raffinierten List, einen Baum hochzuklettern. Jack schnitzte ein Kreuz in den Baumstamm, sodass der Teufel im Baum festsaß. Damit der Teufel von Jack wieder freigelassen wurde, musste er diesem schwören, ihn nicht mehr in Versuchung zu bringen. Nach seinem Tod stellte der vermeintlich so schlaue Jack fest, dass der Deal mit dem Teufel einen Haken hatte. Jack wurde der Zugang in den Himmel oder die Hölle verweigert. Als Ausgleich erhielt Jack ein Stück glühende Kohle, welches ihm den Weg durch die Ewigkeit leuchten sollte. Die glühende Kohle wurde in eine Rübe gelegt. Die Iren nannten diese Rüben „Jacks Laterne“. Als die irischen Einwanderer nach Amerika kamen wurde die Rübe durch den heute überall verbreiteten Kürbis ersetzt.

Andere Bräuche 

Skelette und Totenschädel gehen jedoch auf einen anderen Brauch zurück, den Tag der Toten (Dia de los Muertos) in Mexiko, eine Kombination aus Allerheiligen und Allerseelen. Die Skelette und Totenschädel symbolisieren die Sterblichkeit des Fleisches und die allgemeine Vergänglichkeit des Menschen.

Das Halloweensymbol der unheimlichen schwarzen Katzen entstammt dem christlichen Aberglauben. Die Christen des Mittelalters fürchteten sich vor schwarzen Katzen. Sie glaubten, dass schwarze Katzen nachts unsichtbar heimlich herumschleichen würden. Deshalb brachten sie die Katzen zu Tausenden um. Dies führte zu massenhaft Ratten und Mäusen, welche die Dörfer heimsuchten und Flöhe verbreiteten. Diese lösten die Pest in Europa aus. Die Millionen Toten wurden aber nicht den Nagern, sondern den Hexen zugeschrieben.

Um die Menschen zum Christentum zu bringen, wurden frühe heidnische Riten toleriert. Die Abwehr von bösen Kreaturen entwickelte sich zu einer Funktion von Halloween. Die moderne Romanwelt dichtete neue Monster zu alten Schreckgestalten hinzu z.B. Mumien, Vampire, Werwölfe.

Für jemanden, der noch nie von Halloween gehört hat, mag das Fest in der Tat verrückt und ungewöhnlich erscheinen. Die Mischung aus Grusel, Kostümen und Süßigkeiten ist einzigartig und bietet eine bunte Abwechslung zu anderen Feiertagen. Man könnte jetzt auch die Frage stellen: Warum will der Mensch sich eigentlich gruseln und was passiert, wenn es einen überhaupt nicht gruselt? Da gab es doch auch ein passendes Märchen dazu …

Wenn Sie jetzt immer noch nicht wissen, wie das richtige Gruseln geht, dann lesen Sie auch meinen demnächst folgenden Beitrag zu „Dia de los Muertos“.

Mit besten Grüßen

Ihr Kulturbotschafter des UniWehrsEL

Danke für das Gruselbild von Aurica Dina Kyra Lotzkat auf Pixabay
  • Beitrags-Kategorie:Blog
  • Beitrag zuletzt geändert am:4. November 2024
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