Du betrachtest gerade <strong>Sehnsuchtsorte: Taiga, Wald und der Song „Mein Freund, der Baum ist tot“</strong>

„Die Sehnsucht ist, falls überhaupt ein Gefühl, zumindest ein ziemlich gemischtes und lebt bekanntlich davon, dass sie, allem voran, ziemlich gern von sich singen und reden macht.“ So beschreibt es die bekannte Schriftstellerin Felicitas Hoppe in „Gedankenspiele über die Sehnsucht“ (2022, S. 22/23). Und weiter beschreibt sie, dass deren Entthronung vom metaphysisch philosophischen Singular in die Mehrheitssehnsüchte dazu anrege, mit ihr Handel zu treiben. Dies bewiesen nicht nur die sie besingenden Amigos, sondern auch die in den 60er Jahren berühmte Alexandra, die schon damals eine Landschaft beschworen habe, die den wenigsten bekannt sei: die Taiga. Dagegen wurde ein weiteres von ihr besungenes Gebiet, das sofort Assoziationen nach Tannennadelduft und Heidelbeeren hervorruft, heftig beweint: „Mein Freund der Baum ist tot“. Danke für diesen Brief!

Liebe UniWehrsEL-Leser,

kürzlich hatte ich ein wunderbares Gespräch mit einem Fan von Alexandras Song „Mein Freund, der Baum ist tot“. Während wir über die tiefe Bedeutung des Liedes und die Erinnerungen, die es weckt, plauderten, wurde mir bewusst, wie sehr dieser Song nicht nur ein musikalisches Werk ist, sondern einen Bezug zur Sehnsucht herstellt. Die Leidenschaft, mit der dieser Fan von Alexandra sprach, hat mich inspiriert, meine Gedanken dazu mit den Lesern zu teilen.

Also, hier sind meine Ideen zu Alexandras ikonischem Lied, den Sehnsuchtsort Wald und warum der Song auch heute noch so wichtig ist.

Der Wald als Zuflucht und Sehnsuchtsort

Die Sehnsucht, wie sie im Lied „Mein Freund, der Baum ist tot“ von Alexandra zum Ausdruck kommt, ist tief verbunden mit der verlorenen Harmonie zwischen dem Menschen und der Natur. Der grüne Baum, der die Sängerin als Kind begleitet hat, wird zum Sinnbild eines Sehnsuchtsortes, der innere Ruhe und Schutz bietet. Dieser Baum steht für die unberührte, ursprüngliche Natur, die im Gegensatz zur Hektik des menschlichen Lebens eine zeitlose Konstante darstellt. In seinem Schatten fand die Sängerin Trost und Kraft, eine stille Verbindung, die das Gefühl von Geborgenheit und Beständigkeit vermittelte.

Der Wald als Sehnsuchtsort hat eine lange Tradition in der Kunst und Literatur. Schon in Carl Maria von Webers „Der Freischütz“ (wir machten ihn im UniWehrsEL klanglich erfahrbar) wird der Zauber des Waldes hervorgehoben, wenn Max durch die Wälder und Auen wandelt. Der Wald verkörpert das Unbekannte, Mystische und zugleich das Geborgene. Es ist dieser Gegensatz zwischen Wildnis und Zuflucht, der Menschen seit Jahrhunderten fasziniert. Dieses romantisierte Bild des Waldes spiegelt nicht nur die menschliche Sehnsucht nach Frieden wider, sondern auch den Wunsch nach einer tiefen Verbindung zur Natur.

Der Wald hat in der Literatur eine jahrhundertelange Tradition als Ort der Mythen, Geheimnisse und der menschlichen Sehnsüchte. In Carl Maria von Webers Oper „Der Freischütz“ wird der Wald zu einem zentralen Schauplatz, an dem das Schicksal der Figuren entschieden wird. Die Wolfsschlucht – dunkel, geheimnisvoll und unheimlich – wird zum Symbol des Übernatürlichen und der Abkehr von der zivilisierten Welt. Der Wald ist hier nicht nur Kulisse, sondern ein Charakter an sich, der Angst, Ehrfurcht und Faszination zugleich hervorruft.

Ähnlich romantisch wie düster findet sich der Wald in den Märchen der Brüder Grimm wieder. Hier wird er oft als Ort der Verwandlung und Prüfung dargestellt – ein Raum, in dem Figuren wie Hänsel und Gretel oder Rotkäppchen mit ihren Ängste konfrontiert werden, aber auch Mut und Selbstständigkeit erlangen. Der Wald ist sowohl Bedrohung als auch Zuflucht, ein lebendiger Mikrokosmos, der das Leben spiegelt.

In der deutschen Romantik, etwa in den Werken von Joseph von Eichendorff, wird der Wald hingegen als Sehnsuchts- und Rückzugsort stilisiert. In Gedichten wie „Wünschelrute“ ist der Wald ein Ort der Harmonie, in dem das Ich und das Selbst sich im Göttlichen der Natur finden können.

Das Gedicht „Wünschelrute“ stammt aus der Feder von Joseph von Eichendorff.

Schläft ein Lied in allen Dingen,
Die da träumen fort und fort,
Und die Welt hebt an zu singen,
Triffst du nur das Zauberwort.

Die Sängerin Alexandra konnte mit ihrem Song „Mein Freund, der Baum“ direkt an diese lange Tradition mit der Beschäftigung des Waldes gedanklich anknüpfen. Das erklärt möglicherweise den großen Erfolg des Songs.

Über Alexandras Leben und tragisches Schicksal berichtete nicht nur der NDR

Alexandras Leben selbst war geprägt von Tragik und Stärke. Als alleinerziehende Mutter in den konservativen 1960er-Jahren musste sie sich in einer von traditionellen Rollenbildern geprägten Showbusiness-Welt behaupten. Ihre markante, tiefe Stimme und ihre authentische Art machten sie zu einer einzigartigen Künstlerin, doch ihr Erfolg wurde von einem tragischen Schicksal überschattet. Im Juli 1969 endete ihr Leben bei einem Autounfall auf einer Landstraßenkreuzung in Tellingstedt, Schleswig-Holstein. Auf dem Weg nach Sylt, begleitet von ihrer Mutter und ihrem Sohn, wurde ihr cremefarbener Mercedes von einem Lastwagen gerammt. Während Alexandra und ihre Mutter starben, überlebte ihr Sohn, der auf der Rückbank schlief, mit leichten Verletzungen. Diese Tragödie nahm der Welt eine Künstlerin, die gerade dabei war, sich selbst neu zu entdecken und eine Auszeit zu nehmen.

Das Lied „Mein Freund, der Baum ist tot“ verstand die Welt zugleich als einen Aufschrei gegen das fortschreitende Waldsterben, als auch ein Thema, das heute aktueller denn je ist. Der Verlust des Hambacher Forsts als Symbol für Umweltschutz und Aktivismus zeigt, wie eng der Wald mit menschlichen Emotionen und Idealen verknüpft ist.

Die Romantisierung des Waldes und der Mythos des Hambacher Forsts – ein Forschungsthema

Der Wald ist nicht nur ein Ort des Friedens und der Erholung, sondern auch ein uralter Sehnsuchtsort, der in der kollektiven Vorstellung von Magie und Ewigkeit getragen wird. Der Hambacher Forst, einst ein jahrtausendealtes Reich aus Eichen und Buchen, wurde zum Schauplatz eines modernen Mythos – ein Kampf zwischen der ungezähmten Natur und der erdrückenden Macht der Industrie. Die Aktivisten, die sich dem Abriss des Waldes entgegenstellten, fühlten sich als Hüter eines verlorenen Paradieses, das unter den Klingen der Maschinen verblassen drohte.

Wie David gegen Goliath schienen sie gegen die schier unaufhaltsame Kraft eines Konzerns anzutreten, dessen Ziel die Ausbeutung der Bodenschätze war. Doch der Hambacher Forst war mehr als nur ein Stück Land – er wurde zum Symbol für die Sehnsucht der Gesellschaft nach Ursprünglichkeit und den Glauben daran, dass Natur nicht dem Fortschritt geopfert werden darf.

Die Sehnsucht, wie sie im Lied „Mein Freund, der Baum ist tot“ von Alexandra zum Ausdruck kommt, ist tief verbunden mit der verlorenen Harmonie zwischen dem Menschen und der Natur. Der grüne Baum, der die Sängerin als Kind begleitet hat, wird zum Sinnbild eines Sehnsuchtsortes, der innere Ruhe und Schutz bietet. Die Romantisierung des Waldes entspringt der Erfahrung seiner Ruhe und Ursprünglichkeit. Der Wald berührt Menschen auf einer emotionalen Ebene, weil er als Ort der Stille und Erholung einen Gegenpol zur modernen Welt bietet. Er symbolisiert eine verlorene Einheit mit der Natur, die viele heute in einer zunehmend urbanisierten und technisierten Welt vermissen.

Vielleicht liegt der Wald dem modernen Menschen deshalb so sehr am Herzen – weil er ihn daran erinnert, wie klein der Mensch im Angesicht der unbändigen Schönheit der Natur ist. Alexandras Lied ist damit nicht nur eine persönliche Erinnerung, sondern auch ein universeller Appell, die grüne Seele unserer Welt zu bewahren.

Welche Gedanken haben die Leser zu dem Song?

Danke für das Bild von Kevin auf Pixabay

  

  • Beitrags-Kategorie:Blog
  • Beitrag zuletzt geändert am:28. März 2025
  • Lesedauer:10 min Lesezeit