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Eigenwillig expressionistisch neu gedeutet wird die Geschichte von Adam und Eva und ihren Kindern Kain und Abel als ein Ehedrama aus Inzest und Mord vom Regisseur Tobias Kratzer an der Oper Frankfurt. „Die ersten Menschen“ von Rudi Stephan aus dem Jahr 1920 war seine einzige Oper, weil er als Soldat im ersten Weltkrieg gefallen ist. Das Werk wurde fünf Jahre nach seinem Tod an der Oper Frankfurt uraufgeführt. Als Librettovorlage wählte Stephan eine Dichtung von Otto Borngräber mit dem Titel „Die ersten Menschen: Erotisches Mysterium“ von 1908.  Es war zunächst als Schauspiel aufgeführt worden, aber aufgrund des Themas Inzest und Umdeutung der Bibel verboten worden.

Die Oper hat unser UniWehrsEL-Kulturbotschafter angesehen und für uns beschrieben. Herzlichen Dank dafür!

Liebe UniWehrsEL-Leser,

gestern habe ich mir die “ersten Menschen”, hier eher die “letzten Menschen”, an der Oper Frankfurt angeschaut. Musikalisch erinnerte es mich an Wagner oder Richard Strauß. Die Inszenierung fand ich sehr gelungen. Zunächst spielt das Bühnenbild in einem scheinbar ganz normalen Durchschnittswohnzimmer einer deutschen Familie mit Küche und Wohnzimmersofa.

Alles ist so normal und bodenständig. Die Fenster im Hintergrund zeigen eine grüne Gartenlandschaft. Plötzlich hebt sich ein Vorhang, und der Zuschauer sieht einen Langerraum. Da kommen dem Zuschauer die ersten Zweifel am Idyll. Der Vorratsraum erinnert an die Vorratshaltung aus der Coronazeit. Also einer Krisenzeit.

Dennoch scheint alles so weit normal zu sein. Mit genauerem Hinsehen erkennt der Zuschauer jedoch, dass sich die vier Menschen in einem Bunker befinden. Ein Bunker ist ein enger Ort. Da kann man den anderen schlecht ausweichen. Die vier Bewohner stellen sich als eine Familie heraus. Vater Adahm lebt mit Mutter Chawa und zwei Söhnen Kajin und Chabel zusammen. Der aufmerksame Leser hat längst erkannt, dass es sich bei diesen Namen um Adam, Eva, Kain und Abel handelt. Das lässt darauf schließen, dass es hier zu keiner einvernehmlichen Familienlösung kommen wird bei aufkommenden Konflikten.

So begehrt der pubertierende Kajin seine Mutter sexuell. Was, als er dies offen ausspricht, zu einem Konflikt mit den Eltern führt. Chawa fühlt sich von Kajin bedroht. Auch der Vater sieht seinen Platz als Familienoberhaupt als gefährdet an. Vermittler in dieser Situation ist wohl Chabel, der sich ebenfalls auf der Sinnsuche befindet, sich jedoch die Lösung seiner Lebensfragen mit Hilfe der Religion zu ergründen sucht. Die Eltern nehmen diese religiöse und in Rätseln sprechende Sprache als positive Hilfe an.

Dagegen kommt sich Kaijin unverstanden vor und begibt sich auf die Sinnsuche in der Außenwelt. Er möchte für sich eine Partnerin finden. Dabei stellt er fest, wie schrecklich die Umgebung außerhalb des Bunkers ist. Vermutlich hat eine Atombombe, die Umgebung zerstört. So kann sich der Zuschauer die trostlose Landschaft mit kahlen Bäumen und einem (einsamen) Wolf, der durchs Bild läuft, jedenfalls ansatzweise erklären. Doch auch der vermeintlich religiös saubere Chabel begehrt heimlich seine Mutter. Diese fühlt sich von ihm angezogen, und so kommt es zu einer Sexszene im ausgebrannten Auto, die Kaijin beobachtet. Danach brennen bei ihm die Sicherungen durch, und er erschlägt seinen Bruder mit einem Stein.

Damit er anschließend nicht noch seinen Vater als potentiellen Sexualpartner der Mutter erschlagen muss, entmannt sich Kaijin selbst. Da dies ein zu trauriges Ende für eine Oper wäre, entsteigen anderen Bunkern weitere Menschen in die verwüstete Landschaft. Pech für Kaijin, da hätte er sicher eine Partnerin für sich gefunden.

Vielen Dank für die Ausführungen, lieber UniWehrsEL-Kulturbotschafter. Blieben die Fragen:  Wie können alle Menschen von Adam und Eva abstammen? Und handelt es sich letztlich in den Urszenen vielleicht tatsächlich um Inzest?

Darauf antwortet der Pastor Frank Muchlinsky mittels des Biblilogs, also einer Methode der Auslegung biblischer Texte in einer Gruppe, im interaktiven Dialog: „Die Bibel schreibt Geschichten auf, die nicht belegbar sein müssen. Der Bibel geht es darum, in kleinen Episoden eine große Geschichte zu erzählen: Die Geschichte Gottes mit den Menschen … Kain und Abel sind – genauso wie Adam und Eva – beispielhafte Personen. Für die Bibel spielt es keine Rolle, wenn es zu Ungereimtheiten in der Urgeschichte kommt.“

Und der Jugendpastor Joshua Wesely, der sich als Youtuber über jede hitzige Diskussion freut, ergänzt, dass es in der Bibel viele Beispiele für Inzest gäbe:  “Wichtig ist, zwischen Inzest-Beziehungen vor und nach der klaren Aussage Gottes gegen Inzest zu unterscheiden (Levitikus 18,6-18). Also bis zu dem Zeitpunkt, als Gott ein klares Verbot aussprach, war es demnach kein Inzest. Es war nur die Heirat mit einem nahen Verwandten. Ganz offenbar hat Gott in den ersten Jahrhunderten der Menschheit „Inzest“ zugelassen. Da Adam und Eva die einzigen beiden Menschen auf Erden waren, hatten ihre Söhne und Töchter keine andere Wahl, als ihre Geschwister und engen Verwandten zu heiraten und sich mit ihnen fortzupflanzen. Die zweite Generation musste ihre Cousins heiraten, genau wie nach der Flut die Enkelkinder von Noah unter ihren Cousins heiraten mussten.”

Wie ist Ihre Meinung dazu, liebe Leser? Antworten Sie gerne unter Kontakt.

  • Beitrags-Kategorie:Blog
  • Beitrag zuletzt geändert am:15. Juli 2023
  • Lesedauer:6 min Lesezeit