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Liebe Elke,

durch Deine Seminare, deren begeisterter Fan (gibt es da eigentlich keine weibliche Form?) ich bin, habe ich gelernt, noch genauer hinzuschauen, wenn ich mich im Alltag durch eine Stadt bewege. Das gilt für meine Heimatstadt Frankfurt und umso mehr noch für fremde Städte. Und so flanierte ich letzte Woche mit offenen Augen, offenen Ohren und offener Nase durch Paris.

Schon auf der Fahrt vom Gare de L‘Est ins Hotel fällt mir der Pariser U-Bahn Geruch wieder auf und wieder ein. So stank es dort schon vor fünf, vor zwanzig Jahren und auch vor 30 Jahren. An manchen Stellen ist der Urin-Geruch so stark, dass ich gern meinen Geruchssinn abschalten würde. Geht aber nicht und so beeile ich mich möglichst schnell durch die unterirdischen Gänge mit ihrem ständigen Treppauf und Treppab zu kommen. Rolltreppen kennt man dort eher nicht, wie auch, schließlich stammt ein Großteil der Anlagen aus dem Anfang des letzten Jahrhunderts.

Bild: Birte Egloff

Am Abend des 1. Tages genehmigen wir uns erst einmal einen Aperitif und machen einen Plan für die nächsten Tage.

(Bild: Birte Egloff)

Da ich dieses sinnlose Gerenne durch die Unterwelt von Paris satt habe und deshalb ziemlich nölig drauf bin, steigen wir am nächsten Tag auf den Bus um. Früher, in der vordigitalen Zeit, war das ein wenig kompliziert und aufwendig. Da musste man aus den Tiefen des Touristenrucksackes den riesigen Busfahrplan herausholen und mühsam den Weg zur nächsten Haltestelle und die Verbindung zum Ziel herausfinden. Erst an der Haltestelle erfuhr man dann, wann denn der nächste Bus kommen würde, was durchaus mal dauern konnte Heute zückt man das Handy, fragt Google und erfährt mit ein paar Klicks in welcher Zeit man wann und wie ans Ziel kommt. Google zeigt gern noch geduldig den Weg zur nächsten Haltestelle. Ich habe mich selten so über diese digitalen Errungenschaften gefreut. Von da ab bewegen wir uns nur noch per Bus durch Paris. Meine Laune, meine Knie und meine Nase freut es.

Wir schauen per Bus nach, ob der Eifelturm vom Trocadero aus noch in derselben Sichtachse steht wie früher. Das tut er, er hat sich nicht wegbewegt. Auch von der anderen Seineseite ist er wie gewohnt zu sehen. Aber, war er nicht früher dunkler? Offensichtlich hat man ihn mit dem letzten Anstrich ein wenig aufgehübscht.

Der Bus trägt uns an Notre Dame vorbei. Von vorn sieht die Kirche fast aus wie sonst. Aber bei einem Rundgang – zu Fuß – rundherum sieht man die Brandnarben noch deutlich. Das stimmt mich traurig, deshalb gibt es auch keine Fotos.

Ausländische Touristen habe ich im Bus eher selten angetroffen. Dabei ist es so ein viel angenehmeres Transportmittel als die Metro, die durch den dunklen Untergrund rast. Es herrscht selten Hektik beim Ein- und Aussteigen. Der Busfahrer/die Busfahrerin grüßt freundlich und wartet bis man mit seinem Rucksack, dem Regenschirm (ja den brauchten wir) und sonstigem Kleinkram, wie Stadtplan, Einkaufstüte (natürlich von La Fayette) usw. vollständig im Bus angekommen ist und schließt erst dann die Tür. Nicht so wie der (wahrscheinlich automatische) U-Bahn Kollege, der einfach einmal kurz ein Warnsignal von sich gibt und dann die Türen zu donnert, egal, ob da noch ein halbes Bein oder eine Handtasche draußen hängen. Etwas Schwund ist halt immer.

Ein Bus hupt nicht, er klingelt wie eine Straßenbahn, wenn er dem gemeinen Autofahrer signalisiert, dass es keinen Sinn macht, sich mit ihm anzulegen, Vorfahrtsregel hin oder her. Ein Bus rollt majestätisch durch die engsten Straßen und lässt sich durch nichts aufhalten, aber das auf unaufgeregte Art.

Offensichtlich scheine ich mich an das übliche Buspublikum so angepasst zu haben, dass mich eine französische Touristin fragt, an welcher Haltestelle sie am besten aussteigt, um zur Opéra Garnier zu kommen. Ich krame mein eingerostetes und lange zurückliegendes Schulfranzösisch hervor um zu erklären, dass ich keine Ahnung von nix habe und wir im Moment sowieso aus Versehen in der falschen Richtung unterwegs bin. Ob sie mich versteht, ist unklar, aber während wir uns versuchen mit Händen und Füßen zu verständigen, kommt die Opéra Garnier ins Blickfeld, von uns beiden mit freudigen Ausrufen begrüßt. Madame erhebt sich, nicht ohne mir freundlich noch einen schönen Tag zu wünschen. Tja, wenn ich jetzt wüsste, was „Ihnen auch“ auf Französisch heißt. Ich weiche aufs Englische aus und Madame nickt huldvoll.

Kurz vor der nächsten Haltestelle fallen uns diese zwei Zeitgenossen auf. Da es gerade nicht regnet, beschließen wir einen Kaffestop einzulegen und ihnen ein wenig Gesellschaft zu leisten.

Dann nehmen wir eben den nächsten Bus, oder auch den übernächsten und lassen uns weiter durch Paris kutschieren, ohne Ziel, aber mit dem Plan, die Stadt auf unsere Art zu entdecken. Das ist sehr genussvoll.

Anne Winckler