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„Klaus Manns „Mephisto“ darf laut einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts von 1971 in Deutschland nicht erscheinen. Der Grund sind die Persönlichkeitsrechte des Theaterintendanten Gustav Gründgens. Verlegt wird der Roman dennoch. Jetzt ist er 70 Jahre nach dem Freitod des Autors neu zu lesen“, so beschreibt es Martin Krumbholz im Deutschlandfunk 2019.

Geschrieben aus der verzweifelten Wut des Jahres 1936 erzählt Mann verschlüsselt die Geschichte des Schauspielers und Regisseurs Gustav Gründgens. Im Schauspiel Frankfurt hat die Leipziger Regisseurin Claudia Bauer den Stoff neugestaltet und Bezüge zu heute hergestellt.

Dazu erreichte uns ein Leserbrief:

Guten Morgen,

am 13. Oktober habe ich mir im Schauspiel Frankfurt das Stück “Mephisto” nach dem Roman von Klaus Mann angesehen. Es erzählt die Geschichte eines Schauspielers am Theater. Dieser möchte unbedingt Karriere machen. Da der Weg eines Karrieristen beschrieben wird, könnte das Stück statt am Theater auch in jedem anderen Unternehmen spielen. Würde es nicht von Klaus Mann erzählt, sondern von einem Amerikaner würde der typische, klischeebehaftete Weg vom Tellerwäscher zum Millionär beschrieben werden.

Zunächst ist der Schauspieler Höfgen am Provinztheater und bereits ein lokaler Star. Als ein berühmter Kritiker sein Stück an diesem Provinztheater aufführt, nutzt der Schauspieler seine Chancem sich mit dem Kritiker und seiner Freundin bekannt zu machen. Er darf dann mit einer bekannteren Schauspielerin auftreten. Höfgen hat die politischen Gegebenheiten fest im Blick und dient sich den Kommunisten an. Dabei findet er wenig schmeichelhafte Worte für den überzeugten Nazi-Anhänger im Schauspielensemble und erwirkt sogar dessen Entlassung. Als nun gegen die Erwartungen die Nazis die Macht ergreifen, weilt er im Exil in Paris. Da er seine große Rolle den Mephisto bereits gefunden hat, erreicht ihn ein Telegramm er möge aus dem Exil zurückkehren. Er nimmt die Einladung an und arrangiert sich mit den neuen Machthabern. Sein Motto Theater wird es immer geben.

Das Stück überzeichnet seine Figuren stark. Der Tonfall ist satirisch. Daher ist, anders als der Inhalt vermuten lässt, das Stück für den Zuschauer ziemlich amüsant. Diese satirisch-überspitzen Beschreibungen in griffige Bilder umzusetzen, ist nun die Aufgabe der Regisseurin Claudia Bauer. Sie hat einen riesigen roten Bühnenvorhang auf der Bühne erstellt. Die zehn Schauspieler tragen so etwas wie futuristisch-schwarze Jogginganzüge. Auf Nazisymbole wird direkt verzichtet. Das muss sich der Zuschauer anhand der Jahreszahlen selbst erschließen. Die Schauspieler halten ihren 1,50 Abstand mit Markierungen stets ein. Sie treten als Chor auf und es wird schräg gesungen. Auch dies deutet den Nazibezug an, weil in dieser Zeit, die Gruppe, die etwas zusammen macht, z.B. singen, wichtiger ist als der Einzelne. Dieser bleibt auf der Strecke. So kann der Zuschauer auf die Hauptfigur nicht böse sein, sie will den Wahnsinn um sie herum schlichtweg überleben und flieht daher in die Rolle des Mephisto.

Es wird auch der Gedanke bildlich aufgegriffen, ob nicht in jedem guten Deutschen (Zitat des Ministers) ein Mephisto, also ein kleiner Bösewicht, steckt, indem alle Schauspieler als Mephisto-Chor auftreten. Claudia Bauer zeigt, dass ihr der Charakter des Karrieristen nicht sehr sympathisch ist, so lässt sie ihn am Anfang über sich selbst und eine Reihe Stühle stolpern. Er ist der Typ den keiner mag. Ein Hanswurst, der sich von einer schwarzen Domina, gespielt von einem männlichen Schwarzen, auspeitschen lässt, um den eigenen Erfolgsdruck auszuhalten. Es gibt auch ‚Slapstickeinlagen‘, wenn der Karrierist auf den alles entscheidenden Anruf wartet – darf er den Mephisto weiterspielen, darf er im Ensemble bleiben, wird er Intendant?

Sein persönlicher Kampf mit der Rolle des Hamlet wird dargestellt, indem der Schauspieler auf einem goldenen Totenschädel über eine Seilwinde tanzen muss. Er muss sich selbst überwinden um zu überleben. Doch der Weg führt ihn auch in die Isolation, so brechen die Weggefährten weg, landen im Gefängnis, seine Geliebte wird abgeholt. So bleibt er allein als Überlebender zurück. Das ist dann schon bedrückend. Das Stück endet mit einem Monolog der hofft, dass sich diese Zeiten nicht wiederholen.

  • Beitrags-Kategorie:Blog
  • Beitrag zuletzt geändert am:18. Oktober 2021
  • Lesedauer:5 min Lesezeit