Du betrachtest gerade Der narrative Ansatz in der Konfliktarbeit

Wenn Konflikte eskalieren kommt es zu persönlichen Verletzungen auf beiden Seiten, das Verhältnis wird von Misstrauen geprägt und letztlich der Kontakt zueinander vermieden. Dahinter verbergen sich oft nicht mehr sachliche Themen, sondern ein persönlicher Kampf, der dazu führt, sich mit seinem eigenen Verhalten zu schaden. Im konkreten Beispiel der Mediatorin Hanna Milling geht es um Konflikte und eine begleitende Verhandlung zwischen Personalleitung und Personalrat einer fusionierenden Krankenkasse.

Wie sieht nun der Versuch Millings aus, die Auseinandersetzung wieder auf ein konstruktives Gleis zu leiten? Die Mediatorin wählte eine Geschichte von Ed Watzke, um den aussichtslosen und aufreibenden Kampf der Kontrahenten auf einer anderen Ebene nachvollziehbar zu machen. Frei erzählt findet sich diese Geschichte in zahlreichen Varianten und kann unter der Rubrik „schwarzer Humor“ eingeordnet werden:  

Eine Frau trifft einen Zauberzwerg, den sie aus einer Notlage befreit. Dafür hat sie drei Wünsche frei, „aber“, sagt der Zauberzwerg, „alles was du bekommst, bekommt dein ärgster Feind doppelt“. Die Frau wünscht sich zehn Millionen Euro (der Feind bekommt zwanzig) … „Und außerdem“, sagt sie, „wünsche ich mir auf einem Auge blind zu sein“.

Nach dem Ende der Geschichte geht es zunächst um den Überraschungseffekt für alle Anwesenden. Ein Ventil für die Anspannung wird geöffnet und ein befreiendes Lachen schafft erst einmal Luft in den angespannten Körpern. In der eigenen Betroffenheit wie zutreffend diese humorvolle Geschichte auf die verfahrene Situation der Kontrahenten ist, folgt ein Moment der Stille. Dann werden Ideen entwickelt wie man einer unguten Dynamik einer verfahrenen Situation entkommen könnte und die Frage: Was braucht jede Seite, um wieder in ein Vertrauensverhältnis und in eine konstruktivere Haltung zu kommen?

Hanna Milling fügt jeder ihrer erzählten Geschichten Schlüsselbegriffe bei, die helfen sollen, diese Geschichte im Alltag zu bestimmten Problemlagen anwenden zu können. Einer der Begriffe, die sie der Geschichte vom Zauberzwerg beifügt, sind die „Eskalationsstufen“. Sie bezieht sich dabei auf Friedrich Glasl, dessen Thesen Milling an anderer Stelle im Buch „Storytelling-Konflikte lösen mir Herz und Verstand“ erläutert hat. Der Grundgedanke ist, alle Menschen haben Auseinandersetzungen im Leben, die es zu lösen gilt. Werden sie allerdings zu einem Problem, weil sie sich verhärten, spricht man von Eskalation. Der Psychologe Friedrich Glasl definiert neun Eskalationsstufen eines Konflikts. Sein Phasenmodell des Konfliktes beschreibt die Eskalationsstufen und unterteilt sie in drei Hauptphasen.

In der ersten Abstufung können die Konfliktparteien das Problem noch auf einer sachlichen Ebene lösen. Da dadurch beide Parteien gewinnen können, ergibt sich die Aussicht auf eine Win-Win Situation.

Dies ist in der zweiten Abstufung nicht mehr möglich, eine Partei verliert. Noch ist eine faire Auseinandersetzung möglich, wenn einer der Kontrahenten nachgibt. Dadurch ergibt sich ein möglicher Win-Lose Ausgang.

Die dritte Phase ist meist durch schwere Verwerfungen und Verletzungen gekennzeichnet. Diese Situation kennt nur noch Verlierer also liegt eine Lose-Lose Situation vor.

Wer einen Konflikt erlebt, erzählt unwillkürlich die Geschichte dieses Konflikts. Seine Darstellung stützt sein Weltbild und damit seine Identität. Hier setzt die die narrative Konfliktarbeit ein, bei der es gilt, die verengten Stränge der Konfliktgeschichten zu entflechten, einen Blick auf die Verknüpfung der Einzelelemente zu werfen und Raum für das gemeinsame Konstruieren einer neuen Geschichte zu schaffen, erläutert Milling. Statt sich allein auf Beendigung des Konflikts zu fokussieren gilt es, die Beziehung der Konfliktparteien dahingehend zu verändern, dass sie versuchen, gemeinsam eine alternative Geschichte zu schreiben. Damit beginnt sich der Konflikt allmählich aufzulösen, „weil die diskursiven Konditionen, die ihn gestützt haben, dekonstruiert sind. Denn um Nachhaltigkeit entfalten und zur Wirklichkeit werden zu können, dürfen die erarbeiteten Lösungen nicht in einen luftleeren Raum gemalt werden. Sie müssen in eine glaubhafte und tragfähige Geschichte eingebettet und sinnhaft verwoben sein“