Du betrachtest gerade Exzessiv, rauschhaft, skandalös: Erraten Sie die Königin der französischen Erotik?

Im August 2024 wird Paris die weltbesten paralympischen Athlet*innen zu den Paralympischen Spielen begrüßen. Darum ist Frankreich nach der Olympiade weiterhin in aller Munde. Dies ist ein willkommener Anlass sich mit einer bemerkenswerten französischen Schriftstellerin zu befassen. Die gesuchte Schriftstellerin war bekannt für ihr unkonventionelles und skandalöses Leben. Sie trat in erotischen Posen auf der Bühne auf und führte eine Vielzahl von Liebesbeziehungen, sowohl mit Männern als auch mit Frauen.

Liebes UniWehrsEL,

Erraten Sie die Königin der französischen Erotik? Am besten lesen Sie zuerst den gesamten Text und raten in Ruhe. Dann können Sie die passenden blau unterlegten Verlinkungen öffnen, die das Raten erleichtern. Los gehts!

Ihre mutige Art, über Sexualität und gesellschaftliche Normen zu schreiben, ihre Beteiligung an der Pariser Bohème machte sie zu einer kontroversen Person. Diese Aspekte ihres Lebens wurden oft in ihren Werken reflektiert und trugen zu ihrem Ruf als rebellische und freigeistige Künstlerin bei. Sie war aber nicht nur Schriftstellerin, sondern trat auch als Varietékünstlerin im berühmten Moulin Rouge auf. Sie war Journalistin, Kriegsreporterin im ersten Weltkrieg, verstand sehr viel von Selbstvermarktung. Sie erfand sich immer wieder neu.

Mein erster Berührungspunkt mit der Literatin war das mit neun Oscar prämierte Musical „Gigi“ von 1958: Im Paris des frühen 20. Jahrhunderts lebt die junge Gigi. Sie wird von ihrer Tante und der Großmutter ausgebildet und vorbereitet eine „gute Kurtisane“ zu werden. Doch Gigi hat ihren eigenen Kopf. Sie ist lebhaft und neugierig. Gigi begegnet Gaston, einem wohlhabenden Playboy und Freund der Familie. Er sieht in ihr das kleine Mädchen, welches er aus seiner Kindheit kennt. Bald beginnt Gaston sie in einem neuen Licht zu sehen. Das liegt an ihrer unbekümmerten Art mit ihm umzugehen. Diese Eigenschaft fasziniert ihn. Als Gigi und Gaston sich näherkommen, nimmt die Handlung eine erstaunliche Wendung: Gigi lehnt es ab, eine Kurtisane zu werden.

Diese Entscheidung verstößt gegen gesellschaftliche Normen und zeigt dem Zuschauer, dass wahre Liebe über vorgegebene Rollenbilder triumphieren kann. Dies ist ein erster Einblick in das Werk der gesuchten Schriftstellerin.

Chéri“ heißt ein weiteres bemerkenswertes Werk von 1920. Es erzählt die Geschichte einer Liebesaffäre zwischen einer älteren Frau und einem jüngeren Mann in der Belle Époque Frankreichs. Einen Skandal löste nicht etwa die außereheliche Liebegeschichte aus, wie etwa Gustave Flauberts Roman „Madame Bovary“ 1857, sondern vor allem der sehr große Altersunterschied. Chéri die Titelfigur ist 25 Jahre älter als ihr junger Liebhaber!

Der Roman wandelt auf einem schmalen Grat zwischen der Liebe einer Frau und der einer Mutter für einen Jungen. Bei Erscheinen des Romans wurde es von der Gesellschaft als skandalös empfunden, dass eine 49jährige Frau eine Liebesbeziehung mit einem 25jährigen Mann eingeht, weil eine Heirat ausgeschlossen war. Umgekehrt hätte das für einen Mann gleichen Alters wie Chéri nicht gegolten. Das zeigt die Doppelmoral jener Zeit, aber auch die tiefgreifende Auseinandersetzung der Autorin mit komplexen emotionalen und gesellschaftlich-relevanten Themen.

Ihre gleichnamige Biografie wurde 2018 mit der britischen Schauspielerin Keira Knightley in der Titelrolle verfilmt. Der Film beleuchtet ihr faszinierendes Leben. Geboren wurde die Schriftstellerin 1873 in Burgund. Ihre ersten Werke schrieb sie zunächst unter dem Namen ihres Ehemanns Willy. Das hatte den Grund, dass die Texte über ein junges Mädchen namens Claudine als erotisch-lustvolle Literatur in der Öffentlichkeit wahrgenommen wurden und für viel Aufsehen sorgten. Die berühmte „Claudine-Serie“ ist durchzogen von erotischen Beschreibungen. Es liegt ein Hauch von Exzess in der Luft! Das Schreiben über Erotik war eine Revolution, da sie weibliche Sexualität und Begehren in einer Zeit zum Thema machte, als diese von der Gesellschaft als Tabu angesehen wurden.

Diese Beschreibung erotischer Begegnungen traute die damalige Gesellschaft einem Mann zu, aber keiner Frau. Deshalb war sie zunächst als Ghostwriterin tätig. Die Schriftstellerin verstand eine Menge von Vermarktung. Sie veröffentlichte Romane, Plakate, Zeitungen, später tauchte sie auch im Radio und im Film auf. Der gesuchten Schriftstellerin gelingt das, was auch ihrer Romanheldin Claudine gelingt. Sie verlässt den Mann, schlägt sich als Tänzerin durch und nimmt dieses als Stoff für neue Romane. Leben und Werk sind ineinander verwoben.

1907 tritt sie als Mumie mit einer Dame aus dem Hochadel, die sich Missy nennt, im Moulin Rouge auf. Die Show nennt sich „ein ägyptischer Traum“. Es kam zum Skandal, weil sich beide Frauen auf der Bühne küssten. Die Aufführung wurde danach verboten. 1913 macht sie ihr früheres Leben auf der Bühne zum Thema eines autobiografischen Romans, da ist sie bereits seit 1911 Feuilletonistin der Pariser Tageszeitung “Le Martin”. Sie lebte mit dem ebenfalls geschiedenen Chefredakteur des Blattes zusammen.

Sie passt sich auch im zweiten Weltkrieg an. Sie arbeitet mit der Vichy-Regierung zusammen und kann ihren jüdischen Ehemann vor der Deportation bewahren. Zum Erfolg von Gigi hat sicherlich auch beigetragen, dass dieser Roman seine Leser im zweiten Weltkrieg (1942) in eine bessere Zeit mitnimmt.

In den 1950ern wird eine Dokumentation über ihr bewegtes Leben gedreht. Ihr 80ster Geburtstag wurde 1953 als nationales Ereignis gefeiert. Sie stirbt im August 1954 und erhält als erste Frau ein beeindruckendes Staatsbegräbnis.

Ihre Tochter gründete und eröffnete 1995 ein Museum, zu Ehren ihrer berühmten Mutter. Das Museum trägt ihren Namen. Es befindet sich in einem Schloss und ist eine große Touristenattraktion für die Region Burgund, in der sie als jüngstes Kind von vier Halbgeschwistern aufwuchs. Die Schriftstellerin hat sich dort nie aufgehalten, aber sie erwähnt das Schloss in ihrem ersten Roman. Im Schloss gibt es eine Bibliothek, wo der Besucher verweilen und durch die Bücher schmökern kann. Bestimmt wird er auch auf Gigi und Chéri treffen.

Mit dem Film von 2018 ist die Schriftstellerin ein Thema für die MeToo-Bewegung, Frauenemanzipation, geworden. In der Verfilmung kämpfte sie für ein selbstbestimmtes Leben, indem sie nicht nur ihr Recht als Autorin einfordert, sondern sich von ihrem ersten Mann Willy emanzipiert. Der Film zeigt die Selbstfindung einer jungen Frau am Beginn ihrer Schriftstellerkarriere.

So liebe UniWehrsEL-Leser, jetzt heißt es raten und auch gerne einen Kommentar hinterlassen!

Darauf freut sich Ihr Kulturbotschafter des UniWehrsEL

Übrigens: Der Name dieser außergewöhnlichen Schriftstellerin lautet: Sidonie-Gabrielle Colette.

Bild von beasternchen auf Pixabay

  • Beitrags-Kategorie:Blog
  • Beitrag zuletzt geändert am:26. August 2024
  • Lesedauer:8 min Lesezeit