Heute möchte ich Ihnen einen ganz besonderen Leserbrief vorstellen. Er befasst sich in gedanklicher Vorauseilung unseres Wintersemester Seminars 24_25 rund um den Themenbereich „Exzess, Ekstase, Askese“ mit einer anderen Art der Herangehensweise an die Thematik. Dieser hat unser UniWehrsEL-Leser die gedankliche Überschrift gegeben: „von Konsum-Exzessen und was die Kunst von Andy Wahrhol, Banksy, Kruger den Konsumenten lehren könnte!“
Liebes UniWehrsEL,
vor kurzem las ich in der Zeitung von der britischen Sängerin Adele, die vom 2. August bis 31. August an zehn Abenden in München auftritt. Das Konzert ist ganz auf die Bedürfnisse der Sängerin zugeschnitten. Sie belegt ein Fußballstadion und hat um das Stadion eine Art Mini-Volksfest, im Stil des Münchner Oktoberfests, mit Blasmusik und Bier aufgebaut. Beim ersten Konzert kamen trotz Regenfällen 70.000 Zuschauer. Diese Beschreibung weckte in mir den Wunsch, über einen weiteren Aspekt des Seminars “Exzess” nachzudenken. Die Massen, die sich von der Musik und der Atmosphäre mitreißen ließen, erinnerten mich an den Konsumrausch, den Andy Warhol in seinen Kunstwerken kritisierte. Warhol, bekannt für seine Pop-Art, sah in der Konsumgesellschaft eine Art Ekstase, die Menschen in einen Zustand des Wahns versetzt. (Mich erinnert dies auch stark an unserer Seminar „Wahres Glück im Warenglück! A. d. R.)
Warhols Werke, wie die berühmten „Campbell’s Suppendosen“, reflektieren die Oberflächlichkeit und den Massenkonsum der Gesellschaft. Ähnlich verhält es sich mit den Menschenmengen, die sich von Stars wie Adele in den Bann ziehen lassen. Der Rausch des Moments überdeckt oft die Frage nach dem tieferen Sinn und der Nachhaltigkeit solcher Erlebnisse. (Eine massenhafte Population vereint eben, wie es Mitscherlich ausdrücken würde! Ihn kennen Sie ja aus den “Frankfurter Augenblicken“, als bekannten Soziologen, der gerne Gesellschaftskritik übte, aber selber bisweilen dem Konsumrausch erlag. In „Die Unwirtlichkeit der Städte“ kritisierte der Frankfurter Psychoanalytiker Alexander Mitscherlich, der selbst vom „irrationalen und keineswegs rationalen Wunsch nach dem Eigenheim“ überfallen wurde und schnell eine Kehrtwende einleitete. Mit seiner Frau Margarete zog er nach Frankfurt-Höchst, in ein 19-stöckiges Hochhaus, im Jahr 2007 komplettsaniert als das „Mitscherlich-Haus“ bekannt geworden. A. d. R.)
Neben Andy Warhol hat auch der Street-Art-Künstler Banksy Konsumkritik geäußert. Der Street-Art-Künstler Banksy nutzt öffentliche Räume als Leinwand, um Kunstwerke zu schaffen, die oft gesellschaftliche oder politische Botschaften vermitteln. Diese Kunstform ist meist temporär und anonym, was dieser Kunstform eine besondere Dynamik verleiht. Street-Art kann in Form von Graffiti, Schablonen, Postern oder Installationen auftreten und zielt darauf ab, Passanten zum Nachdenken anzuregen und den städtischen Raum zu beleben.
Banksy ist bekannt für seine provokante Kunst, ein konkretes Beispiel, welches für Konsumkritik steht, ist sein Werk “Shop Until You Drop“. Es zeigt eine Frau, die mit einem Einkaufswagen in die Tiefe stürzt. Dieses Bild ist eine deutliche Anspielung auf den Konsumwahn und die Gefahren, die mit übermäßigem Konsum verbunden sind. Banksy nutzt solche provokanten Bilder, um die Menschen zum Nachdenken über ihre Konsumgewohnheiten anzuregen und die Oberflächlichkeit der Konsumgesellschaft zu kritisieren.
Auch der Künstler Damien Hirst hat sich mit Konsumkritik auseinandergesetzt. Seine Installation “For the Love of God” zeigt einen mit Diamanten besetzten Totenschädel. Es hinterfragt den materiellen Wert und die Vergänglichkeit von Luxusgütern und regt dazu an, über die Bedeutung von Reichtum und Konsum nachzudenken.
Die Künstlerin Barbara Kruger ist ebenfalls bekannt dafür, Konsumkritik in ihren Bildern zu äußern. Sie kombiniert Bilder mit prägnanten Texten, um die Konsumgesellschaft zu hinterfragen. Mit der Arbeit “I shop therefore I am” zeigt Kruger, dass die Identität und den Selbstwert, der durch Konsum definiert wird, kritisch anzusehen ist.
Der Song “Downtown” von Petula Clark beschreibt das Gefühl, in die Stadt zu gehen, um Ablenkung und Freude zu finden. Diese lebendige und pulsierende Atmosphäre der Stadt passt perfekt zum Bild des Konsumrausches. Das Leuchten der Schaufenster und die Verlockung der Geschäfte versetzen die Menschen in einen Zustand der Ekstase. Die Stadt wird zum Schauplatz eines Rausches, indem nschen dem Wahn des Einkaufens und der Unterhaltung nachgehen.
Doch inmitten dieses Konsumwahns gibt es auch eine andere Perspektive: die Freiheit durch weniger Konsum. Weniger zu konsumieren kann nicht nur persönliche Freiheit bedeuten, sondern auch einen Beitrag zum Kampf gegen den Klimawandel leisten. Dies kann der Konsument, indem er bewusster mit den Ressourcen umgeht, die Umwelt schont und gleichzeitig das Gefühl hat, ein erfülltes Leben zu führen.
Minimalismus bietet hier einen Ausweg, meint der DLF. Durch die Reduktion auf das Wesentliche gewinnt der Mensch nicht nur mehr Raum und Zeit, sondern auch Klarheit über das, was ihm wirklich wichtig ist. Minimalismus kann helfen, den Konsumwahn zu durchbrechen und ein nachhaltigeres Leben zu führen. Dabei geht es nicht um einen freudlosen Lebensstil, sondern um eine gesteigerte Lebensqualität und Zufriedenheit. Ein Ansatz ist, sich auf maximal 100 Gegenstände zu beschränken und nur Dinge zu besitzen, die der Mensch aktiv benutzt.
Konsum wird oft als Belohnung angesehen und dient der Unterhaltung. Diese Sichtweise verstärkt den Drang, mehr zu besitzen und zu erleben, ohne die langfristigen Auswirkungen zu bedenken. Es gibt viele Verlockungen, denen zu widerstehen schwierig ist. Jedes Erlebnis wird zur Belohnung im Kopf, ein Rauschzustand, der den Konsumenten antreibt, immer mehr zu wollen.
Ein überspitztes Beispiel für die Schwierigkeit des Konsumverzichts zeigt der Kabarettist Till Reimers in einem satirischen Vortrag aus 2014 im Deutschlandfunk auf: Er bedankt sich bei allen Produzenten von Konsumgütern wie dem Smartphone und dem Flachbildfernseher. Oft werden Dinge gekauft, die das Leben vermeintlich verbessern sollen. Wie wäre es mit einer App der Deutschen Bahn? Mit dieser Neuerung weiß der Konsument nun, dass sein Zug zwei Stunden Verspätung hat! Macht ihn dieses Wissen durch Technik glücklicher oder sorgt für ein besseres Leben? Trotzdem glaubt der Konsument den Versprechungen von Google, Apple, Facebook oder der Deutschen Bahn. Dies verdeutlicht, wie schwer es ist, auf Konsum zu verzichten. Til Reimers zeigt dabei die Verführbarkeit des Konsumenten auf.
Fest steht, das Wirtschaftssystem ist darauf ausgelegt, ständig neue Dinge zu erwerben. Dieser Kreislauf wird durch Werbung und gesellschaftlichen Druck verstärkt, was es umso schwieriger macht, sich als Konsument diesem Konsumwahnsinn dauerhaft zu entziehen. Die Angst, etwas zu verpassen, auch bekannt als “Fear of Missing Out“, treibt viele dazu, immer mehr zu konsumieren, um bloß nichts zu verpassen.
Das Wirtschaftssystem steht im Gegensatz zu dem bereits erwähnten minimalistischen Ansatz, sich auf 100 Gegenstände zu beschränken. Während Minimalismus auf die Reduktion und bewussten Konsum setzt, fördert das Wirtschaftssystem ständigen Konsum und setzt auf Wachstum. Dieser Gegensatz zeigt sich in der Art und Weise, wie Produkte beworben und verkauft werden. Der Druck, immer mehr zu besitzen, steht im Widerspruch zu den Prinzipien des Minimalismus, der auf Nachhaltigkeit und Lebenszufriedenheit bzw. Genügsamkeit abzielt.
Mit Grüßen von einem bewussten UniWehrsEL-Konsumenten! U. A. w. g.!
Bild von meineresterampe auf Pixabay