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Hat auch der Humor angesichts des Todes und der Trauer seinen Platz? Die Soziologen Meitzler und Benkel sind davon überzeugt. Sie glauben an eine künftige Bestattungskultur, die aus Individualität und dennoch Vielfalt und weniger aus Montonie besteht. In unserem Seminar „Gestatten Sie, dass ich liegen bleibe …“, dessen Titel auf dem gleichnamigen Buchtitel beruht, treten Sie dazu den Beweis an. Ihre Feldforschungen befassen sich mit humorvollen Inschriften auf Grabsteinen, die sie fotografieren, mit launigen Texten versehen und schließlich als Buch vermarkten.

Nach dem ersten Erfolg legten sie nochmals nach mit dem Zweitwerk „Game over“ und interpretierten Grabsprüche wie „Ich glaube, ich lebe sogar noch gerne, wenn ich einmal gestorben bin“.

Humor angesichts des Todes hat eine lange Tradition, gab es doch schon im Mittelalter den Brauch des Osterlachens, mit dem der Freude der Auferstehung Ausdruck verliehen wurde. Auch wenn man in andere Länder schaut, finden sich humorvolle Grabsprüche. So kann ich in der Frankfurter Rundschau nachlesen: Der „Fröhliche Friedhof“ im rumänischen Sapanta zieht Besucher aus aller Welt an. Ab 1935 gestaltete ein Künstler dort insgesamt 800 bunte Holzstelen mit lustigen gereimten Nachrufen auf die Dorfbewohner. Und auf dem „Museumsfriedhof“ von Kramsach in Tirol sind unkonventionelle historische Grabmale aus dem gesamten Alpenraum ausgestellt, einige von ihnen sind mehr als 200 Jahre alt. „Hier liegt in süßer Ruh’ erdrückt von seiner Kuh – Franz Xaver Maier“ heißt es auf einem der Grabkreuze, „daraus sieht man, wie kurios man sterben kann.“

Der Wandel zu humorvollen Traueranzeigen ist auch im Bereich der Todesanzeigen zu bemerken. Darauf hat mich eine Leserin im UniWehrsEL aufmerksam gemacht. Herzlichen Dank an dieser Stelle an alle, die mit ihren Beiträgen zur Vielfalt eines Themengebietes beitragen!

In der von ihr mir zugesandten Anzeige ging es um einen lieben Verstorbenen, der von seiner Frau und seinen Kindern mit den Worten verabschiedet wird: „Es gab leider kein Entkommen“.

Auch der Kulturanthropologe Norbert Fischer forschte über das „ganz besondere Element der Trauerkultur, wie sie sich im 19. Jahrhundert entfaltete“, die Todesanzeigen in der Tagespresse. Als ein bis heute klassisches öffentliches Medium der Trauer.

Fischer beschreibt, der älteste Beleg einer Todesanzeige stamme bereits aus dem 18. Jahrhundert. Zunächst bildete sie eher ein Mittel von Geschäftsleuten, notwendige gewerbliche Veränderungen mitzuteilen. Erst im 19. Jahrhundert wurde die Todesanzeige im Bürgertum auch zum Ausdrucksmittel privater Trauer.

Auch zu den Grabsteinen hat er geforscht:  „ … Ja, die Grabmalkultur des 19. Jahrhunderts entwickelte sich geradezu zur “Feier des bürgerlichen Individuums”: Fabrikanten, Professoren, Beamte sie alle wollten ihre Lebensleistung auch auf ihrem Grabstein gewürdigt sehen. Das Bild vom Tod wurde dabei personalisiert, d.h. in lebensnahe, identifizierbare Porträts überführt.“ In dieser bürgerlichen Lebenswelt mit ihrer männlichen Vorherrschaft, spielten Frauen eine geringe Rolle und tauchten „ … nur höchst selten als identifizierbare Person, sondern in der anonymisierten, Gestalt der “Trauernden”, als typisierte, gleichwohl gefühlsbetonte Verkörperung von Trauer und Abschied auf.”

Im 19. Jahrhundert ging es um Macht, Besitz, Reichtum und Prestige der männlichen „Familienoberhäupter“, die sich in der Grabmaldenkkultur und auch in den öffentlichen Denkmälern auf städtischen Straßen und Plätzen widerspiegelten.

Zurück zu den Todesanzeigen, die von dem Juristen und Musikwissenschaftler Christian Sprang genauso intensiv gesammelt werden, wie es die Soziologen Meitzler und Benkel mit Grabinschriften tun. Auf seiner Webseite  www.todesanzeigensammlung.de präsentiert er einen Teil seiner Sammlung von ungewöhnlichen Todesanzeigen und unkonventionellen Familienanzeigen.  Auch er schreibt dazu Bücher wie „Ich mach mich vom Acker“, die sein Mitautor Matthias Nöllke kommentiert. Sogar bis in die NDR-Talkshow hat er es damit geschafft.

Vermarktung von Wissenschaft, Entgrenzung und Individualisierung eines monopolisierten Themas, Überführung in eine Alltagskultur, die auch das Recht auf Humor hat?

Ich freue mich, wenn Sie uns im UniWehrsEL Ihre Meinung dazu mitteilen.