Der gegenwärtige Wandel der deutschen Bestattungskultur zeigt sich als Widerspiegelung gesellschaftlicher Entwicklungstrends.
Ein ansprechendes Beispiel dazu durften wir gestern im Seminar „Gestatten Sie, dass ich liegen bleibe“ anhand der Ausführungen von Herrn Christian Brinkmeyer erfahren. Sehr eindrucksvoll schilderte er sowohl die Stationen der Kremation eines Verstorbenen bis hin zu den Überlegungen, wie und in welcher Form der Bau einer privat betriebenen letzten Ruhestätte in einer wundervollen Landschaft und Umgebung eines alten Klosters gelingen kann.
Als Ort der Ruhe und der Kontemplation erscheint das ehemalige Dominikanerinnenkloster Kirchberg, weitab vom Trubel der äußeren Welt, als ein landschaftliches Kleinod und Platz der inneren Einkehr. Idyllisch gelegen zeigt sich auch der ehemalige Nonnenfriedhof, auf dem alte Grabsteine mit verwitterten Inschriften standen und auf dem jetzt ein sogenanntes „Kolombarium“ gestaltet worden ist. Nach vielen Hürden war es dann 2017 gelungen, die von der Künstlerin Madeleine Dietz gestaltet Urnenwand als Begräbnisstätte für Mitglieder des Vereins Berneuchener Haus einzuweihen.
Ein langer Weg, der mich dazu angeregt hat, aus der Sicht der Kulturanthropologin zu der Feuerbestattung, die auch im gestrigen Vortrag ausführlich besprochen wurde (schon dies alleine verwundert mich, hielt ich es doch eher für ein Tabuthema), in der Literatur weiter zu forschen. Dazu nutze ich das „Jahrbuch für Tod und Gesellschaft“ (Meitzler, Benkel 2022, 212) und daraus eine Besprechung zur thanalogischen Literatur zu „Handbuch des Feuerbestattungsrechts“.
Hier für Sie kurz die wesentlichen Erkenntnisse zusammengefasst: Das wissenschaftliche Nachschlagewerk zur Feuerbestattung in der Neuauflage von 2021 knüpft unmittelbar an das Interesse der Sepulkralkultur an. Erstens spiegeln sich in der ständig steigenden Kremationsquote veränderte gesellschaftliche Einstellungen und Werthaltungen, zum anderen wirken sich diese auf bestehende Friedhofstrukturen aus. Die Gräber werden kleiner, weil Urnen weniger Platz einnehmen, es steigen die Freiflächen auf den ungenutzten Arealen der Friedhöfe an. Zum anderen ermöglichen die physischen Eigenschaften der Kremationsasche, nicht nur vereinfachte Portabilität, sondern auch diverse neue Beisetzungsoptionen, wie zum Beispiel im oben beschriebenen Kolombarium.
Auch gestern im Vortrag erfahren und für die deutsche Bestattungskultur evident sind einige juristische Neuerungen, u. a. die Novellierung des Bestattungsgesetzes im Bundesland Bremen (2015). Unter bestimmten Voraussetzungen können Angehörige dort die Urnen ihrer Verstorbenen auf Privatgrundstücken beisetzen. Damit lässt sich vorsichtig gesagt, partiell die bislang gültige Friedhofspflicht umgehen und auch der Schluss ziehen, dass unflexible Bestattungsgesetz gerate allmählich in Bewegung. Was nun wieder mehr Raum für Privatinitiativen ermöglichen könnte, wie es unser Referent, Herr Brinkmeyer, als Möglichkeit in Aussicht stellte.
Nochmals herzlichen Dank an Sie, Herr Brinkmeyer und an die UniWehrsEL-Leser die Bitte, sich über persönliche Gedanken hinaus, durchaus an dieser anregenden Debatte zu Transformationsformen im Umgang mit Sterben, Tod und Trauer zu beteiligen.