MeineKollegin Dr. Kerstin Bußmann hat im Rahmen unseres gemeinsamen Seminares Projektlabor ÜberLebensKunst einen Beitrag ausgearbeitet, den wir Ihnen nicht vorenthalten möchten.
Das Hotel Sportivo Valmartello: ein schwieriges Erbe oder ein gelungenes Beispiel für Hotelarchitektur aus den Anfängen des Massentourismus?
Von Dr. Kerstin Bußmann
Fotos: Dr. Kerstin Bußmann
Am südlichen Talabschluss der Südtiroler Erdbeerwelt, dem Martelltal, liegt vor der dramatischen Kulisse der fast 4000 Meter hohen Ortlergruppe das Hotel Sportivo Valmartello al Paradiso del Cevedale, kurz Hotel Paradiso genannt. Inmitten von hohen Tannen und tiefen Felseinschnitten, durch die rauschende Gebirgsbäche ins Tal hinabstürzen und weit entfernt von jeglichem urbanen Zentrum, scheint es in einen Dornröschenschlaf gefallen zu sein. Früher galt es als Sporthotel internationalen Ranges. Doch vor allem ist es der Nachhall eines höchst ambitionierten wahnwitzigen Planes aus den 1930er Jahren, der dieses Hotel mit einer besonderen Aura umgibt. Das gesamte Gebiet der Dolomiten sollte zwischen Bozen, St. Ulrich im Grödnertal und Cortina d’Ampezzo durch ein infrastrukturelles Netz und transversale Verbindungen von 160 Seilbahnkilometern zu einem Ski- und Freizeitkarussell ausgebaut und damit der Tourismus in Südtirol in höchstem Maße angekurbelt werden. Vom italienischen Fremdenverkehrsministerium mit diesem gigantischen Projekt beauftragt, hatte die Erschließung der Bergregion für den Mailänder Gio(vanni) Ponti (1891 -1979), Architekt, Designer und Begründer der legendären Zeitschrift Domus einen besonderen Reiz. Denn es konnten umfangreiche Baumaßnahmen von Hotels, Schutzhütten und Restaurants, sowie Versorgungs- und Dienstleistungseinrichtungen wie Poststellen, Kommunikationseinrichtungen, Informationsdienste, Ski- und Kletterschulen, Geschäfte und weiterführende Verkehrseinrichtungen einbezogen werden. Ponti plante damit nicht nur die größte Seilbahnanlage der Welt, sondern auch ein perfekt durchorganisiertes touristisches Unternehmen. Ein ausgeklügeltes System von Haupt-und Nebenlinien mit futuristisch anmutenden Stationen aus Stahlbeton an besonders attraktiven Lagen garantierte dem Benutzer ein Optimum an Erlebnis – sportliches Erleben durch Skiabfahrten, Wandern und Klettern wurde dabei genauso berücksichtigt wie der komfortable Rückzug in Berg-Zufluchtsorte.
Für die Berghotels wurden variable Prototypen im Stile des Razionalismo mit 22, 32, 44 und 50 Betten entwickelt, die Ponti in Größe und Form standardisierte. Der viergeschossige Baukörper des 50-Betten-Hotels wurde über einem konvex gekrümmten Grundriss geplant. Der Aufenthaltsraum, die Bar und der Speisesaal sollten an der Vorderseite des Gebäudes liegen, und die der Hauptfassade vorgelagerte Sonnenterrasse wurde von einem Pultdach überspannt und konnte als erweiterter Gemeinschaftsraum direkt erreicht werden. Unterhalb der Terrasse befand sich ein Laubengang, der den Zugang zu den für Bergsteiger vorgesehenen Räumlichkeiten schützen sollte.