Du betrachtest gerade Persische Märchenwelt – ein Beitrag von Nahid Ensafpour, Teil II

Nachdem wir im Teil I der persischen Märchenwelt bereits einige spannende Details und Interpretationen der persischen Märchengestalten durch Nahid Ensafpour erleben durften, erfahren wir hier im zweiten Teil wiederum Interessantes zu Geschichte und Mythologie Persiens. Nochmals gelingt es Nahid Ensafpour unseren UniWehrsEL-Lesern das Fremde einer Kultur näherzubringen. Herzlichen Dank dafür, liebe Nahid!

Schāhnāme „Königsbuch“شاهنامه

Der persische Nationaldichter Ferdowsi bearbeitete in seinem „Königsbuch“ (in Persisch Schahnameh; شاهنامه Šāhnāme, um das Jahr 1000 n. Chr.) eine Sammlung von Mythen und Sagen in der Form von Königs- und Heldensagen mit geschichtlichen Erzählungen aus schriftlichen und mündlichen Quellen.

Das Heldenepos befasst sich mit der Geschichte Persiens vor der islamischen Eroberung im siebten Jahrhundert.

Šāhnāma (Persisches Königsbuch). Schiras, 1550 – 1600 | © BSB/Cod.pers. 15, Bayerische Staatsbibliothek

Laut zoroastrischer Kosmologie ist die Welt der Schauplatz eines epischen, andauernden Kampfes zwischen zwei Wesenheiten: Der Schöpfergottheit Ahurā Mazda („Herr der Weisheit“) und seinem Hauptwidersacher Angra Mainyu („Zerstörerischer Geist“).

In Shāhnameh wird der Kampf zwischen zwei breit angelegten Mächten zunehmend nuancierter und komplexer. (Omid Arabian).

Zahhāk: Eine Ätiologie des Bösen

In Ferdowsis Epos Schāhnāme wird von der Legende Zahhāk, bei Friedrich Rückert (1788-1866) Dhohhak, erzählt. Zahhāk, der junge Prinz verführt vom Teufel, verwandelt sich in einen allmächtigen Tyrannen. Zwei unersättliche Schlangen wachsen aus seinen Schultern.

In seiner Nacherzählung des Zahhāk-Märchens verwandelt Ferdowsi einen bestehenden dämonologischen Mythos meisterhaft in eine Ätiologische Studie über menschliche Tyrannei und deren letztendlichen Untergang. (Omid Arabian). Die Erzählung bewegt sich zwischen den Feldern der Mythologie, Soziologie und Psychologie.

Zahhāk on the throne. Detail of an illustration from a manuscript of the Shāhnameh (courtesy LACMA).

Nachdem Zahhāk der Ermordung seines Vaters zugestimmt hat und selbst König wurde, stellte sich Ahriman Zahhāk als Koch vor, der ihn mit den köstlichsten Speisen versorgen konnte. Zahhāk stellte Ahriman als Koch ein und wurde von Ahriman mit herrlichem Essen verwöhnt. (In Shāhnameh ist Eblis der erste, der Mahlzeiten aus dem Fleisch und Blut von Tieren zubereitet; und während Zahhāk sich daran labt, wird er immer bösartiger und blutrünstiger, nimmt die Eigenschaften eines Raubtiers an und entfernt sich immer weiter von seiner Menschlichkeit).

Zum Dank gewährte Zahhāk Ahriman einen Wunsch. Er begehrte ihn als Geste des großen Respekts und der Ehre auf die Schultern küssen zu dürfen. Zahhāk gewährte ihm diesen Wunsch und Ahriman küsste ihn auf die Schultern. In diesem Moment verschwindet Eblis. Aus Zahhāks Schultern wuchsen zwei Schlangen, jede so dick wie ein Baumast.

Schockiert und verzweifelt sucht Zahhāk nach einem Heilmittel, ohne Erfolg. Schließlich erscheint Eblis ein drittes Mal, verkleidet als Arzt. Er erklärte Zahhāk, dass es nur einen Ausweg gäbe, sich vor den Schlangen zu schützen, nämlich indem sie täglich mit menschlichen Gehirnen zweier Jünglinge gefüttert werden, anderenfalls würden sie sein Gehirn fressen.

Zahhak herrschte fast 1.000 Jahre. Doch gegen Ende seiner Herrschaft hat er einen beunruhigenden Traum, in dem er seinen Untergang durch einen jungen Mann namens Ferēydūn erfährt.

Seine Traumdeuter erklären, dass er eines Tages gefangen genommen und vom Thron gestoßen werde.

Zahhak wird am Ende mit Hilfe des Legende Kaveh Ahangar (persisch كاوه آهنگر ‚ Kaveh der Schmied), eine Figur aus der iranischen Mythologie von dem iranischen Volk gestürzt.

Zahhāks Besessenheit von Ruhm und Macht macht ihn zum Nährboden für das Böse. Sein unstillbares Verlangen nach materiellen Dingen scheinen eine Einladung für den Teufel zu sein. Ferdowsi macht mit der Darstellung des Teufels dessen Charakter und Vorgehensweise deutlich, wie er die zoroastrische Vorstellung vom Bösen neu konzipiert. Hier ist der Teufel keine dämonische Figur, die mit Göttern und Engeln kämpft, sondern eine Macht, die anfällige Menschen verführt, rekrutiert und für eigene Zwecke einsetzt. Zahhāk wird vor die Wahl gestellt und in seiner Verzweiflung, mehr zu sein als das, was er ist, gibt er seinen Willen an Eblis ab. Er willigt ein, alles zu tun, was Eblis ihm aufträgt.

Die Geschichte Zahhāk der Dämonenkönig in YouTube erzählt in Deutsch: