Das Nachterleben hat viele Facetten, nicht nur in unserem Seminar, sondern auch im Alltag. Eine, die zum Alltag gehört, aber nicht von uns besprochen wurde, ist, was es heißt, sich mit einem nächtlich durchschreienden Baby als Paar auseinander setzen zu müssen.
Es beginnt wie ein Märchen. Es waren einmal eine Frau und ein Mann, Sie wünschten sich nichts so sehnlich wie ein Baby. Und dann tatsächlich geschah das Wunder. Das Leben eines Paares hat sich nun total verändert, sie sind immer noch zusammen, aber nun gibt es auch noch das schreiende Kind. Gerade nachts stellt sich nun die Frage: Warum haben wir uns für dieses Kind entschieden? Was hatten wir eigentlich erwartet? Und wie gehen wir mit enttäuschenden Erwartungen um?
Die britische Autorin Nina Segal lässt diese Frage in ihrem 2016 erschienenen Bühnentext aufkommen. Die Regisseurin Janina Velhorn enttarnt das vermeintliche Familienidyll, nach dem Motto, frei nach Goethe: „Die Geister die ich rief, werde ich nun nicht wieder los“. Klar, dass unser Kulturbotschafter vor Ort war und das Szenario für uns beschreibt. Herzlichen Dank dafür!
Liebes UniWehrsEL,
das Stück „Nachts bevor die Sonne aufgeht“ habe ich in der Box des Schauspiel Frankfurts am 18.02.24 gesehen. Es ist ein Text der britischen Autorin Nina Segal. Der Text ist vor acht Jahren geschrieben worden. Er handelt von einem Paar, gespielt von Caroline Dietrich und Stephan Reis. Zunächst folgt der Text einer klassischen Dramaturgie: zwei Menschen lernen sich kennen, verlieben sich ineinander, ziehen zusammen. Soweit der Plot jeder dritten Serie. Die Schauspieler treten wie Animationsfiguren auf; daher die Perücken, einheitlich blond mit Rundschnitt.
An einer Stelle wird erwähnt, dass das Paar gerne zusammen Zeichentricksendungen schaut. Wobei sie die Sendung unterschiedlich betiteln, als „Animation“ oder als „Zeichentrick“. Ein erster kleiner Disput im Beziehungsgeflecht.
Dann bekommt das Paar ein Kind, und das schreit die Nächte durch. Was das Paar auch unternimmt, das Kind schreit. Das sorgt dafür, dass das Paar nicht schlafen kann. Denn das Kind schreit mit Vorliebe „Nachts, bevor die Sonne aufgeht“.
Der Mangel an Schlaf führt zu schlechter Laune, und wie könnte es anders sein, zu Streit; zu Vorwürfen. Die Eltern versuchen das Kind mit einer Gute-Nacht-Geschichte abzulenken. Doch nichts scheint zu wirken.
Wie das Schreien anfing, so hört es dann auch wieder auf. Das Paar findet zur Ruhe. Die Krise ist bewältigt. Gemeinsam macht man sich ein paar Gedanken zur Weltlage: über Kriege und Klimawandel. Was für eine Welt wird man dem Kind hinterlassen?
Die beiden Schauspieler sitzen bei dem Gespräch in bequemen Sesseln und schauen TV. Sie tragen gleichfarben helle Perücken. Das steht wohl für die Harmonie des Paares am Anfang. Ein Detail des Kostümes sticht dem Zuschauer dabei besonders ins Auge: die Schuhe. Beide Personen tragen bunte Fischschuhe. Das ist das Erkennungsmerkmal bei den Kostümen. Fische als Schuhe? Der Fischer und seine Frau, der Fisch als schweigende Demonstration der davongleitenden Illussion? Was denken die UniWehrsEL-Leser darüber?
Das Stück wurde gut vom Publikum aufgenommen. An der einen oder anderen Stelle wurde herzhaft gelacht. Möglicherweise sitzen viele Paare mit Kindern, die nachts nicht einschlafen können, im Publikum.
Dem Text merkt man nicht an, dass er bereits vor acht Jahren geschrieben wurde. Er ist zeitlos. Genau wie das Stück in Frankfurt, inszeniert von Janina Velhorn.
Hätte dich das Stück angesprochen? Gibt es mehr darüber zu sagen, als dass Eltern von nicht schlafenden Kindern gestresst sind?
Es grüßt Dich und die UniWehrsEL-Leser der Kultur-Botschafter
Danke für das ideale Familienfoto von Stephanie Pratt auf Pixabya.