You are currently viewing Sünde, Tod und die tanzenden Willis

Untreue ist eine Todsünde und muss streng bestraft werden. Denn hinter jedem körperlichen Betrug verbergen sich Gier und Wollust. Die gnadenlose Bestrafung übernehmen die Willis. Sie sind die Geister verstorbener Bräute, deren Ziel es ist, treulose Männer im Reigen zu Tode zu tanzen. Ein wunderbarer Stoff für einen Puccini Opernabend.

Gegeistert wird im Schwarzwald, wo Roberto gerade seine Anna verlassen hat, um in Mainz (!) Geschäfte zu machen. Er erliegt den Verlockungen der ‚Großstadt‘ und Anna hat das Nachsehen. Liebe, Tod, Eifersucht, das ist auch der Stoff, aus dem der zweite Teil des Opernabends in Mainz gemacht ist. Canio erfährt, dass seine jüngere Frau Nedda eine Affäre mit einem anderen Mann hat. Doppelt schmerzhaft für ihn, weil er allabendlich auf der Bühne als „Bajazzo“ gute Miene zum bösen Spiel machen muss. Canio droht daran zu zerbrechen. Aber vorher bringt er die Untreue erst einmal um, denn Strafe muss ja bekanntlich sein.

Zum Opernerlebnis ein Leserbrief, mit herzlichem Dank!

Liebes UniWehrsEL,

„Le Villi“ ist die erste Oper von Puccini für einen Wettbewerb. Ich habe sie gestern am Staatstheater Mainz angesehen. Die Oper wird selten aufgeführt. Die Geschichte wurde vom Staatstheater Mainz ausgegraben, weil sie in Teilen in der Stadt Mainz spielt. Ein Paar aus dem Schwarzwald hat sich verlobt und will heiraten. Um genügend Geld für die Hochzeit zu haben, reist der Mann nach Mainz. Dort ist gerade Faschingszeit und er trifft eine andere verhexte oder versexte(?)) Frau und löst die Verlobung mit dem Mädchen aus seiner Kindheit. Das Mädchen bringt sich deshalb aus Liebeskummer um. Der Vater des Mädchens ist traurig und verflucht den Mann. Er kehrt aus Mainz zurück und wird von den Willja, auf talienisch Villi – verlassenen Frauen – gejagt und ermordet, weil er seiner Verlobten das Herz gebrochen hat.

Die Regie zeigt das Stück in einem Setzkasten. Zunächst die Verlobung mit Videos und üppiger Feier mit Buffet. Dann die Reise nach Mainz per Zug als Video. In Mainz wildes Faschingstreiben als Video. Danach ein Brief an die Verlobte. Sie tötet sich in der Badewanne im weißen Brautkleid. Der Vater macht eine Geisterbeschwörung. Viele Bräute kommen aus dem Off – und schauen unglücklich drein. Da kommt der Verlobte daher und wird von den Bräuten gejagt. Er glaubt schon, dass er ihnen entkommen ist. Da trifft er auf den Endgegner – seine Verlobte – und die zieht ihn in das Reich des Todes. Eine gruselige Story.

Im zweiten Teil des Doppelabends dann der „Bajazzo“. Eine Story über Eifersucht und fahrende Schauspieler. Eigentlich. Denn die Regie lässt sich was Neues einfallen. Keine fahrenden Schauspieler, sondern ein sozialer Wohnungsbau. Dort leben ein DJ, ein lesbisches Pärchen, ein zeitungslesender Rentner und eben das Ehepaar der Haupthandlung. Sie geht ihm fremd. Der neugierige Hausmeister versucht sie zu erpressen, ebenfalls ein Verhältnis mit ihr anzufangen. Sie lehnt ab. Er verrät ihrem Mann, dass sie fremd geht. Der Ehemann ertappt beide beim Seitensprung. Während einer TV-Sendung wird der Bajazzo – eifersüchtige Ehemann – so wütend, dass er sie umbringt. Das ist schon eine neue Leseart. Aber sie ist spannend gemacht.

Der Bajazzo von Leoncavallo ist so berühmt, dass sogar die Zeichentrickserie die „Simpsons“ der Story eine Folge widmen. Die berühmte Arie ist “weine nicht Bajazzo, sondern lache“. Der Bajazzo ist eine Figur aus der „Commedia del Arte“ dem italienischen Stehgreiftheater. Der Bajazzo ist der betrogene Ehemann, der es nicht begreift, dass sie ihn betrügt und deshalb für das Publikum lustig ist. In der Oper vermischen sich zwei Ebenen: die des echten Lebens als gehörnter Ehemann und betrügende Ehefrau und das ihrer Rollen als Schauspieler des fahrenden Volkes.

Der Bajazzo ist ein One-Hit-Wonder des Komponisten Leoncavallo. Haben Sie den Bajazzo schon einmal auf der Bühne live gesehen?

Beste Grüße
Ein Opernfan

Lieber Opernfan,

den Bajazzo habe ich noch nicht gesehen, aber ein anderer Leserbrief hat mir von der Rache der Willis in einer anderen Geschichte etwas zugeflüstert. Wiederum geht es um das Geschehen in einer scheinbar idyllischen Dorfgemeinschaft. Da will Hillarion Giselle für sich gewinnen, hat aber im jungen Herzog Albrecht einen starken Konkurrenten, in den sich Giselle verliebt, ohne seine wahre Identität zu kennen.  Als sich dann herausstellt, Albrecht hat bereits eine Verlobte, Bathilda, stirbt Giselle an gebrochenem Herzen in Albrechts Armen. Das ruft die Willis auf den Plan, die lustvoll so lange mit jungen Männern tanzen, bis diese tot umfallen. Der berühmte „Todestanz“ beginnt, den eigentlich „Jedermann“ einmal tanzen muss. Die Idee des vor ca. 600 Jahren entwickelten Genres des Totentanzes beruht auf der Vorstellung der tanzenden Skelette, die alle Standesvertreter in einen tödlichen Reigen zwingen, dem sie verzweifelt zu entkommen versuchen. Diskutieren, Betteln oder auch Beten hilft nicht – der Tod ist unerbittlich. Auch Giselle tanzt mit dem treuen Hillarion, rettet ihn aber schließlich vorm Tode.

Im Meininger Staatstheater kann man das Ballett „Giselle“ erleben, das basierend auf Heinrich Heines Version der Willis-Sage, 1841 seine Uraufführung an der Pariser Oper erlebte. Nachzulesen ist: „Adolphe Adam entwarf eine romantische Klangwelt, die weit mehr als bloß Begleitmusik des Tanzes war, sondern die große Dramatik der italienischen Musica Lirica und die Drastik der Grand Opéra ins Ballett überführt. Kleine, poetische Szenen und große, energiegeladene Ensemblesequenzen laden auch heute zur spannungsvollen Entdeckung ein.“

Ich hoffe, ich konnte Sie und die UniWehrsEL-Leser ein wenig anregen, mir Ihre Kommentare zu senden.

Mit besten Grüßen
Ihr UniWehrsEL

  • Beitrags-Kategorie:Blog
  • Beitrag zuletzt geändert am:12. Juni 2023
  • Lesedauer:7 min Lesezeit