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Ein Stück, das im Schauspielhaus Frankfurt 2021 Premiere hatte, ist „Der Theatermacher“ von Thomas Bernhard. Ob in Berlin oder Hamburg, immer sorgt dieser Theatermacher für Furore. Es geht um den abgehalfterten Staatsschauspieler Bruscon, der mit seiner Familie als Spielertruppe durch die Provinz tourt und ob dessen tobendem Narzissmus alles um ihn herum verstummt.

Liebes UniWehrsEL,

diese Rolle lieben alle, nicht zuletzt, weil Schauspieler darin auch ein Stück weit sich selbst erkennen können. Nach den großen Theatern zieht das Stück genau wie sein Protagonist nun auch in die Provinz. Dort können Thomas Bernhard und seine Liebsten sich mächtig austoben, besonders wenn es um Eitelkeit, Selbstgefälligkeit und Arroganz geht. Die ganze Zunft kann gehörig auf die Schippe genommen und auf der Bühne bloßgestellt werden. Auch die Lieblingsfeinde, die Österreicher, nimmt Autor Thomas Bernhard gerne aufs Korn.

Es geht um das große Ziel, ausgerechnet die Weltkomödie „Das Rad der Geschichte“ aufzuführen. Da ist der heruntergekommene Tanzsaal des Dorfgasthauses “Schwarzer Hirsch“ in Utzbach schon ein recht ungewöhnlicher Ort und das vergebliche Bemühen vorprogrammiert.

Bernhard (1931-1989) zählte nicht nur zu den bedeutendsten österreichischen Schriftstellern, sondern war auch bekannt dafür, mit seinen Stücken anzuecken. Ist es Komik oder Tragik, was er uns da auf der Bühne zeigt?

Warum ich Ihnen gerade dieses Stück vorstelle? Der Grund: Schweigen ist auch beim Theatermacher ein großes Thema. Der Theatermacher redet sich in Rage, aber seine Tochter, der Sohn und seine Frau sowie der Wirt schweigen beredt. Gerade dann, wenn der Theatermacher über das schlechte Niveau der Schauspieler, des Publikums, den Geschmack der Suppe, das Dorfleben im Allgemeinen und Utzbach im Besonderen ablästert.

Der Theatermacher ist ein großer Monolog durch einen Schauspieler und dementsprechend sehr oft von solchen in unterschiedlicher Art und Weise präsentiert worden. Den Typ des Theatermachers kenne ich, wenn auch in wesentlich strahlender Form, aus Stücken, wie z.B. „My Fair Lady“. Dort gibt es Henry Higgins, einen Sprachforscher, der in seiner eigenen Welt lebt und lange Monologe führt oder gar Wutausbrüche hat, wenn etwas nicht nach seinem Geschmack läuft. Die Umwelt schweigt dazu.

Während es bei einem ‘Theatermacher’ als Berufsbild darum geht, als Dramaturg und Regisseur die die Fäden erfolgreich zusammenzuhalten und jedem die ihm gebührende Rolle zuzugestehen, ist dieser selbsternannte Theatermacher ein Prototyp für narzisstisches Verhalten. Er klagt über den Wandel der Zeiten, die eingebildete Krankheit seiner Frau; dabei ist sie stets um ihn bemüht und durch Dauerhusten geplagt (ich werte das mal als Ausbruch ihrer gequälten Seele).

Zu einem Zeitgeist in dem gerade in den Nachrichten vom Untergang der deutschen Wirtschaft, Deindustrialisierung und Fachkräftemangel gesprochen wird, passt dieser Typ des dauerunzufriedenen Nörglers – „früher war ich Staatsschauspieler“ – bestens, anknüpfend an die allgemeine trostlose Stimmungslage.

Der Autor Thomas Bernhard hat dieses, irgendwie den Zuschauer als ‘tragisch-komisch’ anmutende, Ekel 1985 geschaffen. Dabei hat er sicher auch an die Doppelbedeutung von ‘Theatermacher’ gedacht. Denn ein großes Theater um sich selbst zu machen, dass versteht der Hauptdarsteller wahrlich prächtig.

Das Stück besteht aus drei Teilen: Ankunft des Theatermachers im Wirtshaus im Kuhdorf, die endlose Probe des perfektionistischen Theatermachers mit seiner Familie, und schließlich die total chaotische Aufführung des Stücks, bei dem am Ende der Blitz in den Baum einschlägt und das Publikum panisch den Saal verlässt.

Vielleicht wäre der Theatermacher ein gutes Bespiel für “Schweigen wäre Gold – Reden leider nur Silber” gewesen.

Anbei eine Kritik zum Theatermacher aus den Kammerspielen Hamburg. Und eine eigene Kritik der UniWehrsEL-Leser zu diesem Beitrag wäre fabelhaft!

  • Beitrags-Kategorie:Blog
  • Beitrag zuletzt geändert am:19. Januar 2024
  • Lesedauer:5 min Lesezeit