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Caspar David Friedrich, ein Beitrag von Dr. Anne Winckler

Die Resonanz auf Anne Wincklers Beitrag zu CDF war erfreulich groß. Besten Dank an die UniWehrsEL-Leser, die darum gebeten haben, der Berichtenden ein ganz großes Lob auszusprechen! Ein besonderes Augenmerk galt dabei unter anderem unserem, dem Beitrag übergeordneten, Bild (danke auch wieder einmal an Pixabay). Es handelt sich dabei um „Der Watzmann“, den Friedrich 1824/1825 malte. Es ist nur eins der zahlreichen Bilder, die in den Jubiläumsausstellungen im Caspar-Friedrich-Jahr 2024 zum 250ten gezeigt werden. Anne Winckler war ihrer Zeit voraus und hat schon im Jahr 2022 auf Friedrichs Spuren gewandelt. Wiederum hat sie ihre Erlebnisse für uns festgehalten. Dazu nochmals, auch im Namen unserer UniWehrsEL-Leser, ganz herzlichen Dank!

Und zu Beginn noch ein kleiner Ausschnitt einer E-Mail, die exemplarisch für viele andere steht und als weitere Anregung zu CDF gelten kann. Sie weist direkt auf Anne Wincklers Teil I hin.

Liebes UniWehrsEL,

danke für den tollen Beitrag! Ich möchte Sie herzlich bitten, das Lob an Frau Anne Winckler weiterzugeben. Ich fand das so interessant, zumal ich CDF schon in anderen Museen kennen gelernt habe und auch sehr bewundere.

So möchte ich auf das Georg- Schäfer-Museum in Schweinfurt aufmerksam machen. Es hat viele Gemälde von C.D. Friedrich. 2023 gab es eine Sonderausstellung zu C.D. Friedrich und die Vorboten der Romantik.

Auch in Frankfurt zeigt das Deutsche Romantikmuseum Bilder von C.D. Friedrich

Liebe Grüße

ein UniWehrsEL-Begeisterter

Eine  Reise nach Mecklenburg-Vorpommern auf den Spuren von Caspar David Friedrich im Sommer 2022

von Dr. Anne Winckler

Im Jahr 2022 lockte ein Reiseveranstalter mit einer Reise nach Mecklenburg-Vorpommern auf den Spuren von Caspar David Friedrich. Diese Gegend war für mich bisher ein großer weißer Fleck auf Deutschlands Landkarte. Und natürlich reizte es mich, die Landschaften und Orte aus Friedrichs Bildern in ‚echt‘ zu sehen.

Die Gruppe traf sich in Berlin, um sich dort mit einem Besuch der Bilder von Caspar David Friedrich in der Alten Nationalgalerie auf das Thema einzustimmen. Am nächsten Morgen ging es dann in Richtung Stralsund, das für fünf Tage unser Heimathafen war. Der Bus trug uns in diesen Tagen stundenlang durch ‚seine‘ Landschaften. Ich sah das weite unbegrenzte Land mit seinen von Bäumen gesäumten langen Alleen, die ins Nichts verliefen; endlose Wiesen und Weiden mit einer Stadtsilhouette im Hintergrund.  Ich stand am Ufer der Ostsee und sah das Meer am Horizont mit dem Himmel verschwimmen, manchmal grau in grau, aber auch manchmal in unterschiedlichen Blautönen.

Die alten Hansehäuser und das Rathaus am Greifswalder Marktplatz stehen auch 200 Jahre später noch an Ort und Stelle, wenn auch teilweise restauriert. Sein Geburtshaus gaukelt Authentizität vor. Es ist 1901 abgebrannt und wurde später wieder aufgebaut. Heute beherbergt es das Caspar-David-Friedrich Zentrum, das zum einen Besucher auf eine Zeitreise in Caspar David Friedrichs Welt mitnimmt, zum anderen aber auch forschend und lehrend tätig ist. Im Keller gibt es noch Originalteile des Hauses und der dort untergebrachten Seifensiederei zu besichtigen. Das schaffte für mich emotionale Nähe zum Künstler. Ich sehe ihn vor meinem inneren Auge als Kind durch diese Räumlichkeiten streifen. 

Bei strahlendem Sommerwetter besichtigen wir die Ruine Eldena in einem heutigen Vorort von Greifswald. Bei ihrem Anblick verknüpfen sich tatsächlich die realen Bilder mit der Darstellung der Ruine in Caspar David Friedrichs Bildern wie die der Klosterruine Eldena im Riesengebirge oder auch der bereits erwähnten Abtei im Eichwald.

Natürlich gibt es auch einen Ausflug nach Rügen. Wir nähern uns den Kreidefelsen auf einer Wanderung. Zunächst geht es zu einen kleinen Fischerort am Meer, anschließend hinauf durch einen Buchenwald (Weltkulturerbe) ins Besucherzentrum des Nationalparks Königstuhl. Von dort ist es noch ein kurzer Weg hinaus zu den Klippen. Und diesmal funktioniert es irgendwie anders mit dem inneren Abgleich von Realität und Wirklichkeit.

Ich sehe die Felsen nicht durch seine Augen. Aber ich kann es spüren, was die Faszination dieser Landschaft ausmacht, und ich sehe die Figuren vor mir, die sich da in Friedrichs Bild verteilen. Man sagt es seien der Maler selbst und seine Frau, die auf Hochzeitsreise waren. Der Reiseleiter macht uns später im Bus noch darauf aufmerksam, dass man in den die Felsen rahmenden Bäume, eine Herzform erkennen könne, wenn man es denn wolle.

Die Magie des Ortes und des Bildes wirken, anders als vor etwa 30 Jahre bei meinem ersten Besuch. Liegt es daran, dass ich mich tatsächlich auf einem Weg durch seine Heimat zu meinem Malerhelden begeben habe und mich ihm über sein Lebensumfeld annähere? Liegt es am älter geworden sein???

Ich grübele ein wenig vor mich hin.

Abends im Hotel dann beim Blick aus dem Fenster, taucht vor meinem inneren Auge blitzartig das Bild von der Frau am Fenster auf. Ich fühle mich der Frau auf dem Bild irgendwie nahe. Es ist vor allem ihre Haltung, mit der sie aus dem Fenster schaut, die mich gefangen nimmt. Das leichte Neigen des Körpers nach links, die Weite, in die der Blick geht. Der Baum als Ankerpunkt im Hier und Jetzt. Der eine geschlossene Fensterflügel. Es ist Sehnsucht, die ich da fühle. Sehnsucht nach Weite, nicht Todessehnsucht, Sehnsucht nach dem Verlassen des engen Rahmens, der vom Alltag im Rücken gezogen wird und den der Fensterrahmen symbolisiert. Dieses Bild war in den 1980er Jahren Teil des Programmhefts der Oper Frankfurt zur Inszenierung der Oper „Der fliegende Holländer“. Das hatte ich eingeordnet als Sentas Wunsch nach Flucht aus dem Alltag.

Caspar David Friedrich im Kontext unserer Seminare an der U3L

Interessant, dass der fliegende Holländer immer wieder in unseren Köpfen herumspukt, so gab es ja auch schon einmal eine Verbindung zu ihm im Kontext von “Ich weiß nicht, was soll es bedeuten” von Heinrich Heine, ein Seminar mit dem gleichlautenden Titel.

Wir fragten uns damals bei der Bildbetrachtung zu Caspar David Friedrich nach seinen Persönlichkeitseigenschaften, die seine Bilder so unvergleichlich geprägt haben:

Was war er nun? Depressiv – melancholisch – eigenbrötlerisch? Diese Ettiketten werden ihm immer angehängt. Schauen wir uns ein Selbstportrait von ihm an. Wahrscheinlich war er von allem etwas. 

Wenn man Melancholie als von Traurigkeit oder auch Nachdenklichkeit geprägte Grundstimmung definiert, dann mag das teilweise auf Caspar David Friedrich zutreffen.

Er wird aber durchaus von seinen Zeitgenossen als humorvoller Mensch beschrieben und ist, wie er selbst zugab, einem Schabernack nicht abgeneigt. So berichtet er einem Freund in einem Brief, dass er ausprobiert habe, ob er sein Bett zerlegen könne, wenn er mit einem ordentlichen Satz darauf springe. Das tat er denn auch mit Erfolg, was allerdings seine Wirtin nicht wirklich erfreute, wie er zugab.  Vielleicht war dieses Himmelhochjauchzend die Kehrseite von zu Tode betrübt.

Fest steht: Im Leben von Caspar David Friedrich gab es reichlich Anlass für Traurigkeit. Die frühen traumatischen Erfahrungen des Todes naher Angehöriger könnten sicher Auslöser für eine Depression gewesen sein. Nimmt man noch die häufige Verwendung von Kreuzen, Geiern, Gräbern und Eulen oder auch Skeletten in seinen Zeichnungen und Bildern hinzu, so ergibt sich ein perfekter Hintergrund für die ärztliche Diagnose einer Depression, wie sie der Psychiater Carsten Spitzer und die Kunsthistorikern Birgit Dahlenburg nach Auswertung historischer Quellen gestellt haben. Auch der Suizidversuch spricht für diese Diagnose.

Neben diesen depressiven Phasen gab es aber auch sehr kreative Phasen der Melancholie, in denen er einzigartige Kunstwerke schuf. Seine Melancholie hatte allerdings keinen rückwärtsgewandten nostalgischen Blick. Seine Bilder drücken nicht die Sehnsucht nach einer Zeit aus, die einmal war. Denn die Vergangenheit hat er sicher nicht als beglückend erlebt. Er schreitet voran, vielleicht in der Hoffnung auf Erlösung.

Nicht nur für mich ist er ein Maler, der eine neue Dimension in die Malerei gebracht hat. Er hat sich nicht auf das Darstellen äußerer Ansichten beschränkt, sondern ist einen großen Schritt weiter gegangen, in dem er auch das Innere des Menschen in seine Bilder mit aufgenommen hat. Seine Bilder sprechen von Einsamkeit, Verlorenheit, Verlassenheit, sie sprechen aber auch von Ruhe, Beschaulichkeit und Freundschaft. Seine Landschaften waren dafür das Transportmittel. 

Sie haben auch mir den Weg in mein Inneres geöffnet und dabei für mich immer wieder neue Blickwinkel geschaffen.