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Teil I: Caspar David Friedrich, ein Beitrag von Dr. Anne Winckler

Caspar David Friedrich scheint für das UniWehrsEL „ein Mann für alle Fälle“ zu sein. Er taucht in den unterschiedlichsten Kontexten auf und lädt zu weiterführenden Überlegungen ein. Ob es nun um die Romantik geht, im Kontext des Frankfurter Romantikmuseums, oder um melancholische Momente im Leben, in denen Kreativität entstehen kann. Auch bei der Frage, warum uns bestimmte Bilder in Antrieb und Stimmung versetzen und in der Lage sind, unsere momentane Befindlichkeit so trefflich bildhaft zu beschreiben, liefert er Antworten. Und ein “Fensterblick” als „kunstgeschichtlicher Topos“, meistens in Verbindung mit einer in die Ferne blickenden Rückenfigur, erinnert spontan an besagten Künstler. Zum Thema der Novemberstille und Magie, Sehnsucht und Nacht und was in mir dabei geschieht, liefern seine Bilder die Antworten. Danke liebe Anne Winckler, die Ihre Gedanken zu CDF für uns zusammengefasst hat!

Mein persönlicher Bezug zu diesem Maler

Sie kennen ihn alle, denke ich, diesen großen Maler des 19. Jahrhunderts aus dem heutigen Mecklenburg-Vorpommern.  Sicher haben Sie das ein oder andere Werk von ihm bereits in einem Museum gesehen. Sie wissen vielleicht auch, dass er gern als Erfinder der Romantik bezeichnet wird, dass manche in ihm einen großen Melancholiker sehen, andere ihm Depressionen nachsagen.

Ich möchte mit Ihnen einen persönlichen Blick auf Leben und Werk dieses Malers werfen. Eigentlich bin ich keine große Anhängerin von Malerei. Ja, ich schaue mir Gemälde von bekannten Malern in den Museen an, die auf dem Weg einer Reise liegen. Aber wegen einer Ausstellung oder gar nur wegen eines Bildes extra eine Reise zu machen, das käme mir grundsätzlich nicht in den Sinn. Ich bin eher eine Anhängerin musikalischer Genüsse und wegen einer Tosca-Inszenierung auch schon nach Zürich gereist. Musik berührt nicht nur meine Ohren, sondern auch mein Herz, Malerei eher nur meine Augen.

Aber bei Caspar David Friedrich ist das etwas anderes. Wegen seiner Bilder bin ich im Jahr 2006 nach Essen gefahren um dort seine große Werkschau mit dem Titel ‚Caspar David Friedrich – die Erfindung der Romantik‘ zu besuchen. Nicht nur aber auch wegen Caspar David Friedrich fahre ich immer wieder nach Berlin. Dort gibt es in der Alten Nationalgalerie einen ganzen Saal mit seinen Bildern. Ich genieße die seltenen Momente, in denen ich allein in diesem Saal sitzen und meine Augen vom Mondaufgang am Meer zum Mönch am Meer wandern und bei der Abtei im Eichwald verharren. Caspar David Friedrichs Bilder berühren mich tief in meinem Inneren.

 Meine erste Begegnung

Meine erste Begegnung mit Caspar David Friedrich hatte ich als Schülerin. Irgendwann mussten wir im Leistungskurs Deutsch als eine Bildbeschreibung abliefern. Das muss Ende der 60er oder ganz am Anfang der 70er Jahre gewesen sein, als Caspar David Friedrich zum wiederholten Mal wiederentdeckt wurde. Es galt die ‚Kreidefelsen auf Rügen‘ zu beschreiben. Die Klassenkamerad:innen jammerten und schimpften über diese ‚Zumutung‘. Ich aber schrieb und schrieb, denn dieses Bild übte einen unheimlichen Sog auf mich aus.

Der Wunsch diese Kreidefelsen einmal in echt zu sehen, schien Anfang der siebziger Jahre eher ein unerfüllbarer Wunschtraum zu sein. Rügen lag hinter dem eisernen Vorhang – wie man damals so sagte.

Gut zwanzig Jahre später war es aber dann doch so weit. Bei einem Urlaub in Binz auf Rügen machten wir einen Ausflug zum Cap Arkona und besichtigten diese Kreidefelsen. Aber der erwartete Zauber, der mich immer wieder beim Anblick des Bildes erfüllt, blieb angesichts der Natur aus. Caspar David Friedrichs Bild und die Natur waren einfach zwei verschiedene Dinge. Er malt Landschaft, aber er ist kein Landschaftsmaler. So dachte ich damals und habe es nicht weiter hinterfragt.

Ich wusste allerdings nicht, dass er nie in der freien Natur gemalt hatte, wie zum Beispiel die Impressionisten um Monet und Manet. Er hat Skizzen erstellt und diese später in seinem Atelier verwendet. Motive aus der Natur, wie die Klosterruine von Eldena, werden mehrfach in unterschiedlichen Zusammenhängen verwendet. So geschieht es auch mit bizarr anmutenden Eichenbäumen, die sich als Motive in vielen Bildern finden lassen.

Caspar David Friedrich benutzt Landschaft als Symbol. Er schafft mit der Anordnung dieser Symbole und in der Art ihrer Wiedergabe Stimmungen. Er weckt mit seinen Bildern Fantasien in meinem Kopf.  Fortan ging ich lieber wieder ins Museum, um diesem Maler nahe zu sein.

Sein Leben

Wer war nun dieser Mensch?
Caspar David Friedrich wurde am 5. Sept. 1774 in Greifswald geboren, verstorben ist er am 7. Mai 1840 in Dresden. Greifswald fiel nach dem dreißigjährigen Krieg 1648 an den König von Schweden und gehörte zu Schwedisch-Vorpommern. Gleichwohl war Friedrich deutscher Staatsbürger, denn die schwedische Provinz war eigentlich ein deutsches Herzogtum, dessen letzter Herrscher allerdings kinderlos verstorben war. Im Frieden von Münster wurde es daraufhin den Schweden zugeschlagen.
Caspar David Friedrich wurde in unruhige Zeiten hinein geboren. In seine Jugendzeit fiel die Französische Revolution von 1789 und die anschließenden Eroberungsfeldzüge von Napoleon quer durch Europa. 1815 tagte der Wiener Kongress und ordnete die politischen Verhältnisse in Europa neu.

Er war das sechste von zehn Kindern. Der Vater betrieb in Greifswald eine Seifensiederei. Die Mutter verstarb 1781, Caspar David war erst sechs Jahre alt. Die Schwester Dorothea wurde zum Mutterersatz, der Haushalt von ‚Mutter Heiden‘ der Wirtschafterin geführt. 1787 ertrank sein jüngerer Bruder Christoffer unter nicht wirklich geklärten Umständen. Wollte er den im Eis eingebrochenen Bruder Caspar David Friedrich retten, so sagt es die Legende, oder war es umgekehrt? Gab es überhaupt Eis an diesem Tag? Die Wetterfrösche von heute sagen nach Studium alter Akten: nein! Wie auch immer, der Bruder ist vor Caspar David Friedrichs Augen ertrunken. Fakt ist, der Tod ist ein die Kindheit und Jugend des Malers immer wieder bestimmendes Ereignis. 1782 verstirbt mit nicht einmal zwei Jahren seine Schwester Elisabeth, 1791 die sechs Jahre ältere Schwester Maria.

Den ersten Zeichenunterricht erhält Caspar David Friedrich ab 1790 (manche Quellen nennen auch das Jahr 1788) vom Greifswalder Universitätszeichenlehrer Johann Gottfried Quistorp. In dieser Zeit wurde er allerdings auch geprägt vom schwedischen Professor für Literatur und Ästhetik an der Universität Greifswald Thomas Thorild. Dieser vermittelte ihm den wichtigen Unterschied zwischen dem leiblichen (äußeren) und dem geistigen (inneren) Auge. Diese Sichtweise prägte sein Denken und Malen. 1794 ging Caspar David Friedrich nach Kopenhagen an die dortige Akademie. Nach Abschluss der Ausbildung siedelte er 1799 nach Dresden über, wo er ab 1800 als freischaffender Künstler von Aufträgen aus dem Bürgertum lebte. Vor seinen ersten größeren künstlerischen Erfolgen durchlitt er eine Krise, die in einem Suizid-Versuch mündete. Sicher datieren lässt sich dieser allerdings nicht, er geht aus Briefen und Äußerungen aus seinem Umkreis hervor. Auch die Ursache für diese Krise bleibt im Dunkel. Zu dieser Zeit fertigte er eine Skizze zu seiner eigenen Beerdigung an. 1805 erhielt er die Hälfte des ersten Preises der Weimarer Kunstfreunde. Ab 1807 fertigte er erste Ölbilder an. 1808 malte er das Bild ‚Kreuz im Gebirge‘ für den Tetschener Altar, das in der Kunstwelt zu einer heftigen Diskussion führte – dazu später mehr.

1809/1810 entstanden die bereits erwähnten Doppelbilder ‚Mönch am Meer‘ und ‚Abtei im Eichwald‘ (bereits bei “Mein persönlicher Zugang” erwähnt). Heinrich von Kleist lobte diese Bilder anlässlich der Berliner Akademieausstellung über alle Maßen, was schließlich zu deren Ankauf durch den preußischen König Friedrich Wilhelm III. führte. Nun war Friedrich einem größeren Publikum bekannt.

Das Thema Ehe ging Friedrich eher sachlich an. Nachdem er Ende 1816 Mitglied der Dresdner Akademie geworden war, meinte er sich nun mit diesem Gehalt eine Familie leisten zu können und leisten zu wollen. Am 21. Januar 1818 heiratete Caspar David Friedrich die 19 Jahre jüngere Caroline Bommer. Aus der Ehe gingen drei Kinder hervor.

Über den russischen Dichter Wassili Andrejewitsch Schukowski entstanden ab 1821 Beziehungen zu russischen Künstlerkreisen und auch zum Zarenhof. Friedrich verkaufte einige Gemälde nach Russland. 1824 wurde Friedrich zum außerordentlichen Professor an der Dresdner Akademie ernannt. Eine ordentliche Professor dort blieb ihm allerdings verwehrt – die Experten meinen, das habe an seiner kritischen politischen Haltung gelegen. Es folgte eine Zeit der künstlerischen Aktivität mit vielen Reisen, auch immer wieder in seine alte Heimat. 1835 erlitt er einen Schlaganfall mit Lähmungserscheinungen. Beeinträchtigt hiervon malte er dennoch weiter. Er starb am 7. Mai 1840 in Dresden.

Mitte des 19. Jahrhunderts gerät der Maler und sein Werk in Vergessenheit. Er wird aber um die Jahrhundertwende wieder entdeckt und dann von den Nationalsozialisten vereinnahmt. Er galt als nordischer Maler, der sich als Aushängeschild für die Blut- und Bodenideologie nutzen ließ. Das führte natürlich zunächst zu einem eher verschämten Umgang mit seinem Werk nach dem zweiten Weltkrieg. Zu seinem 200. Geburtstag gab es im Jahr 1974 eine große Ausstellung zunächst in Dresden, dann in Hamburg. Das Interesse an ihm und seiner Kunst nahm wieder rasant zu. Mit der bereits erwähnten Doppelausstellung in Essen und Hamburg aus den Jahren 2006 und 2007 dürfte Caspar Davis Friederich einen neuen Höhepunkt an Popularität erreicht haben. Im Jahr 2024 wird sein 250. Geburtstag mit großen Ausstellungen in Hamburg, Berlin, Dresden und Greifswald gefeiert werden.  

Einige Werke werden als so bekannt angesehen, dass sie ikonografisch genutzt werden, ohne dass es noch eines direkten Bezugs zum Maler bedarf. Wie z.B. das Cover für dieses Buch von Nora Krug, mit dem Titel Heimat, das eindeutig dem Wanderer über dem Nebelmeer nachempfunden ist. Dieses Bild zierte den Ausstellungskatalog der Hamburger Kunsthalle im Jahr 2007.

Die Werkinterpretationen

Der Lesarten und der Interpretationen seiner Werke gibt es viele und die Forschung ist sich uneins, welche denn die Zutreffende ist. Nebenbei bemerkt macht genau dies auch eine der Schwierigkeiten aus, wollte man Caspar David Friedrich aus einer objektiven und wissenschaftlichen Sicht darstellen. Man müsste die verschiedenen Betrachtungsweisen und die dazugehörenden Hintergründe des jeweiligen Betrachtenden mit aufzeigen. Um die Deutung seiner Bilder wurde bereits zu Caspar David Friedrichs Zeiten heftig und zum Teil auch den Künstler verletzend gestritten. So wurde angesichts der vermeintlichen Leere in Friedrichs großformatigen Bildern zwar zugestanden, dass man sich sehr viel dabei denken könne, aber es hieß auch, wenn man eine leere Tafel hinstelle, könne man sich noch viel mehr dabei denken. Fakt ist, dieser Maler hat für seine Zeit neue Wege in der Malerei eingeschlagen und er hat sich sehr wenig öffentlich zu dem geäußert, was ihn angetrieben hat. Es wird ihm folgendes Zitat zugeschrieben: „Der Maler soll nicht bloß malen, was er vor sich sieht, sondern auch, was er in sich sieht. Sieht er aber nichts in sich, so unterlasse er auch zu malen, was er vor sich sieht.“ Die Frage, was der Maler Caspar David Friedrich in sich beim Malen seiner Bilder gesehen hat, bleibt allerdings offen, denn er hat sich dazu nicht geäußert.

Unvergessen ist bis heute der sogenannte Ramdorstreit, der an dieser Stelle zumindest kurz erwähnt werden soll. Basilius von Ramdohr verfasste 1809 eine vernichtende Kritik am von Friedrich geschaffenen Tetschener Altarbild ‚Das Kreuz im Gebirge‘, das wir bereits bei “Sein Leben” (siehe oben) kennengelernt haben.

Ramdohr, Diplomat in preußischen Diensten und selbst auch Maler, warf Friedrich die Verletzung der Regeln der traditionellen Bildkunst vor. Er überschreite die Grenzen der Landschaftsmalerei, eine Verbindung von Landschaftsmalerei und sakraler Kunst sei darüber hinaus unzulässig.

Die Romantiker haben Caspar David Friedrich für sich vereinnahmt. Sei es, in dem sie ihm – überspitzt – gesagt, sentimentale Heimatliebe anhängten, unter Verweis auf seine sich wiederholende Darstellung deutscher Eichen vor oder in Gebirgs- oder auch Wiesenlandschaften, sei es in dem man sich auf die Sichtweise eines inneren Bildes vor dem äußeren Bild kaprizierte. Diese Innensicht war für die Romantiker essenziell in allen künstlerischen Äußerungen.

Es gibt darüber hinaus noch den religiös geprägten Blickwinkel auf seine Werke und ebenso eine politisch geprägte Sichtweise. Anlass für religiöse Interpretationen geben die häufig verwendeten Symbole, wie das Kreuz, die Abtei, der Trauerzug, der Friedhof. Die, die Friedrich auch als politisch ambitionierten Maler sehen, verweisen auf die Kleidung, die er manchen Personen zuordnet, wie z.B. die altdeutsche Tracht im Bild ‚Zwei Männer in Betrachtung des Mondes‘.

(Dieses Bild haben wir bereits im Kommentar zur Novemberstille kennengelernt und können nachlesen: ” Mit der Romantik zeigt sich Unsterblichkeit, Suche nach Unendlichkeit bei Caspar David Friedrich mit Sehnsucht in nächtlichen Seelenlandschaften. Zwei Männer in Betrachtung des Mondes inspirierte sogar Samuel Becket zu seinem „Warten auf Godot“. Innensichten zeigt Friedrich, Bühnen, die eigentlich nicht betretbar sind. Für damalige Zeit zu abstrakt.”)

Es gibt dazu auch den Bezug zu Das Grab des Arminius . Sowohl die altdeutsche Tracht als auch der germanische Fürst Arminius gelten als Symbol für eine Freiheitsbewegung, die sich gegen die von den deutschen Herrschern ab 1819 verordnete Zensur und das zunehmende Spitzeltum richtete. 

In einem sind sich allerdings alle Werkbetrachtende und Kritisierende einig: Caspar David Friedrich benutzt die Landschaften, die er malt, als Transportmittel. Nur das, was transportiert wird, ist in den Augen der Betrachtenden eben sehr unterschiedlich.

Hier endet nun der spannende I. Teil zu Caspar David Friedrich, der zeitnah fortgesetzt werden wird. Es wäre schön, wenn Sie uns dazu Ihre Eindrücke schreiben würden unter kontakt.