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Caspar David Friedrich spricht uns an. Warum, er weiß um die Sonnenseiten und die Nachtseiten des Lebens; um die Momente, die Glück und Schmerzen zusammenbringen, um in die Untiefen der Seele einzutauchen und sie auszuloten. In seinen ‚Rückenfiguren‘ fühlen wir uns gespiegelt, darum haben seine Bilder eine Zeitlosigkeit in sich, die Erinnerungen und Erfahrungen in uns weckt. Es gibt darum auch hier im UniWehrsEL immer wieder Leserbriefe, die daran anknüpfen und um aktuelle Bezüge der „Schwarzen Romantik“ erweitern!

Als den markierten „Gipfel der Verzweiflung“ empfindet Florian Illies Caspar David Friedrichs Bild „Der Mönch am Meer“. Im Interview mit dem „Handelsblatt“ geht es wiederum um das neue Buch „Zauber der Stille“ und um die die Wirkmacht von Bildern. Dazu Illies:

„Ja, der Mönch ist vielleicht Friedrichs radikalstes Bild. Ein Selbstporträt der Verzweiflung. Dieser Mönch Friedrich fühlt sich von den Menschen verstoßen und kann Gott nicht hören, weil die Donner grollen und die Elemente toben“.

Um die Wirkmacht seiner Bilder und die Idee, auf seinen Spuren zu wandeln, geht es auch unserer Leserin Frau Behl, die uns schon öfters sehr liebevolle Beiträge, gerade auch für Kinder, gegeben hat. Herzlichen Dank auch für diese Anregungen!

Liebe Frau Dr. Wehrs,

ihren “Novemberstille”-Beitrag habe ich mit Interesse gelesen und sehe diesen Monat nach der Lektüre mit anderen Augen, da dieser Monat, trotz des schlechten Rufs des trüben, traurigen und verregneten Monats, zumal er auch den Volkstrauertag und Totensonntag beinhaltet, durchaus etwas Positives zu bieten hat.

Wie sie schon in ihrem Beitrag beschrieben haben, ist der November ein Monat des Innehaltens, Nachdenkens, der Stille, mit einem guten Buch an einem verregneten Novembertag.

Auch ich lese gerade von Florian Illies „Der Zauber der Stille“, der vorzüglich die Vergangenheit von Caspar David Friedrich, Gegenwart werden lässt. …

Anfang November, also vor gut 14 Tagen, weilte ich für eine knappe Woche im Geburtsort von Caspar David Friedrich, besuchte nochmals sein Geburtshaus mit den Kellergewölben der Seifensiederei und der Kerzenherstellung. Außerhalb der Touristenzeit ist dort wirklich Stille. Die Nachtwächterstadtführung über das teilweise noch existierende Kopfsteinpflaster versetzte mich in ein anderes Zeitalter.

Das „Caspar David Friedrich Zentrum“ bietet einen Rundgang auf den Spuren des Malers in Greifswald an. Dort werden die Plätze besucht, an denen Caspar David Friedrich einige seiner Gemälde entstehen ließ, wie z.B. die “Wiesen bei Greifswald“, die eine positive Stille ausstrahlen.

Wer Stille erleben möchte, der kann dies im November an fast menschenleeren Plätzen in der Natur erleben, und wer das Wasser und die Weite liebt, der kann sich in der Heimat von Caspar David Friedrich wiederfinden.

Der November, ein Monat der inneren Einkehr und Sinnfindung im Leben, bevor im Dezember der vorweihnachtliche Trubel beginnt. …

Viele Grüße
Antje Behl

Auch der Frühromantiker Friedrich kannte die Nachtseiten des Lebens, deutlich wird dies in Werken wie „Zwei Männer in Betrachtung des Mondes“.  Während es der Romantik, eher um große Gefühle und erhabenen Naturbilder geht, tauchen bei ihrer düsteren Schwester, der „Schwarzen Romantik“, unheimliche Landschaften, verfallene Gemäuer, Friedhöfe und die dunkle Seite der Nacht auf.

Ein Meister des schwarzromantischen Fachs in der Literatur war der deutsche Autor E.T.A. Hoffmann, über den wir schon öfters hier im UniWehrsEL berichteten wie im Beitrag der Bergwerke zu Falun.. Den “Sandmann” hat ein Leser in Frankfurt in den Kammerspielen, in einer Lesung mit Peter Schröder, erlebt. Hier mit Dank der Auszug aus seinem Brief ans UniWehrsEL:

Liebes UniWehrsEL,

Hier die Ankündigung der Kammerspiele Frankfurt, falls Sie den Inhalt noch nicht kennen sollten:

„Der Student Nathanael wird vom Wetterglashändler Coppola aufgesucht, der ihm etwas verkaufen möchte. Zu seinem Entsetzen meint Nathanael in diesem den Advokaten Coppelius wiederzuerkennen: Den Sandmann, den Schrecken seiner Kindheit. Vergebens bemüht sich Nathanael seine traumatischen Erinnerungen zu überwinden, erst durch seine Liebe zu Clara besinnt er sich wieder. Doch der zweite Besuch Coppolas wird sein Schicksal besiegeln: Nahezu unentrinnbar wird er durch ein Glas zu Augenblicken verführt und es verschmelzen Innen und Außen, Traum und Wirklichkeit …“

Und mein eigener Kommentar dazu:  … Die Lesung von „der Sandmann“ war toll. Der Schauspieler Peter Schröder hat sehr spannend die Geschichte vorgetragen. Die Veranstaltung dauerte rund 80 Minuten. Besonders schön war, als er seine Stimme verstellt hat und damit den Wahnsinn von Nathanael zum Ausdruck gebracht hat …

Übrigens, diese von Hoffmann geschaffene Welt der Dämonen und Wiedergängern bezeichnete Johann Wolfgang von Goethe als „krankhaft“. Edgar Allen Poe hingegen war dadurch äußerst inspiriert. Über Goethes Ablehnung zu den Bildern Caspar David Friedrichs hatten Sie uns ja schon beim Beitrag der „Novemberstille“ berichtet. Aber wußten Sie auch, dass dies auch für E. T. A. Hoffmann galt?

Und last but not least ein schauriger Alptraum und ein Bild des Wahnsinns, findet sich auch für mich im Frankfurter Goethe-Haus. Ich spreche von „Der Nachtmahr“ von Johann Heinrich Füssli, den ich in der Ausstellung „Traum und Wahnsinn“ erleben durfte. Da sitzt ein gruselig-hässliches Monster auf der Brust einer schönen schlafenden Frau und nimmt ihr die Luft zum Atmen, während ein schauriges Geisterpferd mit leeren Augen durch einen Vorhang hereinglotzt. Ein Fantasiebild des „Wilden Schweizers“, der die englische „Gothic Novel“-Bewegung mit schaurigen Bildern zu den großen Erzählungen von Shakespeare, Dante oder John Milton bewegte.

Mit besten Grüßen und Dank für das wunderbar anregende „Traumseminar“!