Du betrachtest gerade Kommentar zu „Krimitime im UniWehrsEL – „Seid nett zu Mr. Orton“

Er war der Shooting-Star der Londoner Theaterszene und seine Krimi-Komödien – ich bin nicht sicher, ob man seine Stücke als solche bezeichnen kann, – brachten ihn bei der Theaterkritik den Titel eines „Oscar Wilde des Wohlfahrtstaats“ ein, so konnte ich es seinerzeit zumindest in der FAZ unter dem Titel „Seid nett zu Mr. Orton“ nachlesen. Gerade in seinen Tagebüchern offenbart er viel über die Roaring Sixties, in dem das Fernsehen zum Massenmedium wird und Popkultur den Alltag verändert. Ein Kommentar zu „Krimitime im UniWehrsEL“ mit herzlichem Dank!

Lieber Kulturbotschafter des UniWehrsEL,

mit viel Vergnügen habe ich ihre Ausführungen zu „Seid nett zu Mr. Sloane“ (1964 uraufgeführt) und „Was der Butler sah“ (1969) gelesen. Ergänzen möchte ich dies durch seine posthum veröffentlichten Tagebücher, die sich wirklich wie ein Krimi darstellen: Ungeniert, mit sehr viel „Homo-Sex“ und schließlich fatalen mörderischen Folgen für den Protagonisten, wie Sie es uns bereits geschildert haben. Der schwarze Humor, der die Theaterstücke durchzieht, ist auch hier zu finden. Sein Tagebuch ist wenig psychologisierend, einfach nur ein Blick auf einen Lebensstil, abseits der gängigen Moral. Seine Stücke verstand er selbst als „eine gezielte Satire auf schlechtes Theater“. Dafür sind seine Tagebücher schonungslos offen.

Sein Denken war wie sein Sexualleben zügellos und tabulos, ein Genießer ohne Scham, der sich selbst in den Mittelpunkt seines Lebens und seiner Erfahrungen stellte. Da vor 1967 homosexuelle Handlungen zwischen erwachsenen Männern bestraft wurden und das Erwachsenenalter auf einundzwanzig festgesetzt war, lebte Orton seine Neigungen zwar hinter verschlossenen Türen, dennoch in öffentlichen Anstalten und Toiletten aus. Der amerikanische Soziologe Laud Humphreys schrieb in den 70er Jahren eine ethnologische Studie darüber unter dem Titel Tearoom Trade: Impersonal Sex in Public Places.

Das führt nun zu unserem kommenden Seminar der „Exzesse, Ekstase und Askese„, in dem der bekannte Philosoph Franz Josef Wetz unter anderem Exzesse der Lust und andere „wilde Schlammschlachten“ unter die philosophische Lupe nimmt. Ähnlich wie vor ihm auch Orton plädiert Wetz für das, allerdings kontrollierte, Ausleben menschlicher Triebe – um noch tiefere Abgründe zu vermeiden.

Weiter gedacht kommen wir zum Thema der Sexualität im Wandel der Zeiten und zur aktuellen Ausstellung „Apropos Sex“ im Museum für Kommunikation. Was Orton offenbar mühelos gelang, nämlich Sex mit Worten zu beschreiben, gelingt durchaus nicht jedem. Da spielen wohl Kultur, Erziehung und die öffentlichen Medien eine große Rolle. Von Orton über Humphreys, der übrigens „under cover“ seine Studien betrieb und darum heftig kritisiert wurde, hin zu heutiger Wahrnehmung über Sexualität war es ein langer, oftmals steiniger Weg. Das Museum für Kommunikation wirbt selbst damit „Raum für Reflexion, Neugier und Dialog über die schönste Nebensache der Welt“ zu bieten. Realisiert werden konnte dies durch die finanzielle Förderung der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung.

Habe ich Sie nun neugieig gemacht? Auf einen Kommentar Ihrerseits freut sich ein ebenfalls im verborgenen Recherchierender UniWehrsEL-Leser

Danke für das Bild des Tagebuchs von Alana Jordan auf Pixabay

  • Beitrags-Kategorie:Blog
  • Beitrag zuletzt geändert am:7. Oktober 2024
  • Lesedauer:4 min Lesezeit