„Wie findet der Mensch Orientierung in einem ihn überfordernden Dasein?“ dieser Frage geht Franz Xaver Kroetz in “Mensch Meier“ am Beispiel einer durchschnittlichen Familie nach. Der Kulturbotschafter des UniWehrsEL hat sich im Schauspiel Mainz das Stück für uns angesehen.
Guten Morgen,
das Schauspiel Mainz zeigt in dieser Spielzeit drei (sozial)kritische Volksstücke, die gemeinsam einen Schwerpunkt bilden. Gezeigt wird “Glaube Liebe Hoffnung” von Ödön von Horvath, Mutter Courage von Bertolt Brecht und “Mensch Meier” von Franz Xaver Kroetz.
Am 09.04. habe ich mir nun das letzte Stück des Zyklus angeschaut. Im Gegensatz zu den ersten beiden Stücken ist es weniger prominent und fand auch nicht im Schauspielhaus statt, sondern in U17. U 17 ist die Kammer des Staatstheater Mainz und steht für 17 Meter unter der Erde. So tief ist diese, über eine scheinbar endlose Treppe begehbare, Spielstätte gelegen. Ich nutze diesen Spielort sehr selten. Ungefähr 150 Menschen finden dort Platz. Gestern waren aber ca. 20 Zuschauer dabei. Also ausreichend wenig, um bequem Abstand halten zu können.
In dem Stück Mensch Meier geht es um eine Durchschnittsfamilie aus den 1970er Jahren in der Bundesrepublik Deutschland. Herr Meier ist Alleinverdiener, seine Frau Martha ist Hausfrau, und der 17jährige Sohn ist gerade mit der Schule fertig geworden. Das Stück spielt in drei Akten. Zu sehen ist eine kleine Wohnung.
Herr Meier ist ungelernter Arbeiter. Die Mutter wünscht sich für ihren Sohn eine Ausbildung, z. B. als Bankkaufmann. Doch leider ist der Schulabschluss des Sohns dafür zu schlecht. Sitzen die drei Familienmitglieder am Anfang noch einträchtig zusammen, so beginnt nach kurzer Zeit eine Anspannung, weil der Sohn nicht in die Gänge kommt. Der Vater beginnt mit bösen Sticheleien und nennt den Sohn einen „Tagedieb“. Nicht normal!
Der Sohn ist mit seiner Situation auch unzufrieden. Die Mutter versteht nicht, warum der eingeplante „gesellschaftliche“ Aufstieg des Sohnes auf sich warten lässt. Sie will ihn jedoch nicht dazu drängen den selben Lebensweg wie der Vater einzuschlagen, weil dieser sichtbar unzufrieden mit seiner gesellschaftlichen Stellung ist. Der Vater träumt sich beim Modelflugzeugbau in eine andere berufliche Laufbahn hinein.
Im zweiten Akt verschärft sich die Situation in der Familie. Der Sohn möchte auf ein Musikfestival gehen und braucht dazu 50 Mark. Die Antwort des Vaters, dann soll er halt arbeiten gehen, führt zu einer Kettenreaktion. Der Sohn stielt 50 Mark aus der Haushaltskasse der Mutter. Dieser Diebstahl wird beim monatlichen Einkauf der Mutter bemerkt und führt zu einer Konfrontation zwischen Vater und Sohn. Der Vater filzt den Sohn. Dieser muss sich nackt ausziehen und fühlt sich gedemütigt. Später erfährt der Zuschauer, dass der Sohn das Geld tatsächlich genommen hat und damit auf das Musikfestival geht. Die drei Tage Abwesenheit des Sohns führen zu Spannungen zwischen Mutter und Vater. Die Mutter meint, der Vater habe den Sohn vertrieben. Der Streit eskaliert in einem unkontrollierten Wutanfall des Vaters. Er zerschlägt die Möbel der Wohnung. Damit endet der zweite Akt.
Der dritte Akt zeigt nun die Veränderung durch den Wutausbruch des Vaters. Der Sohn hat sich eine Lehrstelle als Mauerer gesucht, weil er nicht mehr von dem Vater abhängig sein will und auch die Sticheleien nicht erträgt. Auch die Mutter ist ausgezogen und hat sich eine Arbeit gesucht. Sie arbeitet in einem Warenhaus bei Karstadt als Beraterin. Die Versuche des Vaters die Familie wieder zu sich zurückzuholen scheitern. Da Mutter und Sohn so wenig Geld verdienen, können sie sich nicht eine gemeinsame Wohnung leisten. So bleibt jeder vereinzelt für sich alleine zurück. Die Figuren scheinen bitter geworden. Es ist ein trauriges Ende.
Die Inszenierung von K.D. Schmidt zeigt ein graues Baukastenset. Zu sehen eine Küche, ein Sofa, Stühle, ein Tisch und Bett. Alles wirkt steril und praktisch. Die Figuren kommen sich nicht näher. In ruhiger Weise mit musikalischen Unterbrechungen spielt sich der Theaterabend ab. Holger Kraft spielt den Herrn Meier, zwischen Herr im Haus und Pedant, wenn er sich um einen verliehenen Kugelschreiber mehr Gedanken macht, als um den Sex mit der Frau oder die Zukunft des Sohnes.
Die Mutter – Anne Steffens – wirkt zunächst wie die Vermittlerin zwischen Vater und Sohn. Sie führt den kleinen Haushalt und sorgt sich um die Männer. Später wirkt sie unzufrieden mit der neuen Rolle als Verkäuferin, aber auch entschlossen, nicht mehr zum Vater zurückzukehren. Ihr einziges Vergnügen ist, ihm zu erzählen, sie hätte einen neuen Liebhaber auf der Arbeit kennengelernt. Dies kontert der Vater mit seiner Erzählung, er wäre bei einer Nutte gewesen. Der Sohn – David Mayer – wirkt erst glücklich in der Familie. Dann unzufrieden über die Arbeitslosigkeit, beschämt als Dieb und später entschlossen, alleine klar zu kommen.
Lust bekommen, Mensch Meier selbst einmal zu sehen? Dazu ist noch bis zum16.05.22 Gelegenheit.