Einen ganz besonderen Schwerpunkt im Kontext der melancholischen Gefühle bildet die Solastalgie. Es geht um die kaum zu beschreibende Traurigkeit, wenn man sich der Zerstörung und des Verlustes seiner Heimat gewahr wird. Geprägt wurde der Begriff 2005 durch den australischen Naturphilosophen Glenn Albrecht. “Der Begriff Solastalgie ist ein Neologismus, eine Kombination aus dem lateinischen Begriff sōlācium (Trost) und der griechischen Wurzel -algia (Schmerz, Leiden, Krankheit). Im Kontrast zu räumlich und zeitlich entfernten Dimensionen der Nostalgie, definiert Albrecht Solastalgie als den Schmerz bei der Erkenntnis, dass der Ort, an dem man wohnt und den man liebt, hier und jetzt verletzt bzw. angegriffen wird.”
Der Kulturbotschafter des UniWehrsEL plant, sich in den Frankfurter Kammerspielen das Stück “Solastalgia” anzusehen und uns seinen Eindruck dazu zu schildern.
Herzlichen Dank dafür!
Liebes UniWehrsEL,
heute werde ich mir in den Kammerspielen das Stück “Solastalgia” anschauen. Der Begriff wurde von dem Naturphilosophen Glenn Alberecht geprägt. Es geht nicht um Krieg, sondern um Klimawandel und Waldzerstörung. Eine Frau mit griechischer Maske ist in den Probenfotos mit einem Müllbergkleid angezogen. Da bekommt das Wort ‘recycling’ eine ganz neue Bedeutung. Die Masken erinnern an die griechische Mythologie mit der ich umgehen kann. Interessanterweise führt der Autor des Textes, Thomas Köck, gleich selbst die Regie. Die Sprache des Stücks scheint kompliziert zu sein.
Anleihen werden wohl auch bei Dantes Inferno genommen wie ich es auch in der Kritik von Harald Raab nachlesen kann. Das Staatstheater Darmstadt hatte einen zweiteiligen Leseabend mit Uwe Zerwer – heute Schauspieler in Frankfurt – über Dantes Inferno vor ca. 10 Jahren abgehalten. Ich kann mich noch gut daran erinnern. Es ist eine Kooperation mit dem Theater Weimar. Ich werde das Stück aufmerksam verfolgen.
Bin sehr gespannt darauf und grüße herzlich!
Liebe UniWehrsEL-Leser, hier mein Kommentar!
Der Autor und Regisseur Thomas Köck lässt die drei Schauspielerinnen im Chor sprechen. Die Handlung hat zwei Stränge; eine Protagonistin erkennt, dass ihr Vater depressiv ist und weiß nicht wie sie ihm helfen soll. Er ist nicht krank genug fürs Krankenhaus und muss daher selbst klarkommen. Im zweiten Strang geht es um den Wald. Dazu werden interessante Details verraten, wie etwa, dass die Fichtenhölzer von anderen Ländern nach Deutschland exportiert worden sind, weil man im 19. Jahrhundert schnell wiederaufforsten wollte. Nun bedroht der Klimawandel die eingewanderten Fichten und sie sollen als Lösung durch neue Exporthölzer, die mehr Hitze vertragen, ersetzt werden. Dass dies den Vater der Protagonistin, der Förster ist, depressiv macht, ist dann ein Kunstgriff. In einem dritten Strang geht es um schlechte Arbeitsbedingungen, unfaire Löhne, allgemeine Kapitalismuskritik. Die drei Stränge werden miteinander verwoben wie ein Teppich.
Das Stück sprach sehr wenig das Herz des Zuschauers an, sondern konzentrierte sich auf das schnelle Vortragen von gesichteten Fakten über Waldsterben, schlechte Arbeitsbedingungen, mangelhaftes deutsches Gesundheitswesen. Das machte die Veranstaltung mühsam und sehr belehrend. Das reine Benennen von Fakten schafft keine Lösungen und ist auch nicht sehr unterhaltsam. Der Stil des trockenen Vortrags erinnert an Elfriede Jelinek, die dem Publikum auch Häppchen auftischt, mit denen der Zuschauer umgehen muss. Manches ist dann ganz verzwickt. Alles wird im Chor gesprochen oder auch mal laut geschrien. Schreien ist nicht so mein Ding, es ist nur laut, hilft aber nicht, den Inhalt besser zu verstehen. In die Kunstsprache glitt das Stück an einer Stelle ab, als einfach biologische Namen von Bäumen aufgezählt wurden und am Ende die Namen als Gesang auf die Melodie „Time to say goodbye“ aufgelistet wurden.
Die Bühne hatte einen Bezug zu Dante. Der Zuschauer schaute in ein dampfendes Höllenloch und sah Bilder von einem kranken Wald. Wenn der Wald krank ist, ist auch der Mensch oder der Förster krank. Dazu gab es laute Blasmusik und noch lauteres Reinrufen von Parolen wie auf einer Demo. Der Erkenntnisgewinn für den Zuschauer war eher gering, wenn er sich nicht schon vorher mit dem Thema Waldsterben auseinandergesetzt hat. Was will der Text dem Zuschauer sagen? Das bleibt dem Zuschauer rätselhaft. “Hier im irdischen Jammertal bleibt uns nichts als eine Qual” so frei nach dem „Freischütz“ könnte das Stück zusammengefasst werden.
Die Kostüme mit Masken und Bauarbeiterwesten haben mir am besten gefallen. Die fünf Schauspielerinnen (ausschließlich Frauen!) haben den Text vorgetragen und Blasmusik gemacht. Das Beste war das Müllkleid, das eine Schauspielerin zur Demonstration angezogen hatte, und welches sie fast nicht mehr alleine ablegen konnte.
Das ist wohl wirklich schwere Kost! Ich bin sehr gespannt, ob es dazu weitere Leserbriefe geben wird.
Danke an das Bild des höllischen Infernos von Gordon Johnson auf Pixabay.