Fabian oder der Gang vor die Hunde ist ein Sozialdrama von Erich Kästner. Gerade ist Fabian in aller Munde, weil auch ein neuer Kinofilm über den Stoff herausgekommen ist. Im Staatstheater Darmstadt ist es ein großes Ensemblestück.
Berlin 1931, Wirtschaftskrise und Unsicherheit. Jakob Fabian arbeitet tagsüber als Werbetexter in einer Zigarettenfabrik, nachts zieht er mit seinem besten Freund Labude durch Kneipen, Bordelle und Künstlerateliers. Im Gegensatz zu seinem wohlhabenden Freund bleibt Fabian dort ein distanzierter Beobachter. Auch mit den herrschenden Zeiten der Unsicherheit, denen sich Labude mit politischem Aktivismus entgegenzusetzen versucht, kann Fabian nicht viel anfangen und kommentiert die Geschehnisse ironisch. Während sich Labude nach einer tragischen Trennung Hals über Kopf in Exzesse und Affären stürzt, lernt Fabian eines Tages die selbstbewusste Rechtsreferendarin Cornelia Battenberg kennen. Eine Frau, die eigentlich der Männerwelt abgeschworen hat und keine neue Beziehung sucht. Für Fabian aber ist sie der Lichtblick am düsteren Berliner Nachthimmel. Durch Cornelia gelingt es Fabian für einen Moment, seine pessimistische Grundhaltung abzulegen – bis auch er einer Entlassungswelle zum Opfer fällt.
„Inhaltlich könnte man beim Lesen der Zusammenfassung an Franz Biberkopf denken, – über ihn haben wir im UniWehrsEL schon einmal berichtet, – zumal auch eine Darmstädter Hausband mit dabei ist, die auch den Struwwelpeter betreut“, so schreibt es uns der Kulturbotschafter des UniWehrsEL. Er hat das Stück für uns besucht und beschrieben. Vielen Dank dafür!
Liebes UniWehrsEL,
gestern war ich in Fabian oder der Gang vor die Hunde im großen Haus des Staatstheater DA. Es war eine tolle Schauspielproduktion mit Band. Seit der Serie Babylon Berlin sind die 1920er Jahre sehr beliebt beim Publikum. Das Sozialdrama Fabian spielt zwischen den 1920er Jahren, mit Partys und Spaß, zum Übergang in die 1930er Jahre mit der Machtergreifung Hitlers. Fabian ist Texter und sehr selbstbewusst. Er fordert von dem dicken Chef mehr Geld, was diesen verärgert und er deshalb seinen Job verliert. Er reiht sich dann ein, in das Meer der Arbeitslosen. Das Stück ist eine Satire – deshalb werden die Szenen überspitzt dargestellt. Fabian zeigt die Welt der Nachtclubs, Bars und Bordelle. Es herrscht Trubel. Natürlich spielt dieses Stück in der Großstadt Berlin.
Es zeigt wie die Leute überleben. Fabian begegnet der Puff-Mutter Irene Moll, die ihn in ihre illegalen Geschäfte hineinziehen will. Fabian ist aber Moralist und kann deshalb nicht in die halbseidene Welt des Verbrechens einsteigen. Er trifft seine große Liebe Cornelia Battenberg, die in seiner Nachbarschaft wohnt und mit der er ein Verhältnis hat, bis sich diese einen reichen Mann beim Film angelt. Ein großer Schlag für Fabian ist es, als sich sein bester Freund selbst umbringt.
Stephan Labude ist ein großer Idealist und schreibt seine Dissertation. Durch eine gehässige Fehlmeldung eines Mitarbeiters am Lehrstuhl glaubt er, dass seine Professorin seine Arbeit für so schlecht hält, dass sie diese nicht veröffentlichen will. Dies war nur ein Scherz eines Neiders. Aber er sorgt dafür, dass sich Labude tötet.
Fabian findet keinen Halt bei seiner Familie und hat auch Angst vor den Nazis, die ihm einen Job bei einer Parteizeitung anbieten. Er will ins Ausland mit dem Geld des verstorbenen Freunds.
Doch dann begegnet ihm ein Kind, dass er vor dem Ertrinken retten will, aber er kann selbst nicht schwimmen.
Umrahmt wird diese Handlung von 20er Jahre Songs vorgetragen von Louise von Spies, die an Marlene Dietrich erinnert. Manchmal stehen diese Songs im krassen Gegensatz zur düsteren Handlung. Sie wirken deshalb auch wie Durchhalteparolen, z.B. wenn ein Arbeitslosenchor „irgendwo auf der Welt gibts ein kleines bisschen Glück“ singt. Das wirkt trotzig.
Einmal wird die Frage aufgeworfen, was wäre, wenn sich die Arbeitslosen nicht mit Almosen aus der Fürsorgekasse abspeisen ließen? Es ist einer dieser Gedankenblitze, die in dem Stück auftauchen und dann wieder vergehen. Neben Elend gibt es leuchtende Werbereklamen und Filmausschnitte. Manchmal ist die Inszenierung besonders ironisch, wenn sie nach der Perspektive der Frauen fragt – sind sie den Männern böse, weil sie sie nicht beachten, weil sie sie schwängern und dann sitzenlassen? Der 1. Weltkrieg sorgt dafür, dass es weniger Männer für eine Heerschar von Frauen gibt.
Die Geschichte wird überbordend erzählt. Insgesamt drei Stunden inclusive Pause von 20 Minuten. Der Zuschauer taucht in diese Welt ein und sieht, wie Fabian wörtlich vor die Hunde geht. Die Inszenierung ist von Christoph Mehler, dem Hausregisseur des Schauspiels Darmstadt. Die Schauspieler spielen bis zu fünf Rollen z.B. Karin Klein als Fräulein, Klum, Direktor, Professorin, SA-Mann.
Mich erinnert das Stück stark an Brechts Dreigroschenoper. Kästner schlägt auch leise Töne an – das gefällt mir daran.
Ja, lieber Kulturbotschafter, Dein Eindruck ist absolut richtig. Die Theaterform der Neuen Sachlichkeit ist hervorstechend und bedeutete einen Bruch mit Bisherigem. Bertolt Brecht entwickelte das epische Theater, welches im Gegensatz zum aristotelischen Theater der Antike stand. In der klassischen Dramentheorie von Aristoteles besteht ein Drama aus Exposition (Einführung), steigender Handlung, Höhe- und Wendepunkt, fallender Handlung und der Lösung oder Katastrophe. Das ist sehr gut nachzuvollziehen bei Thomas Mann und seinem „Tod in Venedig“.
Wichtige Autoren der Neuen Sachlichkeit sind
- Erich Kästner (1899–1974), z.B. „Fabian – Die Geschichte eines Moralisten“
- Bertolt Brecht (1889–1956), z.B. „Die heilige Johanna der Schlachthöfe“ oder „Dreigroschenoper“
- Carl Zuckmayer (1896–1977), z.B. „Der Hauptmann von Köpenick“
- Kurt Tucholsky (1890–1935), z.B. „Angestellte“
Danke für das Retrobild von Ri Butov auf Pixabay