Einer, der im Kontext von Rausch, Ekstase und dem Dionysischen nicht fehlen darf, ist Lovis Corinth. In seinen Werken spielen „Bacchuszug“ und „Bacchanale“ seit den 1890er Jahren eine große Rolle. Corinths eigenwillige Interpretationen klassischer Bildthemen, rund um den Gott Bacchus (Dionysos), changieren zwischen Burleske und Satire. Wir berichteten bereits darüber, dass Dionysos (Bacchus), als der griechische Gott des Weines, zuständig ist für Vegetation und Vergehen. In der griechischen Antike war er das Thema von vielen Komödien und Tragödien. Dazu ein Leserbrief, mit großem Dank!
Liebes UniWehrsEL,
mir hat Corinths anregende „deftige Sinneslust“ nochmals einen erweiterten Blick zum Gott Bacchus eröffnet. Im Georg-Schäfer-Museum in Schweinfurt begeisterte mich ein Selbstporträt des Malers Lovis Corinth. Er stellt sich selbst als Gott des Weins Bacchus dar. Ein Selbstportrait, natürlich im Rausch, mit Weinlaub im Haar. Corinth hatte auf diesem Bild keinen „Six-Pack“, sondern einen dicken Bauch, war also nahe am Pan dran. Wieder einmal eine Variante seines beliebten Motivs der sexuellen Lust und Lebensfreude, bekannt durch seine leicht bekleideten „Bacchantinnen“.
Die Berliner Galerien erwerben in 2021 laut Pressemitteilung einen 11teiligen Bacchantinnen-Zyklus. Der Zyklus entstand rund um das Gemälde Bacchant von 1913. Der Bacchant ist das Gegenstück zur Bacchantin. Es zeigt eine lebensgroße Figur mit Weinlaub und Trauben im Haar. Sehr kleidsam ist das Fell, welches der Bacchant trägt. In der Hand hält er ein Tamburin. Der Typ ist also auch noch musikalisch. Dazu noch gertenschlank im Gegensatz zu dem Bacchus aus dem Georg-Schäfer-Museum. Fehlt dem Kerl, der in den Berliner Galerien hängt, nur sein Bacchus-Stab, den sogenannten „Thyrsosstab“. Eine gute Stütze für den, der dem Wein zu stark zugesprochen hat. Eine Verwechslung mit anderen Göttern, wie etwa Zeus, ist zudem somit nahezu ausgeschlossen.
Ein Tierbändiger ist dieser Bacchus auch noch. Zu seinen Füßen bewegt sich ein Leopard. Das Tier hört auf seine Bewegungen. Kein „Pferdeflüsterer“ wie Robert Redford in dem berühmten gleichnamigen Film, sondern ein Leopardenflüsterer. Na, so was. Da hat Corinth viel künstlerische Phantasie aufgebracht.
Der Künstler bedient sich recht schonungslos der Themen aus der griechischen Mythologie. Im Zyklus wird auch zum Beispiel die Rückkehr des Odysseus gezeigt, nach dem Epos von Homer, sowie einige Szenen aus dem höfischen Epos „Der rasende Roland“ – gibt es auch als Oper z.B. von Händel – von Ludovico Ariost inspiriert. Homer und Ariost sind ebenfalls Motive im Zyklus. Sie tragen ihre Werke vor.
Die Themen Rausch, Ekstase und das Dionysische tauchen im Werk von Corinth mehrmals auf. Er hat sich mehrfach als Bacchus selbst dargestellt. Dabei ist er in seiner Darstellung sehr frei. Manchmal tragen seine Bilder die Züge von Satire. Anscheinend war Corinth nicht nur an dem Thema Bacchus und Wein interessiert, sondern fand dazu die nötige ironische Distanz. Es geht ihm weniger um die Darstellung von einer fernen Zeit, sondern eher um eine Neuinszenierung eines alten Stoffes. Seine Darstellung erinnert den Betrachter an eine Aufführung im Theatersaal.
Viele Künstler aus Corinths Zeit haben historische Themen gemieden. Daher ist es umso schöner, dass Corinth dies anders gehandhabt hat. Trotz des “alten Motivs” zeigt sich der Künstler sehr einfallsreich, dieser alten Storyline neues Leben und neue künstlerische Impulse einzuhauchen. Deshalb war ich etwas überrascht, keine Erwähnung der Bilder von Lovis Corinth bei Ihrer Schilderung über den Dionysos-Kult zu entdecken.
Im Frankfurter Städel zeigt sich Lovis Corinth mit einem eher züchtigen Motiv, einer Darstellung von „Carmencita“. Es entstand nach einem lustigen Abend, laut Corinth, und zeigt seine Frau Charlotte Berend-Corinth im Carmen-Motiv. Ich gehe davon aus, dass mit „Carmen“ die berühmte Opernfigur gemeint ist, oder zumindest angedeutet wird. Achtzigmal hat der Maler seine Frau als Modell für eines seiner Gemälde verwendet.
Laut Städel geht es dem Maler beim Schaffen des Gemäldes weniger um eine genaue Darstellung des Körpers, als um den Moment, der nach einem rauschenden Fest gefühlt wird. Es entstand 1924 und zeigt seine Frau im Kostüm einer spanischen Edelfrau, mit langen schwarzen Haaren. Da saß ihm wohl der Schalk im Nacken. Bei der Entstehung des Gemäldes lief anscheinend die Musik von Carmen im Hintergrund. Der Maler malte „Carmencita“ als Fest, ähnlich einer Eventveranstaltung. Wieder Rausch und Ekstase als seine Lieblingsmotive für seine Kunst.
Danke für das Bild von Bacchus von Eveline de Bruin auf Pixabay