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Weihnachten naht und wird jetzt schon im 2. Jahr anders verlaufen, als wir es von früher her vielleicht gewöhnt sind. So gehörte der Besuch eines Weihnachtsmärchens in der Oper für den Einen oder die Andere zu einem festen Ritual. Inzwischen können oder wollen sich viele Menschen nicht mehr auf dieses Ritual einlassen. Es gilt zu viele Voraussetzungen zu beachten. Nachweise, Maskenpflicht, Abstandsregeln, Platzierung im Schachbrettmuster, reduzierte Saalbelegung, Neuplatzierung, das sind die aktuellen Zugangsvoraussetzungen in der Alten Oper. Einen, den dies alles nicht abgehalten hat, ist der Kulturbotschafter des UniWehrsEl. Und so lässt er uns ein wenig teilhaben an Nikolai-Rimski-Korsakowas selten gespielter Oper „Die Nacht vor Weihnachten“. Vom Premierenpublikum trotz aller Widrigkeiten im Vorfeld bejubelt, brauste es gewaltig beim Schlussapplaus. Hier nun der Kurzbericht:

Liebes UniWehrsEL,

die Oper „Die Nacht vor Weihnachten“ ist eine Ausgrabung der Oper Frankfurt. Sie basiert auf einer Kurzgeschichte von Gogol. Gogol ist auch der Autor von “Die Nase” (hier auch unser Beitrag „Die Nase verlieren“).  Seine Texte sind satirisch. Der russische Komponist Rimski-Korsakow hat die Story aufgegriffen und ausgebaut. Seit einigen Jahren werden seine Opern in Deutschland z.B. bei der Deutschen Oper Berlin aufgeführt. In einer solchen Aufführung war der Regisseur Christoph Loy (hier auch unser Beitrag zu Peter Grimes INTERDISZIPLINÄRES GESPRÄCH). Loy war tief beeindruckt von der Menschenfreundlichkeit mit der Rimski-Korsakow seine Figuren ausgestaltet. Nachdem Loy in der letzten Spielzeit einen russischen Liederabend für die Oper Frankfurt inszeniert hat – der lief in „Arte Conzert“ – wollte er gerne eine russische Oper ausgestalten. Der bekannteste Fan der russischen Oper war der verstorbene Regisseur Harry Kupfer, der in Frankfurt „Der Spieler“ und „Iwan Sussanin“ zur Aufführung brachte.Die Handlung der Oper ist schnell erzählt. Sie ist quasi die russische Antwort auf den „Liebestrank“ oder „L’elisir d’amore“ von Gaetano Donizetti. Ebenso wie im Liebestrank geht es um eine schöne wählerische junge Dame, welche die Annäherungsversuche eines verzweifelten jungen Mannes abwehrt, weil er nicht als standesgemäß empfunden wird. Zwar ist dieser junge Mann nicht wie „Nemorino“, der einfache Bauer, der in die reiche Pächterin Adina verliebt ist. Sein Malus ist, dass seine Mutter als die ‚Dorfhexe‘ gilt. Welche ehrwürdige Familie will schon mit der Dorfhexe verwandt sein? Daher gibt es eine klare Absage.

Die Dorfhexe steht tatsächlich im Bund mit dem Teufel und führt ein geheimes Eigenleben, von dem ihr braver Sohn nichts ahnt. Sie verführt reihenweise die Dorfhonoratioren. Sei es der Bürgermeister, der Priester, der Amtmann. Alle erliegen ihrem Charme. So gibt es im ersten Teil eine lustige, aber etwas plumpe Storyline, in der die Dorfhexe ihre Liebhaber vor einander in Säcken versteckt und diese durch die Gutherzigkeit ihres Sohnes aus Versehen enttarnt werden. Er schleppt die Säcke mit den fünf Liebhabern drin ins Dorf, und so erlebt die Dorfgemeinschaft wie fünf Liebhaber aus Säcken steigen. Neben solchen Spaßszenen bietet Rimski-Korsakow auch poetische Szenen an. Eine einsame Zarin ist gerührt von dem edlen Herzen des jungen Mannes und schenkt ihm ihre “goldenen Schuhe”. Dies war die Bedingung, die die kapriziöse junge Frau ihrem Verehrer zur Aufgabe gestellt hatte und die ihm in die Verzweiflung getrieben hat. Er wendet sich an einen Teufel und fliegt mit ihm nach Moskau zur Zarin. Pünktlich in der Nacht vor Weihnachten landet er wieder bei seiner Angebeteten. Jetzt darf er sie als Weihnachtswunder endlich heiraten. Alle Standesschranken werden aufgehoben. Neben diesem Paar gibt es noch eine einsame junge Frau – die jungfräuliche Göttin Kojada die ebenfalls ihren Traumprinzen findet.

Die Inszenierung von Christof Loy zeigt einen weißen Setzkasten, der zunächst kalt wirkt. Das zeigt das Ausgeschlossensein des jungen Mannes, der im Dorf verspottet wird – eine Gemeinsamkeit mit „Nemorino“ oder auch wie in der Oper „Der Freischütz“ von Carl Maria von Weber. Auch im „Freischütz“ muss der Held erst eine Aufgabe lösen, bevor er die Geliebte erringt. Das haben Oper und Märchen gemeinsam. Der Held oder die Heldin müssen erst gefährliche Aufgaben bewältigen, dann gewinnt das Gute und es gibt die Belohnung. Opulent ausgestattet ist die Szene in der der junge Mann die Zarin trifft und ein russischer Hofstaat aufläuft. Da wähnt sich der Zuschauer doch glatt im klassischen russischen Ballett „Der Nussknacker“ aufgrund der russischen Tänzer. Neben der Hexe gibt es weitere Geisterwesen, die den Menschen begegnen z.B. eine übergroße Puppe. Die Oper hat also verschiedene Ebenen und Elemente. Das sorgt für einen abwechslungsreichen Abend. Auch musikalisch wird dem Zuhörer einiges geboten von russischer Volksweise bis hin zu Klängen aus dem „Freischütz“ ist alles dabei.

Die Oper Frankfurt setzt somit ihre Tradition auch russische Opern auf den Spielplan zu bringen erfolgreich fort. Am Ende wird es sehr schön weihnachtlich. 

  • Beitrags-Kategorie:Alltagskultur / Blog
  • Beitrag zuletzt geändert am:15. Dezember 2021
  • Lesedauer:5 min Lesezeit