„Was sie schon immer über Sex wissen wollten, aber bisher nicht zu fragen wagten (1972) ist ein komödiantischer Episodenfilm von Woody Allen rund um das Thema Sex, indem unter anderen ein Hofnarr im Mittelalter am Keuschheitsgürtel verzweifelt, nachdem er der Königin ein Aphrodisiakum verabreicht hat; oder ein Doktor tiefere Gefühle für ein Schaf entwickelt. „Apropos Sex“, wie beeinflussen Medien eigentlich unsere Vorstellungen von Erotik? In der Ausstellung im Museum für Kommunikation Frankfurt wird unter anderem dieser Fragestellung nachgegangen. Unser Kulturbotchafter des UniWehrsEL teilt seine Gedanken mit uns. Besten Dank dafür!
Liebes UniWehrsEL
Sexuelle Phantasien äußern sich höchst unterschiedlich, so z.B. in dem ersten britischen Sexfilm „Was der Butler sah“, indem der Butler durch ein Schlüsselloch schaut und ein nacktes Mädchen bei der Morgenwäsche beobachtet. Eine andere sexuelle Phantasie könnte Francis Ford Coppolas Film „Dracula“ gelten: Dort stürzen sich zwei wildgewordene Vampirfrauen auf den unschuldigen naiven Rechtsanwalt Harker, um ihn zu wildem Sex zu bringen. Der Regisseur Copola feiert gerade mit 85 Jahren seine Comback im Kino mit dem Film „Megalopolis“.
Francis Ford Coppolas Science-Fiction-Epos, verhandelt den Niedergang des Alten Rom in einem New York der Zukunft neu. Dargestellt wird eine exzessive Gesellschaft im Vollrausch mit wilden Sexorgien. So deuten es die Trailer an. Doch Sex Sells scheint hier nicht zu ziehen, bei Kosten von 100 Millionen Dollar. Der Film spielte bisher nur ca. 10 Millionen wieder ein. „Sex sells“, aber wohl nicht immer. So musste es auch die Elektronikmarke Mediamarkt erfahren, als sie ein Plakat mit einer Frau mit drei Brüsten und dem Spruch „Hier ist mehr für Sie drin“ bewarb. Diese Werbung galt schon 2001 als sexistisch.
An diesen Beispielen zeigt sich, dass das Thema Sex zwar immer eine große Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit hervorruft, aber es gesellschaftlich verhandelbar ist, was als Tabu gilt, bzw. was als anstößig von der Mehrheit der Gesellschaft wahrgenommen wird. Dies brachte wohl auch das Kommunikationsmuseum Frankfurt dazu, eine Sonderausstellung über das Thema Sex zu zeigen, die dieser Wahrnehmung auf den Grund gehen will.
Die Sonderausstellung bleibt für ein Jahr im Museum, bis September 2025. Was wird gezeigt? In der Ausstellung gibt es verschiedene Stationen. Überall sind Tafeln in einfacher Sprache angebracht, soll also für jeden verständlich sein. Das Themenfeld wird unterschiedlich abgearbeitet.
So gibt es Modelle von männlichen und weiblichen Geschlechtsorganen. Es gibt eine Station über Geschlechtskrankheiten und Verhütung. Das Strafrecht behandelt falsches Verhalten, z.B. das unaufgeforderte Versenden von Geschlechtsteilen an Frauen, sowie das ins Internet stellen von persönlichen Nacktfotos des Partners nach Beendigung einer Beziehung.
Eine Station beschreibt den Prozess des Kinderkriegens. Es geht in der Ausstellung aber auch um „das erste Mal“, beschrieben in Form von Interviews, das Thema Abtreibung und Prostitution. Um Grenzen, die bei einvernehmlichem Sex eingehalten werden sollen, aber auch um Lust.
Es gibt Literatur und Filme über das Thema Sex. So z.B. „9einhalb Wochen“, „Sex and the City“, „Sexeducation“ von Netflix. Eine Station handelt von sexueller Orientierung: bin ich heterosexuell oder homosexuell. Es gibt Quizfragen zu Sex. Es wird auch der Frage nachgegangen, warum haben Leute keine Lust auf Sex oder blenden das Thema völlig aus. Die Ausstellungen möchte Aufklärung leisten und niemanden für seine sexuelle Orientierung verurteilen.
Die Ausstellung wendet sich im sachlichen Ton an den Besucher, räumt aber auch ein, dass Sex mehr ist als ein Fachbegriff wie „Penis“ oder „Vagina“ auswendig zu lernen. Beim Sex geht es ebenfalls um Gefühle und, wie Eingangs behandelt, um sexuelle Phantasien. Eine Station behandelt wie sich Sex im Alter verändert.
Dass die Sexualmoral in Ländern unterschiedlich ist, zeigt eine Landkarte, die beschreibt, in welchen Ländern Homosexualität verboten ist. Dies verdeutlicht, dass Sexualität als öffentliches Gesprächsthema immer wieder neu von der Mehrheitsgesellschaft verhandelt werden muss. Das gesellschaftlich tolerante Verhalten in Bezug auf Sex muss von den Generationen stets neu durchdacht und durchgesetzt werden.
Die sexuelle Revolution ab den 1970ern, in der Sex zu einem öffentlichen Thema wurde, muss so nicht dauerhaft bestand haben. Laut der „Arte“ Sendung „Warum haben wir weniger Sex – 42 – die Antwort auf fast alles“, nimmt der Sex zwischen Paaren kontinuierlich ab; von den 1970ern neunmal im Monat auf – Stand 2024 – sechs Mal im Monat, laut Befragung durch Forscher. Dies mag an einer Müdigkeit der Öffentlichkeit liegen, die sehr viel über Sex diskutiert.
Jedenfalls mystifiziert die Ausstellung im Kommunikationsmuseum Frankfurt den Sex nicht, sondern bleibt sachlich. Es gibt auch eine Wand mit Märchengeschichten vom Klapperstorch und anderen Gestalten, die mit moderner Sexualerziehung nichts zu tun haben. Dies zeigt nur, wie weit der Weg war, um die Bürger eine „vernünftige“ Sexualerziehung angedeihen zu lassen.
Gehören Sie auch zur sogenannten „Generation Porno“? So wurde die Generation um 2001 genannt, die ihre erste sexuelle Aufklärung durch Pornografie im Internet erfahren hatte. Bei Pornoplattformen wurden die Nutzer in vorgegebene Kategorien eingeteilt, durch die sich der Nutzer klickte. Die sexuellen Phantasien wurden also in Kategorien gepackt und nach Vorlieben geordnet. So eine Plattform funktionierte wie ein Warenhaus. Der Aufbau ist nicht zufällig gestaltet, sondern folgt Marketingstrategien wie etwa beim Warenlieferant „Amazon“. Die freie Verfügbarkeit von Pornografie hat sich erheblich gesteigert, seit den 1980ern, in denen der Nutzer noch in Sexshops persönlich gehen musste, um dort eine TV-Kassette zu leihen oder zu kaufen.
Durch strenge Regeln in sozialen Medien wie „Facebook“ oder im „TV“ haben sich solche Inhalte stark auf Pornoplattformen verlagert. Sexualität wird auf solchen Plattformen ausgelebt und sorgt durch die massenhaften Videos für große Abwechslung beim Konsumenten. Dies kann aber auch die Paarbeziehung verändern, wenn sich ein Partner dort seine Kicks holt. Diese Plattformen spielten in der Ausstellung keine Rolle, sind jedoch in der Praxis sicherlich von großer Bedeutung. Es ist umstritten, ob diese Plattformen die Konsumenten süchtig machen, weil die Bilder und Videos einen Dopaminüberschuss auslösen. Mit viel Konsum solcher Inhalte müssen immer mehr Videos geschaut werden, um einen Dopaminschub auszulösen.
Das Thema Sex ist sehr vielfältig und kann von verschiedenen Seiten und aus verschiedenen Rollen wie Partnerschaft, Schwangerschaft, Aufklärung, beleuchtet werden. Die Ausstellung gibt einen guten Überblick über ein wichtiges gesellschaftliches Thema, wenn auch die „dunklen Seiten“ ausgeblendet werden. Am Tag des Besuchs waren viele Paare vor Ort. Sexualität gemeinsam zu entdecken und darüber zu reflektieren könnte für Paare eine gute Methode sein, sich besser gegenseitig kennenzulernen. Aber auch als Single kann der Einzelne viel darüber erfahren, „was er schon immer über Sex wissen wollte und nicht zu fragen wagte“.
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Danke wieder einmal für das Bild von Gerd Altmann auf Pixabay