Es gibt Filme, zu denen scheiden sich die Geister. Gehören Gewaltexzesse in Horrorfilmen verboten, weil sie jugendgefährdend sind? „Tanz der Teufel“ gehört zur Reihe ehemals indizierter Filme, die im Ruf stehen, Gewalt zu verherrlichen. Der Deutschlandfunk erläutert kurz den Inhalt „Das Böse erwacht in den Wäldern, und für den jungen Ash und seine Freunde, die sich auf ein ruhiges Wochenende eingestellt hatten, verheißt das nichts Gutes. Aber so was passiert eben in Horrorfilmen, wenn man alle Warnungen in den Wind schlägt, und im Keller einer verlassen Hütte ein mysteriöses Tonband abspielt“. Inzwischen kann man sich die Reihe wieder ansehen. Genau dies hat der Kulturbotschafter des UniWehrsEL für uns getan und in den Kontext der im Herbst beginnenden Seminare zu „Staunen mit Wow-Effekt“ und „Exzesse und Ekstase“ gestellt. Dafür herzlichen Dank!
Liebes UniWehrsEL,
Zum „Wow-Effekt“ fällt mir die Filmreihe „The Evil Dead“ ein. Am 20.07. habe ich den neuesten Streifen der Filmreihe „The Evil Dead Rises“ im Stream angesehen. Der Wow-Effekt zu diesem Film ist eher begrenzt. Interessant für den Wow-Effekt ist hingegen der Ursprungsfilm aus den 1980ern. Der erste Film der in Deutschland in die Kinos kam hieß „The Evil Dead“, nur waren die Deutschen damals noch nicht so fit in der englischen Sprache wie heute. Deshalb bekam der Titel „Evil Dead“ die deutsche Übersetzung „Tanz der Teufel“. Es war die Zeit, in derr gerade ein gewisser Helmut Kohl Kanzler geworden war und die geistig-moralische Wende verkündete. Dieser Ankündigung mussten auch irgendwie Taten folgen.
Deshalb suchten die Konservativen nach etwas, was den Verfall der guten Sitten betraf, und bei dem man für das ältere konservative Publikum die geistig-moralische Wende durchführen konnte. Durch eine technische Neuerung waren mit Einführung der VHS-Kassette die Horrorfilme für Jugendliche leichter zugänglich geworden. Dies führte zu einer politischen Diskussion über eine Werteverschiebung durch Horrorfilme. Ins Zentrum der Diskussion geriet der Film „Tanz der Teufel“. Hochgespielt wurde die Diskussion in den 1980ern durch eine ZDF-Dokumentation mit dem Titel „Mama, Papa, Zombie“, die auf das angeblich jugendgefährdende Potential solcher Filme wie „The Evil Dead“ hinwies. Nach der Dokumentation kam es in Deutschland zur Beschlagnahmung aller Filmkopien von Evil Death. Die Filmverleiher klagten gegen die Beschlagnahmung des Films bis vor das Bundesverfassungsgericht (BVerfGE).
In 1992 stellt das Bundesverfassungsgericht klar, dass unter dem Begriff „Mensch“ keine Zombies zu verstehen seien, Untote seien vielmehr „menschenähnliche Wesen“. Die Richter mussten sich den Film von Sam Raimi „Tanz der Teufel“ ansehen, um zu dieser Entscheidung zu kommen. Im Jugendschutzgesetz musste der Tatbestand der Gewaltdarstellung gegen Menschen geprüft werden. Wie der Leser nun weiß, sind Zombies keine Menschen, sondern „menschenähnliche Wesen“. Der Gesetzestext wurde deshalb geändert. Heute verfolgt § 131 des Strafgesetzbuches die Verherrlichung von „grausamen oder sonst unmenschlichen Gewalttätigkeiten gegen Menschen oder menschenähnliche Wesen“. Die Ergänzung im Gesetzestext „menschenähnliche Wesen“ ist den Film Evil Dead zurückzuführen.
Der Wow-Effekt bezieht sich darauf, dass ein Film in den 1980er Jahren so kontrovers besprochen wurde, dass er anschließend auf dem Index landete und sich die Filmverleiher bis zum Bundesverfassungsgericht durchklagen mussten. Das Beispiel zeigt, wie Medien einen Film besprechen können und Politiker über ihn urteilen, ohne den Film je gesehen zu haben.
Dem Erfolg der Reihe „Evil Dead“ hat die Diskussion in Deutschland keinen Abbruch getan. Die Filmtrilogie „Tanz der Teufel“, „Tanz der Teufel 2“ und „Armee der Finsternis“ gelten heute als Klassiker des Horrorgenres. Das liegt weniger an den Schockmomenten der Reihe, als an seinem Humor und seiner Effekte. Der Filmregisseur Sam Raimi entwickelte zusammen mit seinem Hauptdarsteller Bruce Campbell ein neues Genre aus Splatter, also exzessiver körperbezogener Gewaltdarstellung, und Slapstick, also körperbezogener komischer Effekte, bedient. Dies ist dem Humor des Schauspielers Bruce Campbell zu verdanken. Der später auch in den Actionserien „Hercules“ und „Xena“ in den 1990er, als eine Art trottelige Version von Robin Hood, von sich reden machte. In Horrorkreisen wird diese Art des Humors auch als Horror-Slaptstick bezeichnet.
Dieser Slapstick-Humor funktioniert, indem jemand eine Torte ins Gesicht bekommt. Es ist eine gewisse Schadenfreude dabei, aber statt einer Torte – wie bei „Dick & Doof“-Filmen – kommt im Horrorfilm Blut zum Einsatz. Die Darstellung ist gewaltsam, aber so übertrieben, dass es nicht wirklich unheimlich ist. So wird Bruce Campbell in „Der Arme der Finsternis“ mit allerlei Flüssigkeiten besudelt und bekommt „einen vor den Latz geknallt“.
Ab 2013 gab es eine Horror-Serie „The Evil Dead“ mit Bruce Campbell in der Hauptrolle. Es war wie ein großer Kindergeburtstag mit verkleideten Monstern und etwas Action wie bei den Bud Spencer Filmen. Nach der Serie gab es einen ‚Reboot‘, also der frühere Film wurde neu interpretiert. Die Neuauflage von „Evil Dead“ erschien bereits 2013 und nun 2023 kommt endlich die Fortsetzung mit „The Evil Dead Rises“.
Diesmal hört der Zuschauer lediglich die Stimme von Bruce Campbell, der den Fluch seinen Nachfolgern auf einer Kassette erklärt. Erstmalig spielt der Film nicht mehr im Wald, sondern in einem Wohnkomplex. Nach einem Erdbeben wird von einem der Bewohner des Wohnkomplexes, das verhängnisvolle Buch mit dem Fluch wiedergefunden und geöffnet, was zu einer Kette von neuen Horrorerlebnissen für die Familie des Buchfinders führt. „The Evil Dead Rises“ ist der bisher kommerziell erfolgreichste Film der Reihe, was wohl dazu führen wird, dass es in absehbarer Zukunft weitere Filme von „The Evil Dead“ geben wird.
Da bin ich doch wirklich sehr gespannt, wie die Leser des UniWehrsEL das kommentieren werden! Und danke für das Bild von Nicholas Panek auf Pixabay