Du betrachtest gerade „Wann ist der Mann ein Mann“? – einsamer Streiter oder Superheld

Im Beitrag zum Frauenbild am Beispiel der Kunstfigur „Lara Croft“ ging es um die Attribute, mit denen Lara verbunden wird. Einerseits die Äußerlichkeiten und hervorstechenden femininen Merkmale, die Männer besonders ansprechen. Andererseits die genannten maskulinen Attribute, die Lara besonders auszeichnen sollen wie „Fitness, taffes Auftreten, Sportlichkeit, großes Selbstbewusstsein“. Die Verfasserin des Artikels („Fanin“) wundert sich über Eigenschaften, die eher nicht der Frauenrolle zugestanden werden. Dass Eigenschaften wie Leistungs- und Durchsetzungsstärke nun mit einer Frau verbunden werden, sei für den Kinobesucher, der an klare Rollenbilder von Frauen und Männern gewöhnt ist, „atypisch“. Grund genug sich das Rollenbild dieses kämpferischen männlichen Actionheldes zwischen einsamen Streiter und Superhelden näher zu betrachten.

Wann ist der Mann ein Mann“? fragt der Liedermacher Herbert Grönemeyer 1984 in seinem Song „Männer“ und betont deren Verletzlichkeit und gleichzeitig Unersetzlichkeit. Ein Jahr zuvor hatte Ina Deter mit „ich sprüh’s auf jede Wand“ die feministische Aussage getroffen „Neue Männer braucht das Land“. Das ist inzwischen schon zu einem geflügelten Wort avanciert.

Einen neurologischen Blickwinkel nimmt der Philosoph Franz-Josef Wetz in „Exzesse. Wer tanzt, tötet nicht“ ein und schreibt unter der Überschrift „Neuronales Prickeln“ (2016, S. 89 ff): „Macht zu etablieren, Potenz zu demonstrieren, kaltblütig oder heißwütig zu agieren bedeutet, ganz unterschiedliche Handlungs- und Lustzentren im Hirn zu aktivieren und die entsprechenden Botenstoffe in Schüben freizusetzen“. Bei Gewaltexzessen komme es durch neuroaktive Substanzen zu Körperreaktionen, die wie hochstimulierende Drogen wirkten.

Echte Drogen würden in Kriegen zur Steigerung des Durchhaltevermögens und der Kampfeslust eingesetzt, um Müdigkeit zu vertreiben, aber auch Gewalt zu fördern, die auf den freigesetzten Botenstoffen beruht. Testosteron bestimmt nicht nur die männliche Libido und Potenz, sondern erhöht auch die Impulsivität, Risikobereitschaft und Sensationslüsternheit. Der durch Testosteron aufgeheizte Mann wird zum Draufgänger, der – eher als Frauen – zu obszöner Sprache und grobem Übermut neige. Der 25-mal höhere Testosteronspiegel des Mannes im Vergleich zur Frau lässt ihn, wie Wetz schreibt, sexuell triebhafter, impulsiver und zorniger werden.

„An den genetischen und hormonbedingten Unterschieden zwischen Mann und Frau besteht kein Zweifel mehr. Aufgeblasene Männlichkeit ist leicht erklärbar. Sie ist eine bis zur Peinlichkeit übersteigerte Potenzreaktion.“ (vgl. ebd., S.90)

Und wie sieht nun dieser potente Mann in den Medien aus? Dazu ein Auszug aus einem Leserbrief mit dem Titel: Männer in der Schönheitsfalle?

Liebes UniWehrsEL,

in unserer heutigen Gesellschaft sind Schönheitsideale allgegenwärtig und beeinflussen sowohl Männer als auch Frauen. In der Ausstellung „Apropos Sex“ des Kommunikationsmuseums ging es auch um den eigenen Körper und die damit verbundenen Ideale. Während Erwartungen und Rollenbilder von Frauen kritisch thematisiert werden, scheinen die männlichen Schönheitsideale, die in den Köpfen herumgeistern, nicht hinterfragt zu werden. Doch auch Männer stehen unter starkem Druck, einem bestimmten Bild zu entsprechen. Dieser Artikel ist eine Antwort auf „Das ist kein Liebeslied“ von Karen Duve, wo es um eine weibliche Hauptfigur ging, die mit ihrem Körper-(Gewicht) und dem Schönheitsmaßstab, der an Frauen angelegt wird, kämpft. Hier soll nun die männliche Seite beleuchtet werden.

Woher kommt das gesellschaftliche Männlichkeitsbild? Von welchen Einflüssen wird dieses Bild geprägt? Aus dem „Liebighaus“ in Frankfurt kennt der Besucher die griechischen Götter wie Zeus, Apollon oder den David aus der Bibel. Diese Statuen stehen für Stärke, Schönheit und Macht, was sich in den modernen Schönheitsidealen widerspiegelt. Aber auch in Filmen werden durchtrainierte männliche Körper dargestellt.

Auf der Schauspielbühne trifft der Zuschauer diese Typen mit Six Pack, die rein zufällig das Shirt lüften und bei deren Anblick es Frauen jedes Mal scheinbar den Atem verschlagen soll. Ein schöner Körper muss gezeigt werden. Er symbolisiert Arbeit und Ehrgeiz. Denn der Körper wurde selbst vom Mann in langen Trainingseinheiten geformt. Manche sehen darin eine Form der Selbstkontrolle des Körpers. Mit diesen Körpern wird Attraktivität vermittelt. Sie stellen einen Traumpartner dar. Der Körper wirkt gesund und kräftig. Mit Sport wird immer Gesundheit verbunden. Es gibt diese Six-Pack-Körper-Männer sogar als Spielzeugfiguren in Form von „H-Man“.

Einige Filmbeispiele aus der Popkultur mit körperlich starken Männern sind der Terminator mit Arnold Schwarzenegger, Bruce Willis in Stirb langsam, Sylvester Stallone in Rocky und Dwayne Johnson in Fast & Furious. Diese Filme zeigen Helden, die durch ihre körperliche Stärke beeindrucken und oft als Vorbilder für Männlichkeit dienen. Auch in Serien gibt es starke Männer, die sowohl Männer als auch Frauen ansprechen. Beispiele hierfür sind „Games of Thrones“ mit Charakteren wie Jon Snow, Vikings (Wikinger) mit Ragnar Lothbrok, “the Witcher“ (Hexer) mit Geralt von Rivia und Outlander mit Jamie Fraser. Diese Serien kombinieren körperliche Stärke mit komplexen Charakteren, die eine breite Zuschauergruppe ansprechen. Diese männlichen Figuren werden von Frauen angehimmelt, weil sie oft einen Traummann verkörpern. Diese Rollenbilder prägen aber unbewusst die gesellschaftlich akzeptierten Vorstellungen von Männlichkeit.

Während es bei Sendungen wie Herzblatt früher um ein gemeinsames Essen nach der Show und vor allem schlagfertige Antworten der Kandidaten ging, verspricht eine Sendung wie „Are You the One?“ das perfekte Liebesglück durch wissenschaftliche Auswertungen. Eine Maschine gibt vor, wer zu wem idealerweise passt. Die Kandidaten müssen dann herausfinden, wen die wissenschaftliche Auswertung als perfektes ‚Match‘ für die Sendung zusammengeführt hat. Wer richtig rät, kann 200.000 Euro und die optimale Partnerin gewinnen. Wer verliert, hat einen Urlaub an einer (vermeintlich) tollen Örtlichkeit wie den Bahamas erlebt.

In solchen Sendungen geht es meist recht schnell körperlich zur Sache; und dies im wörtlichen Sinne. Sex ist ein großes Thema solcher Formate, wie der Moderator Stefan Raab im Gespräch (entdeckt auf Youtube vom 22. Oktober 2024) mit der Moderatorin Sophia Thomalla fast unschuldig fragt: Wird da auch „geschnackselt?“. Das ist zwar scheinheilig aber eine gute Werbung, um Kunden zum zusätzlichen Angebot „RTLPlus“ zu locken.

Die männlichen Darsteller entsprechen den idealen Körpermaßen von den griechischen Götterfiguren. Wie die männlichen Darsteller in Pornos sind auch diese Typen durchtrainierte Kerle, die besonders männlich wirken sollen. Wer sich als Normalo mit diesen Heroen vergleicht bekommt ein falsches Selbstbild von sich vermittelt und nimmt vielleicht auch fälschlicherweise an, er müsste so auftreten wie diese Männer in den Formaten. Dieses Verhalten wird aber außerhalb der Porno- oder Dating-Show-Welt als übergriffig oder toxisch in der Öffentlichkeit angesehen. Dennoch suggerieren diese Formate Männern, dominates Verhalten gegenüber Frauen sei erlaubt und sogar von Frauen erwünscht. Männer sollten nicht zu weich sein.

Fitnesswelle seit den 80ern regen an, dem Körperbau von Arnold Schwarzenegger nachzuformen. Haartransplantationen wie beim Politiker Christan Lindner oder Fußballtrainer Jürgen Klopp zeigen, wozu Männer bereit sind, um den gesellschaftlichen Schönheitsidealen zu entsprechen. Männer mit Glatze spielen oft Bösewichte wie z.B. Lex Luther der Gegner von „Superman“ oder Lord Voldemord der Feind von „Harry Potter“. Als Gegenbeispiele für attraktive Männer mit Glatze sind Schauspieler wie Dwayne Johnson als Pharao in „Die Mumie“ und Bruce Willis als Actionheld in „Stirb langsam“. Diese Männer zeigen, dass auch ein kahler Kopf als sexy wahrgenommen werden kann und dass Attraktivität nicht nur von Haaren abhängen muss.

Das körperliche Aussehen zeigt oft den Stellenwert eines Mannes in der Gesellschaft. Wer schön ist, gilt auch als erfolgreich. In anderen Kulturen gelten dicke Männer als sexy. Ein bekanntes Beispiel ist Buddha, der oft mit einem runden Bauch dargestellt wird. Diese Darstellung symbolisiert Wohlstand, Glück und Zufriedenheit, was in vielen asiatischen Kulturen als erstrebenswert gilt. Ein Wohlstandsbauch galt in den 1930er Jahren als schön, weil viele Männer sich nicht viel Essen leisten konnten. So wurden dicke Männer wie etwa Al Capone – ein berüchtigter amerikanischer Gangsterboss – plötzlich begehrenswert. Nicht nur, weil sie Macht besaßen, sondern weil sie sich satt essen konnten. Anderseits zeigten Karikaturen in Zeitungen aus dieser Zeit, dicke Männer als feiste Fabrikbesitzer, die sich Speck anfressen, während der Arbeiter hungert. In dieser Deutung sind dicke Männer böse.

Schönheitsideale unterliegen einem ständigen Wandel, sind stark von der jeweiligen Kultur und Zeit geprägt. Was einst als schön galt – von Perücken und prunkvollen Gewändern wie bei Ludwig XIV bis zur exzentrischen Mode des Sängers Harry Styles zeigt sich der Zeitgeist mit Attributen der Vielseitigkeit. Sehr bestimmend sind in dieser Hinsicht die Medien. 

Der Druck auf Männer, dem Idealbild zu entsprechen, wird durch den Einfluss von Filmen und Serien verstärkt. Diese Medien vermitteln oft ein falsches Körperbild, das viele Männer dazu bringt, Schönheitsoperationen in Betracht zu ziehen, um dem Ideal näherzukommen. Dating-Apps wie Tinder sind oft oberflächlich auf Attraktivität und Aussehen ausgelegt. Durchschnittlich aussehende Männer fühlen sich traurig, wenn sie sich mit Figuren wie dem Terminator vergleichen oder werden auf Frauen wütend, weil diese in ihrer Einschätzung nur auf besonders gutaussehende Typen stehen, die den Statuen im Liebighaus entsprechen. Dies kann zu Hass auf Frauen führen.

Mit der Unsicherheit von jungen Männern lässt sich zudem Geld verdienen. Es gibt zahlreiche vermeintliche Ratgeber, die Männern die Unsicherheit nehmen wollen. Beispiele hierfür sind Pick-Up-Artists – Männer, die anderen Männern versprechen, mit ihren Methoden könnten sie leichter Frauen kennenlernen oder Persönlichkeitstrainer, die versprechen, Selbstbewusstsein und Erfolg zu steigern.

Die Schlussfolgerung daraus ist, dass sich die Gesellschaft bewusst machen muss, dass diese Ideale oft unerreichbar sind und zu einem negativen Selbstbild von Männern führen können. Die Gesellschaft sollte Vielfalt und Individualität fördern und akzeptieren, dass Schönheit in vielen Formen existiert. Dazu müssen erlernte Strukturen und männliche Schönheitsideale in Filmen, Serien oder TV-Formaten hinterfragt werden. Auf ein ständiges Vergleichen mit anderen Männern sollte verzichtet werden. Das macht unglücklich.

Mit herzlichen Grüßen von einem UniWehrsEL-Leser

Danke für das Bild von Estefano Burmistrov auf Pixabay

  • Beitrags-Kategorie:Blog
  • Beitrag zuletzt geändert am:26. November 2024
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