Vom Computer abhängig, ein Leben im virtuellen Raum, erzählt wird die Geschichte der modernen Kommunikation. Eine musikalische Komödie über menschliches Zusammenleben und die Folgen des technischen Fortschritts. In der Kammeroper von Miroslav Srnka geht es um „Singularity“, dem Wendepunkt, wenn Künstliche Intelligenz der menschlichen Intelligenz überlegen ist. Der Kulturbotschafter hat sie für uns angesehen.
Miroslav Srnka ist Hörern moderner Opern bestens bekannt, hat er doch für die Bayerische Staatsoper bereits „South Pole“ entwickelt. Eine Oper über das Wettrennen am Südpol um mehrere Forscher, die sich durchs Eis kämpfen, auf der Suche nach Ruhm und Geld.
„Singularity“ schaut hingegen nicht in die Vergangenheit, sondern in eine hoffentlich noch weit entfernte Zukunft. Thema dieser Oper ist die Entfremdung des Menschen zu seinen Mitmenschen, stattdessen vergnügt er sich mit Technik.
So widmet sich denn auch der namenlose Tenor lieber dem Computerspiel als seiner gelangweilten Freundin, die deshalb ebenfalls in andere digitale Welt eintaucht. Liebe und Geborgenheit findet sie nicht etwa bei ihrem menschlichen Gegenpart, sondern eben in der digitalen Bestätigung.
Der Tenor wird immer tiefer in das Computerspiel hineingezogen bis ihm auffällt, dass seine Freundin ganz verschwunden ist und auch verschwunden bleibt. Glücklicherweise hat er aber eine Aufnahme ihrer Stimme gemacht, und so kann er sie sich in Erinnerung rufen und sie als echt verifizieren, als er zwei weiteren Menschen begegnet. Einem einsamen ‚Nerd‘, der es nicht gelernt hat mit anderen Menschen zu kommunizieren, insbesondere nicht mit einer ebenfalls gelangweilten jungen Frau, die wie angedeutet wird, sexsüchtig war, bevor sie – wie der Computerspieler – an diesem Ort der Leere mit den zwei anderen für sie uninteressanten Männern gelandet ist.
Und dann gibt es zum einen noch eine Besonderheit. Jede „analoge“ Figur hat als Pendant eine virtuelle an ihrer Seite. Wenn die menschliche Figur sprachlos wird, kommentiert das anonyme digitale Selbstportrait das Geschehen und treibt die Handlung voran. Zum anderen erzählt ein Supercomputer in dem Stück von seiner eigenen Nutzlosigkeit, nachdem ein besseres System vom Menschen erdacht wurde und der Computer zu einem Bezahlsystem geworden ist, statt zu einer denkenden Maschine. Wenn der Computer also selbst dem Zuschauer erzählt, er sei gar nicht so intelligent um eine menschliche Funktion zu übernehmen, sollte der Zuschauer diesen Hinweisen nicht vertrauen?
Letztlich werden die menschlichen Figuren und ihre digitalen Ebenbilder miteinander verschmolzen zu einem digitalen Feenstaub. Sie erreichen also am Ende die titelgebende „Singularity“.
Die Bühne erinnert mehr an einen Schweizer Käse mit vielen Löchern darin, als an einen digitalen Raum wie ihn sich eine moderne Computerspiel-Firma ausdenken würde. Zwar geht es vordergründig um eine Zukunftsbetrachtung, doch erscheinen die Probleme der digitalen und menschlichen Spieler so aktuell mit ihren Selbstzweifeln und unerfüllten Sehnsüchten, dass bei genauem Hinschauen auch Gegenwart und Zukunft ineinander verschmelzen.
Wer gerne in digitale Welten abtauchen möchte, kann dies noch bis Mitte Juli über das Streaming Angebot der Bayerischen Staatsoper tun.