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Essen und Trinken sind für Viele gerade in Corona-Zeiten, bedingt durch teilweise erzwungene Isolation, zum großen Thema geworden. Grund genug, sich darüber eingehendere Gedanken zu machen, zumal bei Einigen die Gewichtszunahme ganz eklatant ist.

Volker Pudel ist Psychologe und beschäftigt sich eingehend mit Fragen des menschlichen Ernährungsverhaltens. Im Buch „Essen und Trinken zwischen Ernährung, Kult und Kultur“ (2003) findet sich sein Beitrag „Psychologie des Essens“ (S. 121-138), dem ich einige interessante Aspekte entnehme.

Essverhalten wird durch kulturelle und individuelle Motive beeinflusst. „Guter Geschmack“ macht ein genussvolles Esserlebnis aus und ist auch entscheidender Grund für eine bestimmte Nahrungswahl. Dabei sind die menschlichen Geschmackspräferenzen höchst unterschiedlich. Der „gute Geschmack“ beruht auf psychologischer Basis auf erfahrungsbedingter Gewohnheitsbildung.

Mere-exposure-effect

Der sich wiederholende positive sensorische Eindruck bestimmter Speisen führt zu deren Präferenz. Evolutionstheoretisch führt positive Konsequenz („die Speise steigert mein Wohlbefinden“) zu einem Wiedererkennungswert und zum Sicherheitsgefühl („schmeckt und bekommt mir“).

Kinder belegen den „mere-exposure-effect“, sie wünschen die gewohnte Speisenfolge immer wieder und zeigen damit unbewusst „Gesundheitsverhalten“.

Der berühmte amerikanische Psychologe Martin Seligman hat darüber hinaus ein anderes Phänomen an sich selbst erfahren und einen Begriff eingeführt, das „Sauce-Bérnaise-Syndrom“. Ihm wurde übel nach dem Verzehr eines Menüs mit verschiedenen Komponenten und vermutete die Sauce Bérnaise als Ursache. Es löste eine lebenslange Aversion aus.

Spezifisch-sensorische-Sättigung

Öfter mal was Anderes
    Öfter mal was Anderes

Der durch „Mere-exposure-effect“ wenig abwechslungsreichen Ernährung steht das Prinzip der „spezifisch-sensorischen-Sättigung“ entgegen. Isst man ständig sein Leibgericht, dann kommt es kurzfristig zum Aufbau einer milden Geschmacksaversion. Es kommt zur Abneigung gegenüber dem stets Gleichen und Bevorzugung eines anderen Geschmackprofils. Damit ist für Abwechslung im Speiseplan gesorgt.

Verknappt man allerdings die Lieblingsspeise bevor die spezifisch-sensorische-Sättigung eintritt, kommt es zu einer Präverenzsteigerung.

Gerade Kinder lieben Speisen, die ihnen nicht zugestanden werden, weil sie „ungesund“ sind wie etwa Cola oder Hamburger. Was ständig als „gesund“ angeboten wird, wie Gemüse und Vollkornbrot, ist eher aversiv besetzt.

Essverhalten beruht auf Lernerfahrung und wird als verfestigtes Verhalten aufgefasst. Konditionierungsprozesse spielen eine wichtige Rolle. Sie entziehen sich der kognitiven Kontrolle, können aber durch realistisch erreichbare Zielvorgaben und Anreize dekonditioniert werden. Nicht der Hinweis „Essen Sie weniger fett!“  sondern „Versuchen Sie mit einem Päckchen Butter 10 Tage lang auszukommen!“ lautet hier der Tipp der Ernährungsberater*in.

Übrigens ein interessanter Aspekt, dass zwischen Essen und Ernährung unterschieden wird!