You are currently viewing Stille Sehnsucht der „kleinen Leute“ – Huldigung an Aki Kaurismäki

Als einer der großen Humanisten unter den europäischen Filmregisseuren gilt der Finne Aki Kaurismäki. Er stellt sich auf die Seite der von der Gesellschaft Belächelten und Ausgestoßenen. Bekannt für seinen lakonischen Humor erzählt er sozialkritische Geschichten über den Traum von Nächstenliebe in einer kalten Welt auf eine unvergleichliche Art und Weise. Um die Sehnsucht der “kleinen Leute”, der Außenseiter, Arbeiter, Arbeitslosen, der Verlierer der Gesellschaft geht es Kaurismäki in seinen liebevoll-ironischen Filmen.

Der Mann ohne Vergangenheit“ ist von einer melancholischen und surreal-humoresken Stimmung geprägt. Beeindruckende Bilder, Technicolor-Farben der 50er Jahre und einprägsame Musik wie der finnische Tango, Rock und Blues untermalen die intensive Stimmung um die Suche nach den Wegen aus der Einsamkeit.

In „Die andere Seite der Hoffnung“ immigriert der Protagonist als blinder Passagier in die finnische Hauptstadt Helsinki, beantragt Asyl, bezweifelt die eigenen Erfolgsaussichten, wird aber dann vom frischgebackenen Restaurantbesitzer als Putzkraft und Tellerwäscher angestellt. Es scheint als bräche nun die sonnigere Seite des Lebens an, aber schon bald greift das Schicksal ein. Das offene Ende könnte in einem besseren Leben oder auch auf dem Friedhof enden. Die Essenz dieses Films wäre: Jeder Melancholie wohnt auch Hoffnung inne oder auch „Etwas besseres als den Tod finden wir überall“ – oder eben auch nicht.

Wie gut, dass Aki Kaurismäki seinen Entschluss, nach „Die andere Seite der Hoffnung“ keine Filme mehr zu drehen, revidiert hat. Trotz seiner großen Erfolge, Aki Kaurismäki wurde auf den 67. Internationalen Filmfestspielen Berlin mit dem Silbernen Bär für die Beste Regie ausgezeichnet, dreht er wieder Filme in Helsinki. Sich nur noch gemeinsam durch Bars treiben zu lassen – vielleicht mit dem ebenfalls bekannten Bruder Mika, auch ein erfolgreicher Regisseur – war dann doch nicht das dauerhafte Lebensziel von Aki.

Unbedingt sehenswert ist darum der gerade in den Frankfurter Kinos laufende Film „Fallende Blätter“. Am besten sieht man diesen in der Originalversion mit Untertiteln. Da geht es um Ansa (Alma Pöysti) und Holappa (Jussi Vatanen), den zwei wie aus der Zeit gefallenen, am Rande der Gesellschaft in einem trostlosen Helsinki Lebenden, die die große Liebe suchen.

In Frankfurt erlebt man den Film aus 2023 am Sonntag und Montag mit deutschen Untertiteln äußerst intensiv. Da in diesem Film Kommunikation eine gänzlich untergeordnete Rolle spielt, vielmehr das Schweigen der Protagonisten mehr als beredt ist, kann man sich ganz und gar der Mimik und Gestik der zwei einsamen Menschen widmen, die im nächtlichen Helsinki aufeinandertreffen.

Die Filmankündigung lautet: „Beide sind auf der Suche nach der ersten, einzigen und endgültigen Liebe ihres Lebens. Der Weg zu diesem ehrenwerten Ziel wird erschwert durch die Alkoholsucht des Mannes, verlorene Telefonnummern, die Unkenntnis des Namens und der Adresse des jeweils anderen – und nicht zuletzt durch die allgemeine Tendenz, den Pfad des eigenen Lebensglücks mit Steinen zu pflastern“.

Auch dieser letzte Film (hoffentlich nicht der allerletzte) ist wieder tragisch-komisch ausgefallen. Fallen Leaves“, so schreibt es die Filmkritik „ist so durch und durch Kaurismäki, dass man glaubt, viele Szenen schon zu kennen. Ein ganz und gar eigenes Œuvre hat der Finne so in den vergangenen 40 Jahren geschaffen – eines, das zwar mit jedem Film irgendwie noch mehr wie aus der Zeit gefallen wirkt, aber nichtsdestotrotz ein ums andere Mal begeistert!“

In dieser Welt von gestern gibt es noch Telefone mit Schnur, in Karaoke-Bars werden Schubert-Lieder gesungen, die 80er Jahre scheinen festgefroren. Kaurismäkis Filme wirken wie aus der Zeit gefallen – zutiefst berührend und einzigartig.   

Und unbedingt noch erwähnenswert ist die Musik in „Fallende Blätter“. Das finnische Pop-Duo „Maustetytöt“, was übersetzt und mehr als ironisch so etwas wie „Spice girls“ bedeutet. Die Spice Girls waren vor 25 Jahren die erste Castigband, mit „Girl Power“. Ganz anders Anna (Gitarre) und Kaisa (Keyboard) Karjalainen, in Finnland bekannte Musikerinnen, sie kombinieren harmonische Melodien mit düsteren Texten und unverwechselbar lakonischer Perfomance.

In FALLENDE BLÄTTER haben Maustetytöt ihren ersten Auftritt in einem Film. Anders als die Hausband Kurismäkis, die im Film „Leningrad Cowboys Go America“ von 1989 mitspielten. Die Leningrad Cowboys, selbsterklärte “schlechteste Rockband der Welt”, probte da irgendwo in der sibirischen Tundra recht erfolglos bis sie vom „American dream“ hörten – also reisen die Einhornfrisur-Schnabelschuh-Musiker ab nach Amerika, um dort zu spielen.

Dazu schrieb Das Wiener Filmmuseum: «Herausgekommen ist eine schräge Nummernrevue, die gleichzeitig (bis in den Gastauftritt von Jim Jarmusch und der ausgiebigen Feier von Kaurismäkis Cadillac-Autofetisch) eine Huldigung an einen cinephilen amerikanischen (Kino-)Traum ist wie in gewissen Arbeiten von Wim Wenders. Nur noch viel lustiger.» Allein schon die Frisen muss man gesehen haben.