Kaum ein Philosoph, der sich nicht mit ihr auseinandergesetzt hat. So wie Kirkegaard mit der Erkenntnis, „wenn alles still ist, geschieht am meisten“. Auch Nietzsche hat die größten Ereignisse mit stillsten Stunden gleichgesetzt. Stille bedeutet in diesem Sinne ein Aussetzen des Bekannten, ein Umbruch und eine Möglichkeit der Veränderung. Die Kehrseite der Stille kann Einsamkeit, Stillstand, Verharren, Verstummen bedeuten.
Eine, die die ein „Buch der Stille“ geschrieben hat und über deren Freuden und Macht zu schreiben versteht, ist die britische Schriftstellerin Sara Maitland, deren persönliche Erfahrungen wir im kommenden Seminar im Wintersemester 23_24 näher betrachten wollen.
Es scheint so, dass manche Menschen nach einer Krise einen neuen Sinn im Leben suchen und darum sich auf eine innere oder äußere Wanderschaft begeben. Es gibt einen Bruch im menschlichen Lebenslauf, aus dem der Mensch mit anderen Wertigkeiten und Verstehen hervorgeht. So geschehen bei Sara Maitland.
In den 70er Jahren hatte sie als junge Autorin die Tendenz, als Ausgleich zu ihrer intensiven und konzentrierten schriftstellerischen Arbeit, viele Menschen zu treffen und etwas Gemeinsames zu unternehmen. Man sprach über den Prozess des Schreibens, war in der Regel in einer “Schreibgruppe” – bei Maitland etwa mit Zoe Fairbanks – und liebte den anregenden Austausch untereinander.
Maitland sagt von sich selbst, dass sie ihr Leben lang gerne und viel geredet habe. Sie pflegte zu sagen, falls sie jemals im Who‘s Who? landen sollte, dann würde sie unbedingt als ihr Hobby „Deipnosophie“ angeben (Maitland 2008, 24).
Sie selber erklärt den Begriff als „die Liebe oder Fähigkeit zu Tischgesprächen (vom griechischen deipnon – was Dinner, Essen heißt)“. Diesen Begriff und die Sache selbst habe sie geliebt und hätte auch das Glück gehabt, einige der größten Deipnosophistinnen und –sophisten näher kennenzulernen.
Dieser Begriff passt nun wunderbar zu unserem Seminar „Fressen und Moral“ im vergangenen Sommersemester 23 und lädt zu nähren Recherchen ein.
Das griechische Deipnosophistaí besteht aus der Kombination Deipno (Abendessen) und Sophist (Experte). Also gibt es Menschen, die sich nicht nur mit der hohen Kunst des Essenzubereitens, sondern auch mit der dazugehörigen Konversation auskennen. Deipnosophen konnte man sozusagen bei Banketten der Gelehrten finden.
Die Deipnosophistae (1535) bekennen sich zu einem Bericht, den Athenaeus seinem Freund Timokrates über eine Reihe von Banketten im Haus von Larensius, einem Gelehrten und wohlhabenden Förderer der Künste, gegeben hat. Ein Dialog innerhalb eines Dialogs nach der Art von Platon. Ein Werk von unschätzbarem Wert, um fiktive Informationen über die hellenistische Literaturwelt der Freizeitklasse während der Zeit des Römischen Reiches.
Was findet sich in der Deipnosophistae? Unter anderem Originaltexte aus einem verlorenen Kochbuch von Mithaceus, dem Koch und ersten bekannten Kochbuchautor des späten 5. Jahrhunderts vor Christus.
Auch über Trinkrituale findet sich etwas. Der älteste der drei größten Dichter der griechischen Tragödie, Aischylos, beschrieb die Griechen als so betrunken, „dass sie ihre Gefäße um die Köpfe des anderen brechen”.
Im Jahr 2001 veröffentlichte ein Team italienischer klassischer Wissenschaftler die erste vollständige italienische Übersetzung der Deipnosophistae in einer Luxusausgabe mit ausführlicher Einführung und Kommentaren. Seitdem wird sie immer wieder erneuert und kommentiert.