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Heute ist es für jede Kultureinrichtung wesentlich, Informationsangebote auch in sogenannter „Leichter Sprache“ anzubieten. Die „Einfache Sprache“ kann sowohl sinnvolle Ergänzung, als auch Alternative zur „Leichten Sprache“ sein.  In der mündlichen Kommunikation nützt die Einfache Sprache insbesondere Menschen, die in der Schriftsprache auf die Leichte Sprache angewiesen sind. Alles klar?

Edith Mandler hat uns einen Beitrag geschickt, der vielleicht zur Verständlichkeit beiträgt.

Vielen Dank, liebe Edith!

Einfache Sprache – Niedergang der Sprachkultur oder sinnvolle Ergänzung?


Als ich zunächst im Radio mit Nachrichten, verlesen in einfacher Sprache, in Berührung kam,
erschien mir diese Vereinfachung der Sprache als der Beginn des Niedergangs der
Sprachkultur. Empfand ich die Verbreitung von Nachrichten in einfacher Sprache immerhin
als sinnvoll für alle, die eine eingeschränkte Sprachkompetenz in der deutschen Sprache
haben, war mir der Gedanke, dass es Klassiker und auch moderne (E-)Literatur in
vereinfachter Sprache gibt, ein Greuel.

Das Thema ließ mich aber nicht los und ich versuchte, mehr darüber zu erfahren. Ich las u.a.
das Buch:„Einfache Sprache – Texte verständlich schreiben“ von Andreas Baumert.

Schon der Untertitel bewirkte bei mir eine erste Änderung meines vernichtenden
(Vor-)Urteils. Denn verständliche Texte, dafür bin ich auch. Besonders wenn es um
Gebrauchsanleitungen, Behördentexte und wissenschaftliche Texte in einem mir
fachfremden Gebiet geht. Da kann das Verfassen verständlicher Texte eine Kunst sein, die
den Leser dort abholt, wo er steht.


Aber was ist Einfache Sprache und was ist sie nicht?

Versuchen wir zunächst einmal Einfache von Leichter Sprache in Bezug auf die Aspekte
Regeln und Zielgruppe abzugrenzen:

„Leichte Sprache wurde in den 1970er Jahren in den USA für und mit Menschen mit
geistiger Behinderung entwickelt und ist ein wichtiger Bestandteil von Barrierefreiheit und
Inklusion Etwa 20 Jahre später kam das Konzept auch nach Deutschland.Leichte Sprache hat
feste Regeln, die für Deutschland vom Netzwerk Leichte Sprache besprochen und festgelegt
werden. Texte in Leichter Sprache sind optisch gut zu erkennen, denn sie unterscheiden sich
von der Alltagssprache: Die Sätze sind sehr kurz, es gibt Zeilenumbrüche nach jedem Satz,
der Genitiv wird nicht genutzt, zusammengesetzte Wörter werden mit Trennstrichen
geschrieben, viele Bilder und Fotos werden zur Veranschaulichung des Textes verwendet.“
(zit. nach: https://de.wikipedia.org/wiki/Einfache_Sprache)

Zielgruppe der Leichten Sprache sind neben Menschen mit geistiger Behinderung, Menschen
mit kognitiven Einschränkungen, funktionale Analphabeten oder Personen mit geringen
Deutschkenntnissen. Dies trifft auf eine Bevölkerungsgruppe von ca. 10 Millionen Menschen
zu. Diesen Menschen wird eine Teilhabe am gesellschaftlichen bzw. öffentlichen Leben durch
Bereitstellung von Texten in Leichter Sprache ermöglicht.

„Die sogenannte Einfache Sprache erinnert im Wesentlichen an die Ratschläge, die es seit
langem für das Verständliche Schreiben gibt. Sie ist nicht zu verwechseln mit der
sogenannten Leichten Sprache die deutlich von der Standardsprache abweicht und sich an
Menschen richtet, die ganz besondere Schwächen beim Lesen oder beim Verstehen eines
Textes haben.“

Die Zielgruppe ist also eine andere, nämlich: Menschen mit Lese-Schreibschwäche, mit
Hirnverletzungen, ältere Menschen, Menschen mit geringen Deutschkenntnissen. Beim
Lernen von Fremdsprachen, hörbehinderte Menschen mit geringer Lautsprachfähigkeit
sowie Touristen.

(zit. nach: https://de.wikipedia.org/wiki/Einfache_Sprache)

Während für die Leichte Sprache Regeln festgelegt wurden, gibt es für die Einfache Sprache
bis jetzt nur Empfehlungen, wie sie für Verständlichkeit in der Sprache bisher schon
formuliert wurden. A. Baumert spricht sich daher für die Festlegung einer „Standardisierten
einfachen Sprache„ aus.

Welche Empfehlung gibt es für die Einfache Sprache? Folgende finden sich in Wikipedia:

  • Die Satzstruktur soll einfach und logisch sein, Gedankensprünge werden vermieden.
  • Die Satzlänge beschränkt sich auf rund zehn bis elf Wörter, bei Verwendung von Nebensätzen auf etwa fünfzehn Wörter.
  • Jeder Satz enthält nur einen Gedanken.
  • Sätze sind im Aktiv geschrieben.
  • Die Wortwahl ähnelt derjenigen der gesprochenen Sprache.
  • Die Wörter sollten allgemein bekannt und möglichst eindeutig sein: „Geld“ statt
  • „Zahlungsmittel“ oder „Kirche“ statt „Gotteshaus“.
  • Fremdwörter, schwierige Begriffe oder lange zusammengesetzte Wörter sollen durch einfache und eindeutige Wörter ersetzt werden.
  • Wenn die Verwendung dieser Wörter notwendig ist, sollten sie kurz erklärt und durch Beispiele verdeutlicht werden.
  • Metaphern, Ironie und Redewendungen werden nicht verwendet.
  • Abstrakte Begriffe werden durch konkrete Ausdrücke ersetzt.
  • Abkürzungen, auch weit verbreitete, werden stets ausgeschrieben.


Alles in allem, nachdem ich mich mit Einfacher Sprache beschäftigt habe, schlägt mein
Urteilspendel stark auf die Seite „sinnvolle Ergänzung der Sprache“ aus.

Bleibt für mich nur die Frage, wie sinnvoll es ist Klassische Literatur in Einfache Sprache zu
übersetzen.

Dafür hier ein Beispiel:

Viele kennen den Beginn der Erzählung „Die Verwandlung“ von Franz Kafka:

„Als Gregor Samsa eines Morgens aus unruhigen Träumen erwachte, fand er sich in seinem Bett zu einem ungeheueren Ungeziefer verwandelt.“

In einfacher Sprache liest sich das so:

„Eines Morgens wird Gregor Samsa wach. In der Nacht hat er schon unruhig geträumt. Und als er aufwacht, ist alles anders als sonst. Gregor Samsa ist ein riesiger Käfer geworden.”


Für mich fehlen die Sprachmelodie, der typische Rhythmus und die Stimmung der
Geschichten von Kafka. Und ich frage mich, was dieser Text einem Leser mit eingeschränkter
Lesefähigkeit, sagt. Bringt er die Geduld auf, einen solchen Text zu Ende zu lesen? Bringt es
ihm mehr als eine inhaltliche Zusammenfassung der Geschichte auf – sagen wir – 2 Seiten?
Wenn diese beide Fragen mit Ja zu beantworten sind, will ich gern meine Skepsis diesen
Texten gegenüber, über Bord werfen.

Interessant fände ich eine Studie, die ermittelt, wie häufig Klassiker oder moderne Literatur
in einfacher Sprache gelesen werden und wer – mit welchen Lesefähigkeiten – sie liest. Eine
mögliche Aufgabe für die Zukunft.

Welche Meinung haben Sie als Leser dieser Zeilen dazu?

  • Beitrags-Kategorie:Alltagskultur / Blog
  • Beitrag zuletzt geändert am:9. August 2022
  • Lesedauer:7 min Lesezeit