Hier können Sie meine Moderation und meinen Beitrag beim 21. Interkulturellen Salon in Dietzenbach nachverfolgen.
„Wir sitzen alle im gleichen Zug!“
Heute Abend unterhält Sie im 21. Interkulturellen Salon das Ensemble „Saitensprung“ mit Liedern aus aller Welt, ihr Mitglied Herr Dr. Holger Liedke wird uns über die Geschichte der Eisenbahn berichten, ein weiteres Ensemble-Mitglied, Herr Horst Schäfer wird eine Geschichte von Anton Tschechow zum Besten geben, Frau Almut Krumpholz-Nickel bereichert den Abend um zwei Märchen zum Thema Reisen, Herr Leva, Leiter der Stadtbücherei und heute unser Gastgeber, berichtet über Interrail-Reiseerfahrung und ich selbst will Ihnen die Eisenbahn im Film näher bringen.
Der Titel unseres heutigen Abends ist übrigens dem Eisenbahngleichnis (Erich Kästner, 1932) entnommen. Erich Kästner hat von 1899 bis 1974 gelebt. Er war Schriftsteller, Drehbuchautor und Publizist.
Wir sitzen alle im gleichen Zug
und reisen quer durch die Zeit.
Wir sehen hinaus. Wir sahen genug.
Wir fahren alle im gleichen Zug.
Und keiner weiß, wie weit.Ein Nachbar schläft, ein andrer klagt,
ein dritter redet viel.
Stationen werden angesagt.
Der Zug, der durch die Jahre jagt,
kommt niemals an sein Ziel.Wir packen aus. Wir packen ein.
Wir finden keinen Sinn.
Wo werden wir wohl morgen sein?
Der Schaffner schaut zur Tür herein
und lächelt vor sich hin.Auch er weiß nicht, wohin er will.
Er schweigt und geht hinaus.
Da heult die Zugsirene schrill!
Der Zug fährt langsam und hält still.
Die Toten steigen aus.Ein Kind steigt aus. Die Mutter schreit.
Die Toten stehen stumm
am Bahnsteig der Vergangenheit.
Der Zug fährt weiter, er jagt durch die Zeit,
und niemand weiß, warum.Die 1. Klasse ist fast leer.
Ein feister Herr sitzt stolz
im roten Plüsch und atmet schwer.
Er ist allein und spürt das sehr.
Die Mehrheit sitzt auf Holz.Wir reisen alle im gleichen Zug
zu Gegenwart in spe.
Wir sehen hinaus. Wir sahen genug.
Wir sitzen alle im gleichen Zug
und viele im falschen Coupé.
Quelle/Fundort des Gedichts: Insel Verlag, Die besten deutschen Gedichte, 4. Auflage 2013, Frankfurt am Main und Leipzig, S. 211 – 212.