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Praktische Lebenshilfe einer berühmten Frau: Über Muscheln und Daseinskonflikte

Einsam an der sommerlichen Meeresküste, dort findet Anne Morrow Lindbergh einen Ort zum Nachdenken. Einmal raus aus dem Alltag sein und „das arme Ich durcharbeiten“, damit tut sie es Goethe gleich. Sie findet Muscheln, die zu Symbolen ihres vielschichtigen Lebens werden. Anne Morrow Lindbergh war die Ehefrau des berühmten Ozeanfliegers Lindbergh und die erste Frau mit Flugzeugführerschein. Sie war Funkerin und begleitete ihren Mann oft auf dessen Reisen. Unter anderen auf der berühmten „Great circle Route“ von Kanada über Alaska und China im einmotorigen Flugzeug. Daraus entstand das Buch „North to the Orient“ (1935). Traurige Berühmtheit erlangte das Ehepaar durch die Entführung und Ermordung eines ihrer sechs Kinder, dem Baby Charles im Jahre 1932.

Später griff Agatha Christie den Kriminalfall auf und verarbeitete ihn im Jahr 1934 zu „Mord im Orientexpress“, den Sidney Lumet dann 1974 unter dem gleichnamigen Titel verfilmte.Die Natur spielte im Leben der 2001 verstorbenen Anne Morrow Lindbergh zeitlebens eine große Rolle. „Muscheln in meiner Hand. Eine Antwort auf die Konflikte unseres Daseins“ erschien 1955 unter dem Titel „Gift from the Sea“ und wurde immer wieder neu aufgelegt.

Besonders beeindruckt hat mich gleich das erste Kapitel „Der Strand“. Da beschreibt sie, welche zufälligen Schätze sich im Meer finden lassen, wenn man nicht danach sucht…

…„jene spielerischen unbewußten Brecher auf den glatten, weißen Sand des Bewußtseins spülen werden; was für eine seltene Muschel sie vom Grund des Ozeans mitbringen. Vielleicht eine Wellhornschnecke, vielleicht eine Mondmuschel oder sogar eine Argonauta. Aber man darf nicht danach suchen oder etwa danach graben! Nein, nur kein Schleifnetz über den Meeresgrund ziehen. Das würde unseren Zweck vereiteln. Das Meer belohnt jene nicht, die zu beflissen, zu gierig oder zu ungeduldig sind. Nach Schätzen zu graben beweist nicht nur Ungeduld und Gier, auch Mangel an Glauben. Geduld und Glauben lehrt uns das Meer. Geduld und Glauben. Leer, offen und passiv wie der Strand sollen wir daliegen – das Geschenk des Meeres erwartend.“ (aus: Anne Morrow Lindbergh Muscheln in meiner Hand. Eine Antwort auf die Konflikte unseres Daseins. Piper1967, S. 8-9).

  • Beitrags-Kategorie:Blog
  • Beitrag zuletzt geändert am:18. Juli 2021
  • Lesedauer:3 min Lesezeit