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Ein Projekt gestaltet sich nach und nach. Es wird geschrieben, redigiert, nochmals geschrieben, dann ist es irgendwann – wenn alles gut geht – druckreif. Bis dahin liegt ein spannender, manchmal auch dornenreicher Weg vor den Projektteilnehmer*Innen. Aber wie heißt es immer so schön : “Alles wird gut am Ende und wenn nicht, dann ist es noch nicht das Ende…”

In diesem Sinne dann weitere Einblicke in unser Projektlabor mit dem derzeitigen Arbeitstitel:

“Frankfurt am Main anders erfahren, entdecken”

Der Wandel, die Erwartungen, das frühere und das heutige Bild Frankfurts, aus dem individuellem Erleben, aus der Position eines ‚Beobachters‘ oder ‚Flaneurs‘, so war unser Einstieg in das Projekt „ÜberLebensKunst – das Forschungslabor“.

Dabei zeigten sich sowohl Alleinstellungsmerkmale als auch Besonderheiten, die Frankfurt von anderen Städten unterscheidet und die wir gerne präsentieren möchten. Frankfurt einmal ganz anders präsentiert zeigt metaphorische und reale Bilder eines gesellschaftlichen Wandels einer Stadt. Präsentiert und thematisiert wird das Bild, das sich Projektteilnehmer*Innen von der Stadt Frankfurt gemacht haben. Ihr Stadtbild ist geprägt durch die eigene Identität, durch die der Stadtbewohner und die potentiellen Besucher oder Reisenden. Somit also für alle, die eine Stadt und ihr Erscheinungsbild als unverwechselbar erleben oder erlebbar machen wollen.

Bilder einer Stadt

Konkurrenz unter den Städten gerät heute unter ökonomischen und gesellschaftlichen Bedingungen zum wesentlichen Faktor für Selbstverständnis und Selbstdarstellung einer Stadt. Historisch seit dem 19. Jahrhundert gewachsen, stehen historische Erschließung und daraus folgend die Vermarktung einer Stadt für deren Entwicklung in einem komplexen Zusammenhang. In diesem Sinne haben unsere (noch geplanten) Beiträge das Ziel, zu gemeinsamen Stadtführungen, Diskussionen zum Erleben der Stadt Frankfurt und auch zu weiterführenden Workshops Grundlagenforschung zu bieten.

Das gedachte kleine, hoffentlich demnächst im Druck vorliegende Heft, von den Projektteilnehmer*Innen liebevoll ‚Zine‘ oder ‚kleines Magazin‘ genannt, hat sowohl Gedanken zum „Stadtimage“ als auch zu „Stadtidentität“ aufgegriffen. Mit den in vier Semestern besprochenen neueren Kultur- und sozialwissenschaftlichen Forschungen wurden diese Vorgänge ins Blickfeld gerückt. Auch künstlerische Positionen wurden dazu herangezogen und beleuchtet.

Die Stadt Frankfurt ist durch ein bestimmtes Stadtbild geprägt. Die Stadtfront, ob vom Feld oder vom Ufer des Mains oder gar auf dem Main (Beitrag Christel Enders) zeigt immer eine Vielzahl prägnanter Hochhäuser, aus denen sich eine charakteristische Silhouette ergibt, die von hoher Prägnanz und Wiedererkennbarkeit geprägt ist. Der Reiz dieser unterschiedlichen Perspektiven – vielleicht sogar ergänzt durch die der Vogelperspektive – bedingt, auf die innere Organisation Frankfurts spontan schließen zu können. Vor unserem geistigen Auge entstehen Verkehrsadern, öffentlichen Hochhäuser und Hauptplätze. Diese von den Projektteilnehmer*Innen (neu-)erfahrene und erlebte Wahrnehmung Frankfurts weckt Erwartungshaltungen, Vergleichbarkeiten, regt zu Blicken und Einblicken an, die bis zurück ins Familienalbum führen. Diese erlebten und auch beschriebenen Stadtbilder sind mehr als reine Dokumentation. Sie idealisieren, werden zu Erinnerungsträgern, zu Zeugen von Bedrohtem und Verlorenem (Beitrag Thomas Brand).

Industrialisierung bedingte einen dynamischen Wandel, der Verlust vertrauter, städtischer Räume und Ordnungen nach sich zog. Die Bevölkerungszahlen stiegen, die Anbindung an die Eisenbahn ließ Stadtmauern und Wallanlagen schwinden. Grenzen, über Jahrhunderte entstanden, verwischten sich. Der innere Stadtumbau veränderte alt vertrautes Gelände, ließ Schneisen für den wachsenden Verkehr entstehen. Neue Gebäude- und Straßenzüge bedingten den Verlust von Orientierungspunkten, boten gleichzeitig Potential für Handel, Verkehr und Austausch. Beim Eintauchen in die Frankfurter Stadtgeschichte des 19. Jahrhunderts begegnen uns immer noch Namen und Persönlichkeiten, die in die Zeit des 19. Jahrhunderts zurückführen und heute noch wichtige Orientierungspunkte sind, ohne dass wir uns noch an ihre Geschichte erinnern (Beitrag Anne Winckler).

Identitätsverlust durch die Beschleunigung der Moderne bedeutet Nostalgie, Heimatssehnsucht oder Kulturpessimismus in einem. Aus Umbrüchen und Verwüstungen der modernen Beschleunigung taucht das Bild der alten Stadt, quasi ein Gegenbild auf. Prominentes Beispiel dazu sind der Römerberg und die neue Frankfurter Altstadt. Durch sie zeigt sich ein mit Sehnsucht aufgeladenes Bild gegen die als „unwirtlich“ empfundene Nachkriegsarchitektur. Von „Frankfurts Macht und Größe“ berichtete bereits Friedrich Stoltze (Beitrag Rudolf Dederer).

Zur Identität der Stadt Frankfurt

Frankfurt hat viele Orte, die im Rahmen einer Forschung Erinnerungen wieder freigeben und sie in Worten und Bildern erfahrbar werden lassen. Sie geben Raum für ein System, in dem Häuser und Monumente, Straßen und Plätze zu Trägern der Erinnerungen werden. Monumente sind für historische Fragestellungen interessant, geben Aufschluss über ihre Auftraggeber, scheinen an andere Plätze und Orte im Stadtbild zu wandern. In ihrer wachsenden Bedeutung zeigen sich Herrschaftsverhältnisse oder politische Ansprüche. Monumente in Frankfurt greifen auf kollektive Erinnerungen zurück, festigen diese und verweisen zugleich auf eine gemeinsame Gegenwärtigkeit. Damit begründet sich Stadtidentität (Beitrag Rudolf Dederer)

Sowohl im Diskurs um die Identität als auch in der Thematik der Reproduktion der Geschichte im Stadtbild treten in Frankfurt neben der Skyline, die Bankenwelt, der Römer und neuerdings auch der Riedberg in den Vordergrund. Hier trifft zukunftsorientierte Gegenwart auf Identifikation mit der Geschichte. In beidem wird Frankfurt erkennbar, aber vielleicht gerade in ihrer Skyline auch austauschbar, wenn man den Vergleich zu anderen Skylinebildern wie etwa dem von Shanghai heranzieht. Da wirkt der Römerberg als traditionelles Stadtbild irgendwie gerichteter, weniger austauschbar, obgleich er rekonstruiert ist. Auf der Suche nach Alleinstellungsmerkmalen tut sich eine namentlich erwähnte Sehenswürdigkeit hervor, die „Bonifatiusquelle“ auf dem Riedberg oder die beiden Pilgerpfade, auf die durch Wegweiser hingewiesen wird (Beitrag Anne Winckler). Sie bieten Wiedererkennbarkeit ohne Austauschbarkeit, Raum für individuelle und kollektive Stadterfahrungen und -identitäten.

Abseits des ‚ewig Gleichen‘

Frankfurt ‚anders‘, andere Einblicke, Blickwinkel, so haben die Projekteilnehmer*Innen ihre Forschung zu Frankfurt begonnen. Die Hervorhebung dessen, was als „typisch“ an Bauwerken oder Blickpunkten Frankfurts gilt, hat als bildliche Darstellung eine lange Tradition. Zunächst vom Adel im 17. Jahrhundert, später vom Bürgertum als „Grand Tour“ vorangetrieben, galten Bildungsreisen durch Europa lange als das Mittel der Wahl, sich auch nach außen zu präsentieren. Mitgebracht wurden Landschafts- oder Stadtbilder, Portraits, von Mitreisenden in Auftrag gegeben. Prominentes Beispiel ist das Goethe-Portrait von Johann Heinrich Tischbein im Frankfurter Städel. Goethe selbst war nie im Besitz des Originales, sondern begnügte sich mit Reproduktionen. Hoch aktuell zeigt sich diese Variante in den Bedürfnissen, Belege für Reisen zu finden und zu sammeln. Aber auch Szenen und Portraits aus dem Alltagsleben wie zum Beispiel Scherenschnitte, von zeitgenössischen Künstler*Innen gestaltet, stehen wieder hoch im Kurs (Beitrag Beate Stahl).

Während es sehr individuelle Gestaltungen gibt, die auch einen hohen Wiedererkennungswert haben, zeigen sich auch zahlreiche Produkte der Austauschbarkeit. Memory-Karten über Frankfurt präsentieren vorwiegend ‚Hamerman‘, ‚Skyline‘, Römer‘ oder Tischbeins ‚Goethebild‘. Die Einheimischen bevorzugen andere Motive. So haben die vorgestellten Projekte viel mehr mit der Sicht der Bewohner oder speziell dem Blickwinkel „Flaneure‘ auf ‚ihre Stadt‘ zu tun. Beschrieben wird da etwa das alltägliche Leben und Besuchen des eigenen Stadtviertels „Bockenheim“ (Beitrag Katrin Swoboda) oder das abendliche Ausgehen in Musikkneipen (Beitrag Irma Hansmann), die tänzerischen Vergnügungen wie die des Tangotanzens (Beitrag W. W.).  Auch die Kontemplation am Nachmittag kommt nicht zu kurz beim Flanieren im „Bethmannpark“ (Beitrag Anita Wessling). Bei allen diesen Beiträgen zeigen sich persönliche Interessen, Vorlieben und Insiderwissen.

Wer Frankfurt besucht und erlebt, der findet noch malerische Hinterhöfe, weniger bekannte Parks, Geheimnisse noch nicht erschlossener Namen und Hinweise darauf, wie die der „Louisa“ (Beitrag Anne Winckler). Goethe konnte sich für die Italienreise zwei Jahre Zeit nehmen. Neben bekannten Sehenswürdigkeiten verfolgte er auch eigene Interessen und forschte nach touristisch wenig erschlossenen Besonderheiten. Auch wenn die Reisedauer sicher heute wesentlich kürzer angesetzt wird, so bleibt doch das Ziel. Die Studierenden in „ÜberLebensKunst – das Projektlabor“ haben einen guten Weg gefunden, Frankfurt anders zu entdecken und auf eine spannende und unterhaltsame Art und Weise zu beschreiben.