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Silvester droht mal wieder. Von den einen heiß geliebt, weil Krach machen endlich einmal ausdrücklich erlaubt ist, von anderen sehr gefürchtet, ob des „Höllenspektakels“. Das begann schon mit dem Brauch der alten Germanen, schreiend und johlend brennende Holzräder ins Tal rollen zu lassen, um die Geister der Raunächte zu vertreiben. Das steigerte sich bis hin zum ersten Feuerwerk 1506 von Maximilian dem Ersten am Bodensee und endet heute mit musik-synchronen Feuerwerken, die ein Highlight jeder Veranstaltung, besonders am Jahresende, darstellen sollen. Wenn man dies nun alles noch mit Seeräubern, Lebensfreude und britischem Humor verbindet, dann landet man beim Staatstheater in Mainz und den „Piraten von Penzance“. Der Tipp des Kulturbotschafters des UniWehrsEL nicht nur zu Silvester.

Liebes UniWehrsEL,

Anarchisch-irrwitzig und voller Klischees, ein Feuerwerk der guten Laune und unbedingt etwas für Freunde des typisch britischen Humors, so könnte ich das für die Leser zusammenfassen. Die Mannschaft des Mainzer Staatstheaterchors geht auf Kapernfahrt zeigt überbordende Spielfreude. „Die Piraten von Penzance“ hat meine Erwartungen erfüllt.

Im ersten Akt war ein riesiges Piratenschiff auf der Bühne. Die Piraten hatten liebevoll zusammengestellte Kostüme an. Das Stück hat sehr britischen Humor. Erinnert mich aber auch an den Humor von Offenbachs Operetten. Die Handlung wird durch immer neue Wendungen ins Absurde gesteigert. Das Hafenstädtchen Penzance, an der Küste von Cornwall gelegen, war zwar mal Angriffsziel von Piraten, aber dies war im 19. Jahrhundert aufgrund der britischen und amerikanischen Marine nicht mehr der Fall. Deshalb mutet schon der Titel „Piraten von Penzance“ etwas komisch an, weil Penzance zu der Zeit ein beschauliches Seebad war, keine Piratenhochburg.

Im Deutschen würde ein Titel wie die ‚Piraten von St. Peter Ording‘ beim deutschen Publikum wohl auch zu Verwunderung bzw. Belustigung führen. Die Operette bedient sich aber sehr schamlos sämtlicher bis dahin bekannter Seefahrergeschichten, wie z.B. von Walter Scott, Robert Louis Stevenson und Daniel Defoe mit ihren Erzählungen von freiheitsliebenden Freibeutern, die sich außerhalb der gesellschaftlichen Konventionen bewegen.

Ebenfalls beliebt zu der Zeit war die Erzählung vom edlen Kosar, einem vom rechten Weg abgekommenen Adligen, welcher nur aufgrund einer misslichen Fügung des Schicksals zur Piraterie gekommen ist und selbstverständlich, insbesondere gegenüber schönen, feinen Damen, Milde walten lässt.

Die Autoren William Schwenck Gilbert und Arthur Sullivan (1879) treiben dies mit ihrer Geschichte auf die Spitze. Die Kasse der Piraten von Penzance ist immer leer, weil die Piraten sich edel verhalten wollen. Sie weigern sich Schwächere anzugreifen und haben es sich zur Gewohnheit gemacht, Leute laufen zu lassen, die von sich selbst behaupten, Waisen zu sein. Dies hat sich mittlerweile so herumgesprochen, dass diese vermeintliche Schwäche von den Überfallenen gnadenlos gegen die Piraten ausgespielt wird. Im Mittelpunkt der Handlung steht nun ein junger Mann, Fredric, mit sehr fragwürdigem moralischen Kompass.

Bis zu seinem 21. Geburtstag macht er eine Ausbildung zum Piraten, um diese mit Vollendung zu verlassen und wie er selbst sagt, die Piraten zu jagen. Nur mit einem Trick kann der Piratenkönig den jungen Mann wieder auf seine Seite ziehen. Er behauptet, Frederic sei nicht 21, sondern weil er in einem Schaltjahr geboren ist, nach Piratenrechenart erst 5 3/4 Jahre alt. Die Piraten appelieren also an sein “Pflichtgefühl” die Ausbildung abzuschließen und weiter Pirat zu bleiben.

Dies tut Fredric auch und verlässt seine neue, gerade gewonnene Liebe Mabel, um mit 65 Jahren – erst dann ist er 21 in Piratenjahren – zu Mabel zurückzukehren. Diese sieht ein, dass sie den Prinzipienreiter nicht überzeugen kann, seine Pflicht zu vernachlässigen. Mabel ist die Tochter des Generalmajors Stanley, der sich durch die Lüge, er sei eine Waise, aus der Gefangenschaft der Piraten befreien konnte und seine schönen Töchter deshalb auch mit nach Hause nehmen durfte.

 Der Generalmajor hat 10 Töchter, aber leider keine Ehemänner. Als er erneut von den Piraten gefangengenommen wird und ihm die Schutzpolizei nicht helfen kann, weil sie so Angst vor den Piraten hat, rettet ihn ein Eid auf die Queen Victoria. So sind die Piraten alles loyale Bürger und geben ihre Gefangenen nach Nennung des Namens der Queen bereitwillig frei. Soviel Loyalität muss belohnt werden, und so werden alle Piraten zu verschrobenen Adligen befördert und können nun auf legalem Weg die Töchter des Generalmajors heiraten. Happy End.

Die Operette ist im englischsprachigen Raum sehr beliebt und bekannt. Die Mainzer bringen die Piraten nun ins Rhein-Main-Gebiet. Zur Zeit ist der berühmteste Pirat in Deutschland immer noch Jack Sparrow aus dem „Fluch der Karibik“. Kein Wunder also, dass dieser berühmte Soundtrack auch kurz in der Mainzer Aufführung erklingt. Neben Klamauk gibt es aber auch eine ernste Seite, die hinter dem Stück verborgen ist. So liest man denn im Programmheft, diese Art von Opern riefen in den Briten stets eine nostalgische Zuneigung zur Vergangenheit des britischen Empires wach, die ein erstzunehmendes Hindernis für Veränderungen und Reformen darstelle. Daher werden die Opern auch als rückständig von einigen englischsprachigen Besuchern empfunden und wissentlich gemieden. Für deutsche Opernfans oder Operettenliebhaber sind sie sicherlich eine neue Erfahrung, wenn auch ohne Nostalgie für das Kaiserreich. Für Freunde, die britischen Humor schätzen, es bunt und schrill, komisch und laut mögen, ein schillerndes Muss!

In diesem Sinne wünschen wir allen Lesern des UniWehrsEL einen guten Rutsch ins Neue Jahr 2024! Und bedanken uns wieder einmal bei Pixabay – hier die Piratenflagge von Dimitris Vetsikas – für ihre tollen Bilder, die unser UniWehrsEL immer wieder bereichern.

  • Beitrags-Kategorie:Blog
  • Beitrag zuletzt geändert am:28. Dezember 2023
  • Lesedauer:6 min Lesezeit