Man findet sie in der Literatur, Musik, Kunst, Politik, Philosophie, Wissenschaft und Gesellschaft, die „Sehnsuchtsorte“. Beschrieben werden dabei sowohl rückwärtsgewandte nostalgische Konstrukte, als auch zukunftsorientierte Utopien. Sie spielen eine Rolle als Motor oder Bremse für Veränderung und Innovation.
Über sie zu reden ist Gegenstand von Workshops, wie dem der “Sehnsuchtsorte” am Comer See. Er wird veranstaltet von Mitgliedern der Jungen Akademie, wobei ihr Tagungsort selbst für viele Menschen einem Ort der Zuflucht und Sehnsucht gleicht. Sehnsuchtsorte wecken Erinnerungen, und die möchte ich gerne mit Ihnen teilen!
Ich freue mich darauf, wenn Sie mir die ihren auch unter Kontakt mitteilen.
Beginnen wir beim Sehnsuchtsort Musik. Einer meiner treuen Begleiter ist ein Song, den der damals 19jährige Roger Hodgson als eine Imagination eines Landes jenseits des Atlantiks verstand. Mit sehr viel guter Laune beschrieb er eine Träumerei, die viele von uns teilten und die vor allem von Fernsehbildern und dem Siegeszug der Beatles 1964 inspiriert war. Zur guten Stimmung im Lied „Breakfast in Amerika“ trugen die im Text auftauchenden texanischen Millionäre und „California Girls“, die es dort zuhauf geben sollte, nicht unmaßgeblich bei. Eben ein ganz besonderes Lebensgefühl. 2016 habe ich Supertramp nochmals im Konzert in der Alten Oper zusammen mit meinem Sohn Kai erlebt, unglaublich, welche Stimmung der inzwischen 65jährige da bei seinen Hardcore-Fans erzeugte, weil im Song auch so viel gelebte Nostalgie mitschwang.
Ich war übrigens auch bis heute noch niemals in New York, geschweige denn Hawaii, was wohl der sehr bekannte Sehnsuchtsort von Udo Jürgens war, der gerne mit „zerrissenen Jeans“ einmal eine ganz andere Person, als die im Smoking am weißen Flügel, gewesen wäre. Ein geheimer Ort der Sehnsucht kann eben auch eine Rolle sein, in die Mann oder Frau gerne einmal schlüpfen würde und dies zu Fasching dann auch gerne einmal tut (wohl wissend, dass am Aschermittwoch alles vorbei ist).
Aber in Paris, da war ich schon, und damit habe ich es dem „Malocher aus dem Ruhrgebiet“ ein Stück weit gleich getan, wenn auch aus anderen Motiven heraus. Der hat nämlich seinen Sehnsuchtsort aufgesucht, weil die „Alte zuhause (war) auch nicht mehr das, was sie früher einmal war“. Damit hat er seinen Sehnsuchtsort mit allem gleichgesetzt, was aus dem Alltag heraus hebt, wie er singt „… da trink’ ich Sekt im ‚Alkacar‘ und tanze Cha-Cha-Cha“! Beides steht bei mir übrigens auch noch aus.
Angeregt zu der Idee, über Sehnsuchtsorte zu reflektieren, hat mich ein Leserbrief, wie immer meinen herzlichen Dank dafür!
Aber lesen Sie bitte selbst:
Liebes UniWehrsEL,
Gerade im Winter sind die Tage oft grau. Da trifft es sich gut, dass das „Städel” einen der Sehnsuchtsorte der Deutschen eine neue Ausstellung widmet. Um dieses Land zu erraten ein paar kleine Hinweise meinerseits. Der Herr Geheimrat Goethe hat es schon bereist. Ein riesengroßes Bild mit Goethe und dem Land hängt im Städl. Eine Kopie davon im Goethehaus. Es ist das Land, das als Unterhaltung das Genre Oper erfunden hat. Das Land sieht aus wie ein Stiefel. Es ist warm dort. Manche Bauwerke sind schief gebaut, aber erfreuen sich trotzdem bei Touristen großer Beliebtheit. Nach der Stadt ist ein Test für das Wissen von Kindern benannt.
In einer Stadt dieses Landes fahren Gondolieri durch den Ort. Pizza gehört zur Leibspeise dieses Volkes, und die Künstler tragen so wohl klingende Namen wie Michelangelo, Donatello, Raphael. Die Bewohner dieses Landes sind gerne gut angezogen. Sie haben Modeschöpfer namens Versace hervorgebracht und kostspielige Sportwagen namens Ferrari herausgebracht. Es gibt dort viele Villen, Kirchen, Klöster.
Sicher hast du die Antwort bereits erraten. Die Rede ist natürlich von Bella Italia.
Das Städl zeigt Italienfotographie von 1850 bis 1880 aus seiner eigenen Sammlung. Durch die Erfindung der Fotographie konnten berühmte Orte wie Venedig, Mailand, Florenz, Rom, Neapel für ein größeres Publikum festgehalten werden. Die Ausstellung zeigt Werke von Giorgio Sommer, Carlo Naya oder der Gebrüder Alinari. Diese prägten das Bildgedächtnis von Menschen und verstärken so die Verbindung zum Land Italien. Die Ausstellung heißt „Italien vor Augen“ und ist bis September 2023 zu besichtigen. Der Kunsthistoriker Johann David Passavant hat die Fotosammlung über Italien angelegt.
Als ich die Ausstellung besucht habe begegneten mir gerade drei Gruppenführungen hintereinander. Das war ein ganz schöner Trubel.
Danke, das wäre schon ein absolutes Land meiner Sehnsucht. Zumal ich da – rein musikalisch gesehen – ein ergänzendes Bild durch die EAV (Erste Allgemeine Verunsicherung) im Ohr habe. Heiße Nächte in Palermo, da haben sich “Wiener Schmäh” der alten Schule mit Charme und Cleverness der Tourismus- und Trend-Vermarkter bestens vereint.