You are currently viewing Stille – und was bewegt Sie?

Das Seminar zur Stille bewegt die Studierenden. Dazu sind die Beschreibungen Sara Maitlands äußerst anregend. In „Orte der Stille“ (Kapitel 5) ihres wunderbaren Buches beschreibt sie ihr zunehmendes Herausfinden der Augenblicke, in denen Stille in den Tag wie eingewoben wirkt. So kann sie die Morgendämmerung, den Sonnenaufgang, das Legen des Windes im ungeschützten Gelände, das Verblassen der Sterne und die Verwandlung des schwarzen Himmels in ein Indigoblau anschaulich beschreiben.

Ihre Sehnsucht treibt Maitland weiter an, immer andere stille Orte zu finden, die Natur und besonders die Vogelbeobachtung sich zum Ziel nehmend. Sie träumt vom Fliegen, vom Freisein. Sie begibt sich auf Wanderungen über das Land, zitiert die praktische Unmöglichkeit, menschliche Gesellschaft und die Natur gleichzeitig zu lieben.

Auch Thomas Merton habe eine ähnliche Entwicklung genommen, lässt Maitland den Leser wissen, wie es seinem ausführlichen und kontinuierlich geführten Tagebuch zu entnehmen sei. Sein Einsiedlerleben in den stillen Wäldern von Kentucky auf dem Gelände seines Klosters ließ ihn zunehmend fühlen, eins mit seiner Umgebung zu sein und sich dessen bewusst zu werden:

… „wie der Tag beschaffen ist, ihn zu sehen und zu spüren, zu wissen, dass der Himmel grau und im Süden blasser ist, im Südwesten blaue Flecken hat, dass Schnee den Boden bedeckt, das Thermometer minus acht Grad zeigt und ein kalter Wind den Ohren weh tut.“  

Solchermaßen in quasi meditativer Stille entstanden, bat ich in meinem Seminar Geheimnisvolle Stille – Last und Lust des Schweigens meine Studierenden darum, sich einmal in ihre eigenen Gedanken zur Stille zu versetzen und diese für mich aufzuschreiben. Frau Schäfer hat dies für das UniWehrsEL getan. Ich möchte mich ganz herzlich dafür bei ihr bedanken!

Hallo Frau Wehrs,

anbei mein kleiner Beitrag zum Thema Stille, den Sie gerne im UniWehrsEL veröffentlichen können.

Vielen Dank für Ihre tollen Seminare, die für mich sehr bereichernd und inspirierend sind.

Viele Grüße und noch ein schönes Restwochenende.

Brigitte Schäfer

Stille

Beim Nachdenken über die Stille erinnerte ich mich auch daran, dass ich einmal die Gelegenheit hatte bei einer Kurzfilmproduktion mitzuarbeiten. An einem Tag ging der Toningenieur allein in einen Raum, um „Atmosphäre“, also wie ich dachte, Nichts aufzunehmen.

Doch Stille ist nicht Nichts, vielmehr scheint es, als sei sie etwas Eigenes, irgendwie etwas zwischen etwas.  Und je mehr ich über sie nachdenke, erscheint sie mir mit einer eigenen Dimension. Groß, in der Weite einer Landschaft, kompakt in der Enge eines Raumes, klein in dem Moment, zwischen dem Loslösen eines Wassertropfens von einem regennassen Blatt bis zu dessen Auftreffen auf die Oberfläche eines Sees.

Wie ein eigenes Element.

Der Stille muss man nachspüren. Doch, wie ich finde nicht mit großer, oft mit Anstrengung verbundenen Konzentration, sondern aufmerksam, entspannt, leicht, dann könnte sich die Möglichkeit eröffnen, unserer eigenen, ganz persönlichen Stille zu begegnen.

Besonders wundervoll empfinde ich den Moment am Ende eines Konzerts, wenn die Bögen der Streicher noch einen Augenblick in der Luft verharren, bis der Dirigent den Taktstock senkt. Als hätte diese Stille eine eigene Note, wäre selbst ein Ton.

Und vielleicht begegnen wir uns selbst in dem Augenblick der Stille, der für uns vollkommen ist. Das Selbst ist für mich etwas ähnlich Mystisches wie die Stille. Bin ich das Selbst? Vielleicht hilft dieses Treffen mich selbst in diesem Augenblick zu erkennen.

Das Selbst ist ein Teil unseres Seins, vielleicht muss man mit seinem Sein allein sein um, der Erkenntnis eine Chance zu eröffnen.

Dazu passt gut folgendes Zitat aus „Schloß Gripsholm“ von Kurt Tucholsky:


“Warum gibt es das nicht, beharrte ich. Immer ist etwas. Immer klopfen sie, oder sie machen Musik, immer bellt ein Hund, marschiert dir jemand über deiner Wohnung auf dem Kopf herum, klappen Fenster, schrillt ein Telephon – Gott schenke uns Ohrenlider. Wir sind unzweckmäßig eingerichtet. – Schwatz nicht, sagte die Prinzessin. Hör lieber auf die Stille!“

Es wäre ganz wunderbar, wenn der Eine oder die Andere dem Beispiel Frau Schäfers folgen würden und uns einen kleinen eigenen Beitrag zu ihren Stille-Empfindungen hier erzählen würden.

Danke für das Bild von Schloß Gripsholm auf Pixabay!