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Lieben Sie überwürzte Speisen? Dann folgen Sie einem Trend, der im mittelalterlichen Abendland seinen Höhepunkt erreichte. Der Grund dafür war eine Eintönigkeit im alltäglichen Speiseplan, und wer will schon dauernd Getreidebrei und -fladen essen. Zudem gab es kaum Konservierungsmöglichkeiten für verderbliche Lebensmittel wie Fleisch und Wildbret.

Also griff man zu starken Gewürzen, um den ranzigen Geschmack zu übertönen. Gleichzeitig wurde dabei auch die Verdauung angeregt. Exotische Speisearomen zu verwenden entsprach dem Wunsch, zu den sozial Privilegierten zu gehören, die sich durch die Kunst der Verwendung kostbarer Ingredienzen vom Plebs abheben wollten.

Kommt Ihnen das irgendwie bekannt vor? In ihrem sehr interessanten Buch „Gewürze. Geschichte, Handel, Küche“ der Wirtschaftshistorikerin Manuela Mahn lässt sich sehr vieles über Gewürztraditionen, Handel in der Antike und die Rolle der Gewürze in Kochkunst und Medizin nachlesen. Ein Kapitel widmet sich dem “Gipfel der Üppigkeit”.

Nachfolgend ein kleiner Auszug:

Der berühmte Gourmet und Kochkünstler Marcus Gaius Apicus, der im 1. Jahrhundert lebte, hinterließ eine Kochrezeptsammlung, die als extravaganter Gaumengenuss gerühmt wurde und noch im 4. Jahrhundert als Synonym für Völlerei schlechthin galt. Kopiert, erweitert, ergänzt, zu neuen Kochrezepten anregend waren sie Grundlage für diätische, medizinische, agrarische Schriften, die zum Nachkochen einluden.

Da gab es gekochten Flamingos, gebratene Schnecken, gefüllte Haselmäuse oder gegrillte Langusten. Läuft Ihnen da nicht das Wasser im Munde zusammen? Er würzte überschwänglich mit Kardamom, Ingwer und Pfeffer, der während des Kochvorgangs zugefügt und auch nochmals über die fertigen Speisen gestreut wurde. Pfeffer durfte in der Würzsoße, – die liquamen sind typisch für die römische Küche – genauso wenig wie bei Fleisch, Fisch und Geflügel fehlen.  Auch die Süßspeisen – die dulcia – veredelte der scharfe Würzstoff.

Pfeffer, Honig, Raute und passum (süßer Kochwein) werden in Milch und angerührtem Mehl breiig gekocht, Eier daruntergemischt, wieder aufgekocht, mit Honig übergossen und dann mit Pfeffer bestreut. Lust, dies einmal nach zu kochen? Scheuen Sie sich nicht, uns das Ergebnis mitzuteilen.

Aber seit der Antike bedeutet Essen weit mehr als reine Nahrungsaufnahme. Neben der Sättigung und dem Schwelgen in kulinarischen Genüssen gab und gibt es eine ernährungsphysiologische Bedeutung. Nahrungsmittel dienen nicht nur seit heute sowohl der Gesundheitsprophylaxe als auch als Heilmittel. Wie bereits im Beitrag „Melancholie“ – was fällt Ihnen dazu ein beschrieben, hat der griechische Arzt und Gründer der wissenschaftlichen Medizin die „Viersäftelehre“ begründet. Laut dieser Theorie sollte das Gleichgewicht oder Ungleichgewicht der vier Körpersäfte – Blut, Schleim, gelbe und schwarze Galle – über Gesundheit und Krankheit eines Menschen bestimmen. Damals wie heute gilt: eine maßvolle Lebensweise, eine bewusste Ernährung und auch der richtige Umgang mit Gewürzen spielen eine wichtige Rolle.

Bei Hippokrates wurde Gewürzen die einmalige Funktion zugeschrieben, mit ihrer heißen und trockenen Qualität feuchte und kalte Nahrungsmittel zu temperieren bzw. im Organismus in einem guten Gleichgewicht zu halten. Im Corpus Hippocratium sind Gewürze als Heilmittel beispielsweise im Bereich der Gynäkologie aufgeführt. So sollten Zimt und Kassia der „Räucherung des Unterleibes bei Gebärmutterentzündung“ dienen.

Danke an Kai Reschke für sein “Pfefferbild”