Du betrachtest gerade „Gebieter der Stille“

Es scheint etwas ganz Besonderes zu sein, auf einer Insel zu leben. Im „Buch der Stille“ (wir berichteten über die Autorin und ihre frühere Leidenschaft in unserem Beitrag zu Deipnosophie) erzählt Sara Maitland, wie es sich anfühlt, an einem Ort nur noch von Stille umgeben zu sein und wochenlang zu schweigen. Während ihr der Wald mit seinem Flüstern und Rauschen eher unheimlich sei, wie sie den Leser wissen lässt, stellt unter anderem die zerklüftete Insel Skye für sie einen Sehnsuchtsort dar.

Es geht wohl darum, Teil einer umfassenderen Ordnung zu sein, mit dem sie sich innig verbunden fühlt.

Das besondere der „Insularität“ und das Selbstverständnis von Inselbewohnern erforschte schon 1988 die Kulturanthropologin Ina-Maria Greverus im Sachbuch „Auf Inseln leben„. Ihre Feldforschung galt Rügen und Usedom. Für die Studierenden, die gerade im Fach der Kulturanthropologie und Europäischen Ethnologie in Frankfurt Main das Fremde und das Eigene erforschen, geht es darum das Selbstbild des Inselbewohners und seine besondere Mentalität durch Befragungen herauszufinden. Danach wird eruiert, wie sich dieses Besondere, Andere von dem der Menschen auf dem Festland unterscheidet.

Ein Leserbrief von Herrn Schwens zum Beitrag „Röchelverzeichnis“ enthielt zudem eine Frage, wie sich wohl Keith Jarrett auf der Bühne fühle, wenn er zum „Gebieter der Stille“ würde, was nicht nur an unser nächstes Semesterthema andocke, sondern indem Stille auch als Machtdemonstration verstanden werden könne. (Danke nochmals für die Anregung, lieber Herr Schwens!)

Der Gebieter der Stille erinnert an einen Roman von Dirk Gieselmann, der sich bislang vor allem als Journalist einen Namen und gemacht hat und für die Berichterstattung des Fußball-Magazins „11 Freunde“ mit dem Henri-Nannen-Preis ausgezeichnet wurde. Seinen Debütroman „Der Inselmann“ versteht er als „eine poetische Reise in die Seele eines jungen Individualisten, der irgendwie nicht in die Gesellschaft zu passen scheint.“

Worum geht es:

„Eine vergessene Insel, ihr stiller König und die Sehnsucht nach einem Leben abseits der Welt. »Der Inselmann« ist das ebenso berührende wie sprachmächtige Porträt eines Außenseiters und eine Hymne auf den Eigensinn.

Anfang der Sechziger in einem entlegenen Teil Deutschlands. Das Ehepaar Roleder zieht auf eine unbewohnte Insel inmitten eines großen Sees. Es ist eine Flucht nach innen, vor der Stadt und der Wirklichkeit. Mit dabei ist ihr Sohn Hans, der auf der Insel ein neues Zuhause findet. Und noch so viel mehr. Denn mit der Zeit scheint der schüchterne Junge geradezu mit der Insel, den Bäumen, dem Laub, dem Moos und dem Gestein zu verwachsen. Hans wird zum König der Insel. Bis, mit dem Bescheid der Schulbehörde, die Realität in seine kleine große Traumwelt einbricht und ihn von Insel und Eltern trennt. Es ist der Beginn einer beschwerlichen Odyssee, gelenkt zunächst von gnadenlosen Institutionen des Staates und schließlich dem einen großen, pochenden Wunsch: zurückzukehren auf seine Insel, in die ersehnte Einsamkeit im Schatten der Welt. Doch: Wie wird die Insel, wie werden die Eltern ihn empfangen?“


Zentrale Themen sind neben Hans‘ Kampf nach persönlicher Freiheit auch der Zwiestreit zwischen Kultur und Natur, zwischen Gesellschaft und Individuum. Die Stille hat für den Roman eine immense Bedeutung und Hans wird an einer Stelle selbst als „Gebieter der Stille“ bezeichnet. Nahe liegt es da, auch den Autor Gieselmann dieses sensiblen, melancholischen Inselromans als solchen zu bezeichnen.